Die Kirchen und die Debatte um PID

Von Thomas Klatt · 29.01.2011
Während sich die Katholische Deutsche Bischofskonferenz nach wie vor für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik ausspricht, will die Evangelische Kirche in Deutschland ihre Position zu den Gentests an Embryonen neu überdenken.
"Es gibt Menschen, die mit großer Angst auf die Schwangerschaft blicken, mit großer Panik, weil sie hinter sich haben, Tod und Fehlgeburten, weil sie bemerkt haben, dass sie eine schwere erbliche Vorbelastung haben. Wir haben zu sehen, dass es gerade die Frauen sind, die sich die Augen ausheulen, die ein Kind ausbluten und die heute nach Belgien oder England gehen, wenn sie es sich finanziell erlauben können, um sicher zu gehen, nicht eine Spätabtreibung machen zu müssen, der sie ein Leben lang traumatisiert."

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Pfarrer Peter Hintze plädiert für die gesetzliche Zulassung der Präimplantationsdiagnostik in engen gesetzlichen Grenzen. Sogenannte monogene Krankheiten, die also nur auf ein Gen zurückzuführen sind, können dank dieser Methode frühzeitig noch vor der Einpflanzung des künstlich erzeugten Embryos erkannt werden. Damit deutsche Paare zur Untersuchung nicht mehr ins Ausland gehen müssen, soll PID auch in Deutschland an wenigen lizensierten Kliniken angeboten werden.

Die Paare sollen medizinisch wie auch psychosozial beraten werden und eine Ethik-Kommission soll in jedem einzelnen Fall mitentscheiden, damit die elterliche Wahl für oder gegen den Embryo nicht beliebig wird. Höchstes Ziel müsse es aber sein, den verzweifelten Paaren und Müttern zu helfen. Peter Hintze drängt auf gesetzliche Gleichbehandlung mit dem Paragraphen 218 und den heute schon erlaubten Schwangerschaftsabbrüchen.

Hintze: "Wenn wir die Spirale erlauben, die hunderttausendfach, manche sagen sogar millionenfach, dafür sorgt, dass Embryonen sich nicht in die Gebärmutter einnisten können, sondern abgehen. Wenn wir die Pille danach erlauben. Da ist es zulässig, aber wenn Menschen in hoher Not sind, ist es nicht erlaubt, das wäre für mich kein Rechtsstaat, der das verbieten würde."

Doch dem widerspricht der Heidelberger Theologe Wilfried Härle. Denn zwischen dem Paragraphen 218 und der PID gebe es zumindest juristisch fundamentale Unterschiede.

Härle: "Was steht im Gesetz, dass dort, wo der Arzt zu der Erkenntnis kommt, dass zwischen dem Leben des Embryos oder Fötus oder dem Leben oder Gesundheit der Frau ein massiver Konflikt besteht, der nicht anders aufgelöst werden kann als durch Tötung des werdenden Menschen, dass eine Abtreibung nicht rechtswidrig ist. Nur der Konflikt Leben gegen Leben erlaubt es das Schlimmste zu tun, was möglich ist, nämlich ein menschliches Leben zu töten. Die Situation von PID ist völlig anders. Hier besteht keine Spannung, hier besteht kein Konflikt, im Gegenteil."

Härle fordert den unbedingten Schutz des menschlichen Embryos vom Beginn der Befruchtung an, also wenn männliche Samenzelle und weibliches Ei zusammen einen neuen Zellkern bilden, die so genannte Zygote. Peter Hintze hat dafür allerdings kein Verständnis. Ein Zellhaufen in der Petrischale sei zwar menschliches Leben, aber kein Mensch im vollgültigen Sinne.

Hintze: "Wann ist das menschliche Wesen Person vor Gott? In der lateinischen Sprache sprechen wir vom Individuum. Individuum heißt übersetzt unteilbar. Die Zygote in der Glasschale ist aber noch teilbar ... Wenn ein Kind stirbt, dann löst das in uns eine entsetzliche Trauer aus. Ich glaube nicht, das irgendein Mensch dieses Gefühl hat einer Zygote in der Petrischale gegenüber."

Doch die Berliner Ärztin und stellvertretende Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Jeanne Nicklas-Faust widerspricht vehement. Menschliches Leben sei von Anfang an schützenswert. Ab welchem Stadium solle man denn sonst die Grenze ziehen? Sie plädiert für ein Verbot der PID. Denn durch dieses Diagnoseverfahren werde menschliches Leben zu einer Ware, die man bei Bedarf aussortiere könne.

Nicklas-Faust: "In dem Augenblick, wo wir ihn erzeugen, um Selektion durchzuführen, und das ist ja die Grundlage letztlich für Präimplantationsdiagnostik, in dem Augenblick machen wir ihn zum Objekt menschlichen ärztlichen Handelns, dass wir die Würde gefährdet sehen. Das was PID provoziert ist die Unterscheidung zwischen lebenswerten und lebensunwertem Leben."

Jeanne Nicklas-Faust ist selbst Mutter einer von Geburt an schwer behinderten Tochter. Schon heute müsse sie sich manchmal in der Öffentlichkeit dafür rechtfertigen, warum gerade sie als Medizinerin das nicht habe verhindern können. Dabei habe doch auch ihre Tochter ein Recht auf Leben und Würde. Zudem sei die PID eine Untersuchungsmethode und kein Heilverfahren. Vielen Paaren würden falsche Hoffnungen gemacht.

Nicklas-Faust: "Wir wissen aus Versuchen, dass die Schwangerschaftsrate aus PID 30 Prozent ist. Es wird gesagt, dass es 100 bis 200 Paare sind in Deutschland, die die PID in Anspruch nehmen. Nehmen wir jetzt einfach mal 100 Paare, dann bedeutet das, dass 70 auch nach mehreren Versuchen mit PID kein Kind haben werden ...

Die 30 Paare, die ein Kind bekommen haben, von denen haben 10 Frühchen oder Zwillinge und drei weitere haben Kinder mit Behinderungen, zum Teil schwere, die allein auf die künstliche Befruchtung zurückzuführen sind...Was wissen wir bislang an Langzeitfolgen von PID-Kindern? Wir wissen nichts."

Die Argumente für oder gegen die PID sind gewichtig. Es wird wohl nicht nur in den Kirchen weiterhin eine engagierte Debatte darum geführt werden müssen.