Die Informationsplattform IGeL-Monitor

Von Stephanie Kowalewski · 06.08.2012
Inzwischen werden vielen Versicherten von ihrem Arzt eine so genannte "Individuelle Gesundheitsleistung" (IGeL) angeboten. Damit der Patient nicht die Orientierung verliert, hat der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes der Krankenkassen jetzt ein Internetportal entwickelt.
"Wir haben gar keine Möglichkeit, ganz klar zu entscheiden, ist es jetzt wirklich für uns notwendig, hat es wirklich einen Nutzen oder hat es keinen."

Sagt Ralf Kern von der Patientenvereingung Fusion e.V.. Genau darum geht es beim neuen "IGeL-Monitor", den der MDS, also der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes der Krankenkassen, entwickelt hat. Ärztin und Projektleiterin Monika Lelgemann erklärt, was Interessierte im Internet unter www.igel-monitor.de finden:

"Und unser Ziel ist eigentlich, dass wir den Verbrauchern eine Informationsplattform bieten wollen, auf der sie sich schlau machen können, oder: mache ich das jetzt eher oder mache ich das nicht."

Das Internetportal ist bewußt zurückhaltend gestaltet. Es gibt keine grellen Farben, keine blinkenden Pop-Ups, keine Werbung, gerade einmal ein Bild findet sich auf der Startseite. Das einzige, was direkt ins Auge springt ist ein roter Button mit der Aufschrift IGeL - A-Z:

"Und wenn man da draufklickt, dann erscheinen da die einzelnen IGeL-Leistungen alphabetisch aufgelistet. Also hier geht es jetzt los mit Akkupunktur zur Migräneprophylaxe, über Bachblütentherapie oder der Toxoplasmose-Test bei Schwangeren."

Von den schätzungsweise 360 privat zu zahlenden ärztlichen Dienstleistungen hat der MDS 50 identifiziert, die besonders häufig angeboten werden.

"Wir sind gestartet mit insgesamt 24 Leistungen. Wir werden pro Monat jetzt in den nächsten zwei Jahren mindestens eine neue IGeL-Leistung bewerten und die Bewertung einstellen."

Das klingt nach wenig. Geht aber nicht anders, sagt die Projektleiterin, denn das Team besteht gerade einmal aus acht Medizinern und Wissenschaftlern, die nach den Methoden der evidenzbasierten Medizin arbeiten. Das heißt sie durchforsten sämtliche wissenschaftliche Veröffentlichungen zu einer IGeL-Leistung und wägen dann Nutzen und Schaden gegeneinander ab. Der genaue Weg der Recherche und die daraus gezognene Schlüsse sind sehr ausführlich zu jeder untersuchten Leistung auf dem IGeL-Monitor nachzulesen.

Am Ende steht dann eine Bewertung, die auf dem IGeL-Monitor veröffentlicht wird. Wahlweise in einer Kurzform für den eiligen Leser oder einen Klick weiter in einer ausführlichen Version. Außerdem wird die jeweilige Preisspanne genannt und auch eine Alternative aufgezeigt, die die Krankenkasse bezahlt. Die Bewertung erfolgt in fünf Kateogorien:

"Es gibt auf der einen Seite positiv, tendenziell positiv, dann quasi in der Mitte unklar oder ausgeglichen, über tendenziell negativ zu negativ."

Deutlicher wollten die Macher des IGeL-Monitors nicht werden, erklärt die Projektleiterin, weil es immer auch Patienten gibt, die von einzelnen Leistungen profitieren, während sie für andere nutzlos oder sogar schädlich sind. Und, sagt Monika Lelgemann:

"Weil natürlich in den Schaden-Nutzen-Abwägungen auch immer Werturteile mit drin sind, und wir etwas zurückhaltend sein wollten mit unseren eigenen Werturteilen, und lieber die Verbraucher ermutigen wollten, dann durchaus ihr eigenes Werturteil zu treffen."

Inzwischen haben hunderte Verbraucher und auch Ärzte auf der Internetseite die Rubrik "Ihre Meinung" angeklickt und sich per Mail für das neue Internetportal bedankt, sagt Monika Lelgemann. Auch der Patientenbeauftragte des Bundes, Wolfgang Zöllner, begrüßt den IGeL-Monitor ausdrücklich. Doch es gibt auch andere Stimmen. Ralf Kern von der Patientenvereinigung Fusion ist von dem Nutzen für Patienten nicht so ganz überzeugt:

"Positiv finde ich die Information an den Patienten, sich eben nicht erpressen zu lassen, sich Zeit zu nehmen, dass er sich informiert. Das sind ganz wichtige Grundlagen. Aber es sind auch Bereiche dabei, die eben nicht hilfreich sind, die die Menschen verunsichern. Die eigentlich hingehen und den Leuten im Endeffekt sagen, wenn ich das so hart darstellen darf, die Ärzte versuchen mich nur abzuzocken."

Immerhin werden 12 der 26 untersuchten IGeL-Leistungen als "negativ" und "tendenziell negativ" bewertet. Beispiel: Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung - negativ; Toxoplasmose-Test bei Schwangeren zur Früherkennung einer Infektion – negativ; MRT zur Früherkennung von Alzheimer-Demenz sowie Eigenbluttherapie bei Schmerzen in Armen und Beinen - tendenziell negativ. Die Bewertung "positiv" wird kein einziges Mal vergeben.
Das ruft natürlich auch einen Teil der Ärzteschaft auf den Plan, die die Leistungen ja ihren Patienten anbieten. Der Berufsverband der Augenärzte zum Beispiel protestiert, dass die Augeninnendruckmessung zur Glaukom-Früherkennung als "tendenziell negativ" bewertet wird. Das heißt, dass der Schaden der IGeL geringfügig schwerer wiegt als ihr Nutzen. Das ist eine verzerrte Wertung, findet auch Ludger Wollring, niedergelassener Augenarzt in Essen:

"Wir fanden die Formulierung unglücklich. Richtig ist ja, wenn man es wörtlich nimmt, dass Augeninnendruck messen alleine reicht nicht, aber es wurde nicht darauf hingewiesen, dass eine Glaukomvorsorge eben aus zwei Dingen besteht. Und zwar der Messung des Augeninnendrucks und der Beurteilung des Sehnervens, also der Papille."

Und nur in dieser Kombination würden Augenärzte diese IGeL-Leistung anbieten und auch durchführen, betont Ludger Wollring. Wie viele seiner Kollegen, vermutet er, dass die gesetzlichen Krankenkassen, die die neue Internetplattform finanzieren, eigene Interessen verfolgen:

"Da muss man sagen, dass dahinter ja auch immer etwas die politische Tendenz steht zu sagen, alles was wir, die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen, ist das was notwendig ist, und alles, was wir nicht bezahlen, ist auch gar nicht notwendig."

Tatsächlich befürchtet auch Ralf Kern von der Patientenvereinigung Fusion, dass es beim IGeL-Monitor trotz aller Transparenz und Information nicht nur um das Wohl der Patienten geht.

"Wir haben hier die Sicht der GKV und des Medizinischen Dienstes, die natürlich so viel wie möglich sparen wollen. Aber es ist keine Sicht des Patienten dabei. Es ist für mich auf eine Art ein Feigenblatt."

So bliebe leider der fahle Beigeschmack, sagt er, dass eine schlechte Bewertung der IGeL-Leistungen auch eine Rechtfertigung dafür sei, dass die gesetzlichen Kassen die Diagnosemethode oder Therapie nicht bezahlen.

Weiterführende Links:
IGeL-Monitor
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