Die Gleichberechtigung stürmt den Bolzplatz

Von Eduard Hoffmann und Jürgen Nendza · 31.10.2010
Im kommenden Jahr findet die Fußball-WM der Frauen in Deutschland statt. Erst vor 40 Jahren erlaubte der Deutsche Fußball-Bund überhaupt den Damenfußball, wie es damals noch hieß. Vor allem die Angst, die Alleinvertretung zu verlieren, bewegte damals die Funktionäre zu ihrem Zugeständnis an die Gleichberechtigung.
15 Jahre lang hatte der Deutsche Fußball-Bund den Frauen das Fußballspielen verboten, aus "grundsätzlichen Erwägungen und ästhetischen Gründen", wie es im Verbandsbeschluss hieß. Doch am 31. Oktober 1970, auf ihrem Bundestag in Travemünde, beugten sich die DFB-Funktionäre schließlich dem Druck der Fußballerinnen:

"Der im Jahre 1955 gefasste Beschluss, Spiele von Damenfußball-Mannschaften nicht zu gestatten, wird aufgehoben. Der DFB-Vorstand wird beauftragt, die erforderlichen Richtlinien zur Durchführung von Damenfußballspielen aufzustellen und deren Annahme zu empfehlen."

Dabei wurden die DFB-Oberen jedoch weniger von der Einsicht geleitet, dass in einem demokratischen Staat, dessen Verfassung die Gleichberechtigung von Mann und Frau seit 1949 festgeschrieben hat, Frauen selbstverständlich auch Fußball spielen dürfen. Sie hatten viel mehr Angst, die Alleinvertretung in Sachen Fußball zu verlieren. Bärbel Wohlleben:

"Der DFB hatte lange geschlafen und wollte partout nicht über seinen Schatten springen und das offiziell einfach nicht zulassen und als der DFB gemerkt hat, dass sich da Vereine in Deutschland selbstständig machen wollten, wollten einen eigenen Verband gründen, wurden die wach und haben sich gesagt, bevor die in eine andere Richtung tanzen, dann holen wir die doch rüber","

erklärt Bärbel Wohlleben, eine der vielen Fußballpionierinnen, die Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre mit großem Engagement für die offizielle Anerkennung des Frauenfußballs kämpften. Und Dr. Hubert Claessen, 1970 Schatzmeister im DFB-Vorstand, bestätigt:

""Das hatten wir vorher auch im Vorstand so besprochen, wir müssen die Dinge in die Hand nehmen, sonst gibt es da einen Wildwuchs, der unter Umständen sogar dem DFB Konkurrenz macht. Und wir wollen die Dinge einfach in der Hand behalten."

Ende der 60er-Jahre spielten nach Insiderschätzungen bereits 60.000 Mädchen und Frauen überall in der Bundesrepublik Fußball. Trotz des Verbots mit Strafandrohung bei Zuwiderhandlung nahmen auch mehr und mehr DFB-Vereine Fußballerinnen auf, zunächst meist inoffiziell oder heimlich. Der badische SV Daxlanden etwa führte sein Damenteam unter der Abteilung "Alte Herren".

Nach der Verbotsaufhebung setzte ein regelrechter Boom ein. Die Anzahl der kickenden Mädchen und Frauen stieg rasant an. 1972 zählte der DFB schon 111.000 weibliche Mitglieder. Zunächst aber gab es Diskussionen um einen sogenannten Brustpanzer, einen verstärkten BH, den "Mann" den Fußballerinnen zum Schutz verpassen wollte. Außerdem wurde den Frauen ein besonderes Regelwerk auferlegt, unter anderem mit einer verkürzten Spielzeit von zweimal 30 Minuten. Monika Koch-Emsermann, ehemalige Spielerin und Trainerin beim FSV Frankfurt, erinnert sich:

"Wir haben am Anfang mit dem Jugendball spielen müssen, und dann durften wir am Anfang nicht mit Stollenschuhen spielen, das waren eigentlich alles Regeln, die uns mehr behindert als gefördert haben. Ich denke, der DFB hat das 1970 erlaubt und gedacht, das ist eine kurze Stichflamme, die erlöscht dann wieder, und es ist auch nicht sehr viel getan worden, um das Ganze zu fördern, auch nicht in den Vereinen."

Gerne gesehen waren die Frauen im männerbündlerischen DFB nicht. Dabei zogen die kleinen Clubs, die damals das Frauenfußball-Geschehen in der Bundesrepublik bestimmten, reichlich Zuschauer an. Bei attraktiven Begegnungen kamen oftmals weit über Tausend. Wobei anfangs die Neugier vieler Männern nicht nur den sportlichen Leistungen galt. Das hat auch die ehemalige Spielerin Monika Staab erlebt:

"Es ging da eher darum, die großen Brüste zu sehen, wie die dann über den Sportplatz hievten und mehr die Belustigung, können wir mit euch duschen gehen, Trikottausch und all diese Sprüche."

Die Fußballerinnen hatten lange Zeit einen schweren Stand. Noch 1989, als die Europameisterschaft in der Bundesrepublik stattfand und die deutsche Elf überraschend den Titel gewann, war das dem DFB nur ein Tafel- und Kaffeeservice von minderer Qualität als Prämie für die Spielerinnen wert.

Heute, unter seinem Präsidenten Dr. Theo Zwanziger, fördert der Deutsche Fußball-Bund den Mädchen- und Frauenfußball nach Kräften. Die Frauen-Nationalelf als siebenfacher Europameister und zweifacher Weltmeister ist zum Aushängeschild des Verbandes geworden. Doch Behinderungen und Ungleichbehandlung gibt es immer noch. Weiterhin müssen die Kickerinnen um Akzeptanz und Anerkennung kämpfen, auf dem Platz, in Vereinen, Verbänden, und in den Medien.