Die Geschichte des FBI

Von Martin Zähringer · 01.04.2012
Das Federal Bureau of Investigation (FBI), eine Behörde im Kampf gegen Mafia, Drogenhandel und auch gegen lokale Korruption, das ist der Mythos. In Wahrheit aber sei das FBI in erster Linie ein Inlandsgeheimdienst im Dienste des Präsidenten, stellt der amerikanische Journalist Tim Weiner fest.
Das Federal Bureau of Investigation, kurz FBI, kämpft gegen das Verbrechen. So ist die Bundespolizei der USA bei uns und auch bei den Amerikanern bekannt. Eine legendäre Behörde im Kampf gegen Mafia und Drogenhandel, beizeiten auch gegen lokale Korruption, sogar in Polizeikreisen, das ist der Mythos.

In Wahrheit aber sei das FBI in erster Linie ein Inlandsgeheimdienst im Dienste des Präsidenten, stellt der amerikanische Journalist Tim Weiner fest:

""Well I say at the beginning of the book that this is the story of the FBI as a secret intelligence service. This is the side of the FBI that nobody knows. Of course the FBI has a role as a law enforcement service. But its intelligence powers and its intelligence work is much bigger and much broader and much more powerful than its law enforcement work.

And that's true today, in the decade since 9/11 and it has been true for the most of the last century. There are a lot of books about the FBI, they contain a lot of stories, some which are true about the crime fighting roles and like J.E. Hoover liked to wear a dress, that's not true, actually.”"

Die Arbeitsweise als Geheimdienst und dessen Macht bestimmen das Profil des FBI. Das betrifft den Zeitraum nach 9/11 genauso wie das ganze Jahrhundert davor. Es gibt eine Menge Bücher mit interessanten Geschichten über das FBI, von denen einige sogar wahr seien, wie Weiner amüsiert bekundet. Er selbst will die echte und vollständige Geschichte liefern:

""The point of this book is to write a completely documented on a record history of the FBI as an intelligence service, and I am proud to say, that that is the no one ever has done.”"

Das FBI ist in der ersten Hälfte seiner Existenz vor allem ein Mann: J. Edgar Hoover, geboren 1895 in Washington, der im Alter von 22 Jahren mit einem unteren juristischen Grad ins Innenministerium eintrat. Mit knapp 30 Jahren war er Direktor der von ihm selbst geschaffenen Bundespolizeibehörde, und blieb es 48 Jahre lang bis zu seinem Tod im Jahr 1972. Viele Amerikaner kennen Hoover nur noch als Witzfigur im Ballettröckchen aus einem berühmten Cartoon, der allerdings in eine ganz falsche Richtung weist, wie Weiner meint:

""This is the man who created the national security state. And every fingerprint that's on file, every piece of biometric data that's kept, every surveillance camera that looks over your shoulder in every city is a monument to him.”"

Weiner bringt jetzt die Fakten zum Vater des Überwachungsstaates auf den Tisch. Im Jahr 2008 - er hatte gerade sein spektakuläres Buch über den Auslandsgeheimdienst CIA veröffentlicht - gerieten die persönlichen Akten J. Edgar Hoovers in seine Hände.
Tim Weiner: ""It became clear immediately because shortly after the publication of the CIA book I was given a treasure which was 7 000 documents which were the intelligence files of J.E. Hoover. Another reporter had filed a suite under the American Freedom of Information Act Law in 1981.

And 27 years later the suite came to fruish and the FBI said here you are. Well by that point at this time the reporter was so old and tired that he did not want them anymore, and he told his lawyer give them to Tim Weiner.”"

Diese siebentausend Dokumente aus dem persönlichen Besitz des FBI-Direktors hatte bereits im Jahr 1981 ein journalistischer Kollege im Zuge seiner Recherchen entdeckt. Aber als seiner Klage auf Freigabe 27 Jahre später stattgeben wurde und das FBI die Dokumente herausgab, war er zu alt und zu müde für die Sache und überließ die Dokumente dem Geheimdienstexperten Tim Weiner.

Tim Weiner: ""And that was a gift from the gods. Because these were Hoovers own files on American intelligence that he personally kept from 1945 onwards. Thousands of pages with his handwriting on them and to read these files is like looking over his shoulder and listening to him and think out loud as he deals with the secret intelligence issues that face the US from the Cold War through the Vietnam War.”"

Für ihn war es ein Geschenk: Tausende vonseiten mit Hoovers handschriftlichen Kommentaren. Damit konnte Tim Weiner dem Geheimdienstchef praktisch über die Schulter sehen, während dieser die inneren geheimdienstlichen Angelegenheiten Amerikas vom Kalten Krieg bis zum Vietnam Krieg regelte.

