Illustratorin Rotraut Susanne Berner

Die Welt als Wimmelbild

Porträt der Illustratorin Rotraut Susanne Berner
Die Illustratorin Rotraut Susanne Berner ist durch ihre Wimmelbilder bekannt geworden. © Manu Theobald
Rotraut Susanne Berner im Gespräch mit Ulrike Timm  · 30.06.2016
Ihre detailreichen Suchbücher sind längst legendär. Die beste Werbung hatte Rotraut Susanne Berner einmal wegen eines kleinen "Wimmel-Pimmel"-Skandals. Die Illustratorin wollte in einem ihrer Werke den Mini-Penis einer Mini-Figur für den US-Buchmarkt nicht retouchieren.
Anfangs habe sie an einen Scherz geglaubt, sagt Rotraut Susanne Berner. Schließlich ist die kleine nackte Skulptur, die sie gezeichnet hat, selbst nur 7,5 Millimeter groß – sie hat nachgemessen!
"Ich habe das nicht ernst genommen und als es dann ernst wurde, habe ich gesagt, das kommt ja überhaupt nicht in Frage! Ich wurde dann als Heldin gefeiert, das fand ich auch etwas lächerlich. Es war aber auch insofern nicht mehr lustig, als das wirklich Wellen geschlagen hat und ich war schon sehr erstaunt über die Heftigkeit der Reaktionen. Man war sehr schnell von diesem Thema bei Guantánamo und einem Amerika-Bashing - schon interessant, wie wenig es braucht, um eine solche Empörung auszulösen."

"Eine wahnsinnige Fleißarbeit"

Das Buch verlegte am Ende erfolgreich ein anderer amerikanischer Verlag. In Deutschland sind die detailreichen Suchbücher längst legendär, auch weil Rotraut Susanne Berner ihren Wimmelbüchern eine zeitliche Komponente hinzugefügt, die andere Suchbücher nicht haben: Über ein Jahr hinweg, durch Tag und Nacht entwickeln sich die Geschichten – der Junggeselle, der auf der einen Seite auf der Bananenschale ausrutscht und dabei die Liebe seines Lebens trifft, plant später die Hochzeit mit seiner Liebsten. Die schwangere Frau im Sommer ist im Herbst mit Kinderwagen zu sehen.
Allerdings musste ihr Verleger die heute 67-Jährige überreden, sich überhaupt an die Arbeit an den Suchbüchern zu machen.
"Ich war ehrlich gesagt zu faul. Das ist eine wahnsinnige Fleißarbeit und ich habe wirklich gelitten unter den Büchern. Andere Zeichnungen macht man – wenn die Idee da ist – sehr schnell. Dann ist man glücklich und lehnt sich zurück. Aber an so einem Wimmelbuch sitzt man Wochen."
Die Wimmelbücher sind die bekanntesten Werke der Illustratorin. Sie sind allerdings auch nur eines von vielen Projekten, denen Rotraut Susanne Berner sich in den letzten Jahrzehnten gewidmet hat.

Einsatz für ein bilderfreundlicheres Deutschland

Die Wahl-Münchnerin gibt seit dem Tod ihres Mannes die von ihm ins Leben gerufenen "Tollen Hefte" heraus, sie hat 800 Buchumschläge gestaltet, die "Stiftung Illustration" gegründet und setzt sich dafür ein, dass Deutschland ein bisschen bilderfreundlicher wird.
"Ich bin traurig darüber, dass in den Schulen Bilderlesen kein Fach ist. Gerade weil es so viele Bilder gibt, ist es wichtig, nach der Ästhetik zu fragen, was das Bild mit mir macht und was es mir sagen will. Das wird nirgendwo gelehrt. Das geht so weit, dass auch in den Verlagen die Redakteure und Lektoren wenig Ahnung von Bildern haben. Sie kommen alle von der Sprache und auch die Journalisten, die Bilderbücher besprechen, gönnen den Bildern meist am Schluss der Besprechung nur noch einen kleinen Satz."
Im August wird Rotraut Susanne Berner eine besondere Ehre zuteil: Dann erhält sie den Hans-Christian-Andersen-Preis, der als renommierteste Auszeichnung für Kinderbuchautoren und -illustratoren gilt.
Wieso die Welt ihrer Kindheit versunken ist, warum sie Picasso doch keinen Brief geschrieben hat und weshalb wir uns zu wenig mit Bildern beschäftigen – auch darüber spricht Ulrike Timm mit Rotraut Susanne Berner in der Sendung "Im Gespräch". Hören Sie das gesamte Gespräch als Audio.
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