Die Heimreise eines geistigen Führers

Von Wolfgang Martin Hamdorf · 04.01.2010
Die Dokumentation "Dolpo Tulku - Heimkehr in den Himalaya" erzählt von einem 26-Jährigen, der als spiritueller Führer Dolpo Tulku in seine Heimat, die bitterarme, buddhistische Region Dolpo im Norden Nepals zurückkehrt. Der Film kommt am Donnerstag in die Kinos.
Die karge, kalte Hochgebirgslandschaft ist beeindruckend. Das Dolpo ist eine arme Region im Norden Nepals, an der Grenze zu China. Keine Straßen, kaum Stromanbindungen. Fast zeitlos wirkt die Landschaft, zeitlos, weil die großen zivilisatorischen Errungenschaften von der Plastiktüte bis zum Ipod keine Spuren hinterlassen haben, ohne dass deswegen ein Idyll zurückgeblieben ist. Der Hirtenjunge Sherap Sangpo wurde hier vor 18 Jahren von buddhistischen Mönchen als Wiedergeburt des geistigen Führers der Region erkannt und in ein weit entferntes Kloster in Südindien geschickt. Hier traf ihn Regisseur Martin Hoffmann:

"Also, mich hat vor allem dieser Konflikt interessiert, ein 26-Jähriger, den ich kennengelernt habe an einer Universität wie einen anderen 26-Jährigen auf einem Campus, der mit Laptop und zwei Mobiltelefonen da hantiert und die ganze Zeit am Chatten ist und der mir dann aber erzählt, dass er diese ungeheure Last hat, Verantwortung für eine Region zu übernehmen, die sich eigentlich im Mittelalter befindet und dass da 27.000 Menschen sind, die auf ihn warten. Dieser Konflikt hat mich fasziniert, und ich war sehr glücklich, dass er dann seine Zustimmung gegeben hat, dass wir ihn begleiten dürfen bei seiner Rückkehr, weil, er kommt ja aus dieser Region, hat sie 17 Jahre nicht mehr gesehen."

Martin Hoffmann erzählt von dieser Reise ganz im Duktus des klassischen Expeditionsfilms: Der Zug fährt auf die Kamera zu, dann an ihr vorbei und schließlich bleibt die Kamera zurück. Mit einer Maschine der "Yeti Airlines" fliegen sie dann in die Dolpo-Hochgebirgsregion.

Zu Fuß erkundet Rhinpoche Sherap Sangpo seine Heimat, von Dorf zu Dorf und von Kloster zu Kloster, bis in eine Höhe von fast 6000 Metern. Man spürt die Kälte, den Regen, die Krankheit, die Armut. Die graugrünen Farbtöne der Hochgebirgslandschaft mit zerbrochenen Felsformationen und schlammigen Wiesen kontrastieren immer wieder mit den roten Trachten der Mönche und dem Goldbrokat und tiefen Blau religiöser Feste. Für den Dolpo Tulku war es die Rückkehr in eine gleichzeitig fremde und vertraute Welt, mit Anforderungen von allen Seiten:

Rhinpoche: "Es war am Anfang etwas schwierig; auf der einen Seite hatte das Filmteam gewisse Ansprüche an mich, dann begleitete mich eine große Gruppe von Mönchen und Nonnen, die wollten natürlich auch etwas von mir, und als drittes die Leute des Dolpo, die mich nach vielen Jahren wiedertrafen. Auch sie brauchten meine Zeit und meine Aufmerksamkeit. Und zwischen diesen drei Gruppen zu navigieren und sie alle zufriedenzustellen, war manchmal etwas schwierig. Aber ich habe auch viel Freude gehabt, denn ich wusste, dass diese Rückkehr nach Hause eine ganz besondere Zeit für mich war, und bin froh, dass das alles aufgenommen wurde."

"Dolpo Tulku - Heimkehr in den Himalaya" zeigt kein spirituelles Idyll auf dem Dach der Welt und transzendente Rezepte für den reicheren Rest der Welt. Der junge Mönch, der jetzt als spirituelles Oberhaupt in die Heimat zurückkehrt, hat seine Zweifel und muss sich orientieren: Zwischen Tradition und Moderne, seelsorgerischer Verantwortung und Zukunftsperspektive:

Hoffmann: "Es war in der Tat auch so, dass er gewusst hat, dass die Leute ihn verehren, aber dieses Ausmaß der Verehrung, das hat ihn dann schon überwältigt und das war für ihn dann schon schwer, damit umzugehen, denn eigentlich erwarten die Leute dann schon, dass er sich Tag und Nacht um ihre Probleme kümmert. Dann aber zu vermitteln, dass er das im Winter sehr viel besser machen kann, wenn er im Westen oder in Südostasien in reicheren Gegenden Geld akquiriert und Spenden akquiriert für das Dolpo, dass das sehr viel sinnvoller ist, als wenn er im Kloster hinter zehn Meter dicken Schneemauern sitzt."

Der Film zeigt in 107 Minuten und über 42 Reisetage hinweg eine faszinierende fast völlig vom Rest der Welt abgeschnittene Region. Eine Region mit einer erschreckenden Armut, bei der auf sieben Geburten fünf oder sechs Totgeburten kommen. Er zeigt die Hütten des Buddhismus, nicht seine Paläste, und er lebt von der Offenheit seiner Hauptfigur, deren Selbstironie, mit der der Dolpo Tulku immer wieder die eigene Bedeutung herunterspielt. Keinen Zweifel hat er dagegen an der Mitmenschlichkeit seiner Landsleute, die durch ihren Glauben und ihre Nächstenliebe sich noch im größten Elend gegenseitig beistehen würden. Er hofft, ihre Lebensbedingungen zu verbessern, die medizinische Versorgung, die Wasserleitungen, die Elektrizität; er träumt von einer Modernisierung des Landes, von Krankenhäusern und Schulen und sieht sich als Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Rhinpoche: "Es gab für mich drei Gründe, warum diese Rückkehr mit einem Filmteam für mich wichtig war: Zum Ersten, weil es ein wichtiger Moment in meinem persönlichen Leben war. Zum Zweiten, weil ich in der Funktion des Dolpo Tulku mit den Menschen zusammentraf und zum Dritten hoffe ich auch, durch diesen Film auch Aufmerksamkeit auf die Dolpo Region, für ihre Situation und ihre Probleme zu bekommen."
Zurzeit reist Sherap Sangpo mit dem Dokumentarfilm durch 17 deutsche Städte. Seine Uraufführung erlebte der Film allerdings vor wenigen Wochen auf dem Filmfestival in Nepals Hauptstadt und gewann dort den Publikumspreis:

Hoffmann: "Also, wir waren natürlich sehr stolz darauf, den Film uraufzuführen in dem Land, in dem er entstanden ist, in Nepal, und das ganz Großartige war, dass die Veranstaltung während des Festivals dort vor 600 Leuten auch ausverkauft war und dass etwa 200 Leute, die im Winter in Katmandu sind, aus dem Dolpo, den Film gesehen haben, in ihrer historischen Tracht im Kino saßen. Das hat selbst die Festivaldirektorin total gerührt, und die Leute waren begeistert (...), die haben gelacht an Stellen, wo wir uns gar nicht gedacht haben im Schnitt, dass man da lachen könnte."

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