Die Geschichte der Reformation

03.02.2010
Warum um Himmels willen noch ein Buch über die Reformation, ist dazu nicht wirklich schon genug geschrieben worden? Zum Glück stellt Athina Lexutt diese naheliegende Frage selbst – und bemüht sich gleich in der Einleitung um eine ausführliche Antwort.
Die Reformationsjubiläen häufen sich – 500 Jahre Calvin im letzten Jahr, 450. Todestag von Philipp Melanchthon in diesem Jahr, und am Horizont scheint schon die 500. Wiederkehr von Luthers Thesenanschlag (das Datum übrigens, mit dem für Lexutt die Reformation in ihrer öffentlich sichtbaren Gestalt beginnt).

Lexutt hat aber auch fachliche Gründe für ihr Buch: Sie greift die Diskussionen unter Kirchen- und Profanhistorikern über die Eigenständigkeit und Bedeutung der Reformation auf. Denn auch unter deutschen Historikern stehen die Reformation und ihr titanischer Held Martin Luther längst nicht mehr unwidersprochen für den Beginn der Neuzeit. Viele betonen stattdessen die Kontinuität, die bloße Weiterentwicklung reformerischer Ansätze des ausgehenden Mittelalters.

Dagegen betont Athina Lexutt den epochalen Charakter der Reformation. Mit ihr beginne ein Zeitabschnitt, der bei allem Anknüpfen an vorhergehende Traditionen und trotz seiner vielfältigen Ausprägungen doch auf einen zentralen Kern zurückzuführen sei. Dieser Kern nun, und da spricht ganz die engagierte protestantische Kirchenhistorikerin, ist ein theologischer: nämlich Martin Luthers Erkenntnis, dass der sündige und gottlose Mensch allein durch Glauben gerettet wird, aus göttlicher Gnade, nicht durch irgendwelche guten Werke. Auch wenn die reformatorische Bewegung sich schnell in vielfältige Strömungen aufteilt, auch nicht alle diese Strömungen ihre Wurzel in den Geschehnissen um Luther in Wittenberg haben – dieser theologische Kern ist für Lexutt die Klammer, die den auseinanderstrebenden Protestantismus zusammenhält und dem sie in ihrer Darstellung auf die Spur kommen möchte.

So zeichnet Lexutt in einem ersten Durchgang den historischen Ablauf der politischen und kirchenpolitischen Geschehnisse nach. In einem zweiten Schritt stellt sie die Theologie der Epoche vor. Sie schreibt Kurzbiografien zentraler Gestalten und auch der wichtigsten Bekenntnisschriften – schließlich seien auch diese geschichtlich wirksam geworden. Beide Abschnitte bieten einen sehr auf Luther und die Geschehnisse in den deutschen Ländern konzentrierten Blick, auch wenn die Autorin einen stärker europäischen, gar weltgeschichtlichen Horizont ankündigte. Aber vielleicht ist das bei der relativen Kürze der Darstellung fast unvermeidlich. Auf jeden Fall ist der Aufriss schlüssig und konzentriert und orientiert sich immer an der Leitfrage nach der theologischen Besonderheit der Reformation.

Schön und auch für diejenigen anschaulich, die nicht als Fachleute mitten in der Diskussion stecken, ist der Schlussabschnitt: Darin interpretiert Athina Lexutt zentrale Gemälde der reformatorischen Zeit – Theologie und Kirchenpolitik werden in ihnen zum Symbol und durch die Interpretation auch heute noch fassbar. Vor allem dieser letzte Abschnitt könnte gerne länger sein, auch wenn insgesamt das knappe, aber kompakte Format die Darstellung angenehm lesbar macht, ohne oberflächlich zu sein.

Athina Lexutt: Professorin für Kirchengeschichte am Institut für Evangelische Theologie der Justus-Liebig-Universität Gießen, Spezialistin für Reformationsgeschichte und Martin Luther


Besprochen von Kirsten Dietrich

Athina Lexutt:
Die Reformation – Ein Ereignis macht Epoche.
Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2009, 226 S., 22,90 Euro