Weiner lässt seine Leser großzügig an dieser Lektüre und der Geschichte des FBI teilhaben. Es ist eine dichte, gut lesbare Erzählung in vier Epochen: Die ersten beiden sind primär Hoover-Geschichte. Sie beginnt vor dem Ersten Weltkrieg mit dem Teil "Spione und Saboteure". Das ist die wilde Gründerzeit des FBI, in der Hoovers Kommunistenhass zur Grundlage eines wuchernden illegalen Spitzel- und Abhörsystems wurde.

Hoover war ein fanatischer Bürokrat, der zu rabiaten Methoden griff. So organisierte er im Verein mit den berüchtigten Pinkerton Detectivs und anderen Law-and-Order-Organisationen flächendeckende Razzien im ganzen Land, ohne gesetzliche Grundlage und gegen alles, was links war.

Die zweite Epoche heißt "Weltkrieg". Hoover war zu einer Macht im Staate geworden, und von jetzt an gab es kaum noch einen Präsidenten, der auf seine Dienste verzichten wollte, denn seit 1917 würden die USA nicht mehr im Frieden leben, sich immer wieder in einem anderen Kampf gegen neue Bedrohungen befinden.
Tim Weiner: ""It has been a time of constant struggle - of war, of espionage, of sabotage. We have not been at peace really since 1917.”"

So sei das FBI der Geheimdienst des Präsidenten geworden. Die Männer im Weißen Haus hielten die vom FBI gelieferten Geheimnisse oft für eine Grundlage ihrer Macht und benutzten sie gerne.
Tim Weiner: ""And the FBI is the intelligence arm of the President, that commits silent warfare, war without weapons, except the weapons of espionage, surveillance, wire tapping, bugging, collecting information. Secret information is power, presidents love power. If you were the President of the US you could never have to much of this. Presidents love this, they raffled in it, they wallowed in it, they loved secret tapes.” "

Richard Nixon stürzte über diese Leidenschaft für geheime Bänder, und das FBI war an seinem Sturz maßgeblich beteiligt und auch mitschuldig.

In den Teilen "Kalter Krieg" und "Krieg gegen den Terror" zeigt Tim Weiner, wie die Bundespolizei nicht nur der CIA-Konkurrenz macht, sondern den offiziellen Auslandsgeheimdienst auch kontrolliert:

""It was the FBI - it must be said - that stopped the excesses of President Bushes war on terror. When FBI agents first went down to Guantanmo in 2002 and saw what the CIA and the military were doing to prisoners, they opened up a file called War Crimes. When the FBI saw what the CIA was doing in its secret prisons they blew the whistle ... ” "

FBI-Agenten hatten schon im Jahr 2002 die Operationen der CIA gegen mutmaßliche Mitglieder des Netzwerkes Al Quaida analysiert - von der Gefangennahme, den Verhören bis zu den Haftbedingungen im Lager "Guantanamo" auf Cuba - und eine Untersuchung mit dem Titel "Kriegsverbrechen” eröffnet. Sie waren es, die Alarm schlugen, als sie von rechtswidrigen Methoden in ausländischen Geheimgefängnissen der CIA erfuhren.

Tim Weiner: "" ... and it was the FBI more than any other forces that brought President Bushes war on terror back into the rule of law it had gone far beyond.”"

Tim Weiner hält dem FBI zugute, den amerikanischen "Krieg gegen den Terror" wieder auf den Rechtsweg zurückgebracht zu haben. Weshalb er die Bundespolizei eher als komplementäre Macht im Staat, denn als Bedrohung der Demokratie ansieht. Heute - unter der Präsidentschaft Obamas - agiere sie auch selbst erstmals gesetzestreu.

Aber angesichts ihrer gigantischen personellen und technischen Potenziale stellt sich unverändert die Frage, ob Macht und Einfluss des FBI nicht missbraucht werden. Könnte eine Figur wie J. Edgar Hoover erneut an seine Spitze treten?

Tim Weiner: ""Of course, all you need is a president who doesn't respect the constitution. Every president who sees himself at war - and most presidents in the 20th Century have seen themselves at war - is no great protector of the constitution. And many have been willing to kick the constition into the gutter, if they will protect their power.” "

Jeder Präsident, der sich selbst im Krieg sähe - und die meisten Präsidenten des 20. Jahrhunderts hätten sich im Krieg wiedergefunden - sei kein großer Beschützer der Verfassung, erklärt Tim Weiner. Und viele seien bereit gewesen, die Verfassung in den Schmutz zu treten, wenn es um ihre Macht ging. Es braucht also nur einen Präsidenten, der seine Macht mehr liebt als das Gesetz, um das FBI als mächtigen Geheimdienst mit Polizeibefugnis rechtswidrig einzusetzen.

Tim Weiner: ""So all you need is a president who is more in love with power than with the law.”
"

Tim Weiner: "FBI - Die wahre Geschichte einer legendären Organisation" S. Fischer Verlag, Frankfurt 2012
Cover Tim Weiner: "FBI"
Cover Tim Weiner: "FBI"© S. Fischer Verlag
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