Die gemeinsame Arbeit der Familie

Von Anna Bilger · 07.02.2012
Christian und Heide Schwochow beschreiben sich als "arbeitsbesessen". Mutter und Sohn verfassen gemeinsam Drehbücher, erst für Christian Schwochows Debüt "Novemberkind", jetzt für den zweiten Spielfilm "Die Unsichtbare".
Christoph Schwochow: "Zwei Menschen in einem Raum, Heide sitzt am Computer, ich lauf' drum herum oder sitz auf der Erde…"

Heide Schwochow: "…und dann kommt die Inspiration und so'n Dampf ins Zimmer und man schreibt, schreibt, schreibt, schreibt."

Heide und Christian Schwochow. Mutter und Sohn.

Christian Schwochow: "…und man diktiert sich gegenseitig, dann gibt es auch mal Ruhe."

Gemeinsam schreiben sie Drehbücher, schon seit 6 Jahren.

Heide Schwochow: "Oder ich spring' auf und sag', jetzt musst du mal, ich kann nicht weiter..."

Christian Schwochow: "Dann geh' ich einkaufen und koch' was zu essen. Um zwei Stunden Luft zu gewinnen, um was Neues auszudenken."

Er ist 33, sie Ende 50. Seine Augen: leuchten blau und durchdringend. Ihre sind braun und von vielen kleinen Fältchen umringt. Was er sagt, kommentiert sie mit einem Lächeln oder hochgezogenen Brauen. Er ist da zurückhaltender. Aber beide haben sie diese sehr ernsthafte, zugewandte Art.

Christian Schwochow: "Was ich manchmal bei ihr schätze - nicht böse sein - dass sie weniger weiß. Dass ihr Filmkonventionen ziemlich egal sind, das ärgert mich sehr oft, weil ich denke: Oh Mutter, dass muss doch jetzt klar sein, aber es kommt dadurch viel häufiger was Geniales."

Heide Schwochow: "Was ich schätze, also ich habe unheimlich großes Vertrauen, die Unsichtbare: ich hätte das niemand anders in die Hand geben mögen, weil ich wusste, dass wir dort eine Vision haben, die wir uns erarbeitet haben. Ich hab ein Urvertrauen in das was er macht."

Christian und Heide Schwochow sitzen im Ballhaus Ost in Berlin-Prenzlauer Berg. Das kleine Off-Theater ist ein Schauplatz ihres neuen Films "Die Unsichtbare". Sie erzählen von der Schauspielstudentin Fine, die für eine Hauptrolle bis an die Grenzen dessen geht, was sie psychisch verkraften kann (Filmausschnitt):

"Tust Du Dir manchmal weh?"
"Ich soll also alles durchmachen, was Camille durchmacht? Ich lasse mich vergewaltigen und ritze mir die Arme auf?"
"Camille geht bis zum Äußersten, die vögelt sich fast zu Tode, die schneidet sich die Arme auf... Ich nenn' das Seelenaufwand betreiben."

Angefangen hat alles eher zufällig. Nach einem Volontariat beim Fernsehen beginnt Christian Schwochow 2002 Regie zu studieren an der Filmakademie in Ludwigsburg:

"Ich hab für früh im Studium gemerkt, dass ich kein Alleineschreiber bin, ich find die Einsamkeit unerträglich. Ich merkte einfach, dass ich viel häufiger mit Heide über Dinge rede, die mich beim Film beschäftigen, weil wir eine ähnliche Sicht auf Dinge haben, einen ähnlichen Geschmack und wenn nicht, können wir drüber diskutieren."

Heide Schwochow hat viele unterschiedliche Dinge gemacht in ihrem Leben: Schauspiel und Regie studiert, für den DDR Hörfunk Kinderhörspiele produziert. Zuletzt hat sie fürs Radiofeature gearbeitet - gemeinsam mit ihrem Mann Rainer, der Theaterwissenschaftler ist. Die Schwochows - eine Autorenfamilie. Über Texte, Theaterstücke und Filme diskutieren sie ständig. Während eines Familienwochenendes in Thüringen entsteht dann die Idee für "Novemberkind". Die Geschichte einer jungen Frau, die von ihrer Mutter als Kind in der DDR zurückgelassen wird (Filmausschnitt):

"Sie fing an zu lesen, über ihr Weggehen aus der DDR, über Abschied, über ihren Schmerz. Plötzlich fragt jemand: 'Warum hast Du Dein Kind im Osten gelassen?'"
"Warum erzählen Sie mir das?"
"Sie hieß Anne - und sie kam aus Ihrem Dorf."


Für Christian und Heide Schwochow ist es auch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Die Familie hat in der DDR, in Ost-Berlin, gelebt. Der Vater Rainer hat bereits einen Fluchtversuch und Gefängnis hinter sich, als er seine Frau Heide kennen lernt. Die DDR ist für beide ein Land, in dem sie kaum atmen können. 1988 stellt die Familie einen Ausreiseantrag.

Heide Schwochow: "Genehmigt wurde der am 9. November 1989, vormittags. Das hatte was Aberwitziges, irgendwie. Dann war abends die Pressekonferenz, ich erinnere mich noch genau, Rainer war in der Küche und ich hab' die gesehen und dann hab' ich gesagt, komm' mal schnell her, ich glaube, jetzt kommt die ganze DDR mit in den Westen."

Christian Schwochow ist damals elf - und diese Zeit prägt ihn bis heute:

"Wir Kinder im Prenzlauer Berg sind ja sehr früh politisiert worden, die Gethsemanekirche, wo hier der Aufbruch stattfand, da bin ich getauft worden oder habe mich mit zehn noch taufen lassen, auch die Montagsandachten, am Anfang waren da 20 Leute, am Ende 5000. Das sind Bilder, die sind viel viel stärker als alles was danach kam."

Die Familie zieht trotz Mauerfall in den Westen, nach Hannover. Heide studiert Journalistik im Aufbaustudium. Christian macht sein Abi und merkt bald, was er werden möchte:

"Ich wollte immer Chef sein, bei den Sachen die ich gemacht hat, hab ne Zeitschrift rausgegeben, ich hab Schulpolitik gemacht - und als der Gedanke an die Filmregie kam, war dann klar, es kann auch nur das sein!"

Der unbedingte Wille, etwas gut zu machen - das verbindet Mutter und Sohn: Eine Szene zum zehnten Mal zu überarbeiten, um sie dann doch in den Papierkorb zu werfen. In Kauf zu nehmen, dass die gemeinsame Arbeit den Rest der Familie auch mal stresst - Christians Frau, seine kleine Tochter und Heides Mann Rainer. Das Schreiben hat eben manchmal etwas Selbstzerstörerisches, sagen beide. Aber anders geht es für sie nicht.

Heide Schwochow: "Christian bringt es fertig, der ruft auch abends um halb elf an. Da bin ich eigentlich schon im Bett und will gar nicht mehr."

Christian Schwochow: "So ein Film lässt Dich nicht los, es gibt immer was zu besprechen, immer!"

Heide Schwochow: "Wir sind arbeitsbesessen."

Christian Schwochow: "Insofern ist es nicht immer leicht, mit uns zusammen zu sein."
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