Die Geldzentrale der Bundesrepublik

Von Martin Hartwig · 01.08.2007
Die Bundesbank ist unter den verschiedenen Institutionen und Behörden der Bundesrepublik ein Nachzügler. Grund dafür waren Streitigkeiten zwischen Föderalisten und Zentralisten. Am 1. August 1957 setzen sich die Zentralisten mit der Errichtung einer mit allen geldpolitischen Kompetenzen ausgestatteten Bundesbank durch.

"Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht.
Damit die Wohltat allen gleich gedeihe,
So stempelten wir gleich die ganze Reihe,
Zehn, Dreißig, Fünfzig, Hundert sind parat.
Ihr denkt euch nicht, wie wohl's dem Volke tat."

"Goethe hat seine Personen von Zauberscheinen und Teufelswerk sprechen lassen. Diese drastischen Bezeichnungen sind für eine Geldinflation auch heute noch gültig. Die von Mephisto erfundene Geldmacherei hat Goethe in wahrhaft klassischer Weise geschildert. Die anfänglichen Annehmlichkeiten einer Inflation werden ebenso plastisch dargestellt wie ihr teuflischer Ursprung und das dicke Ende, das nachkommt."

Der kurze Ausflug in die Weimarer Klassik war die einzige Gefälligkeit, die Karl Blessing den Hörern in seinem Rundfunkvortrag im Februar 1958 erwies, ansonsten verlangte er ihnen volle Aufmerksamkeit für eine ausgesprochen trockene Materie ab. Thema des Vortrags: Aufgaben und Funktion der Deutschen Bundesbank - jener neuen Institution, deren erster Präsident er war:

"Das entscheidende Organ der Deutschen Bundesbank ist der Zentralbankrat, dem der Präsident der Bundesbank, der Vizepräsident, die Mitglieder des Direktoriums und die Landeszentralbankpräsidenten angehören. Im Ganzen besteht dieses Gremium gegenwärtig aus 19 Herren."

Seit dem 1. August 1957 gab es in der Bundesrepublik eine mit allen Vollmachten ausgestattete Zentralbank, die die Noten und Münzen herausgab und über das Geldwesen wachte. In den neun Jahren zuvor hatte diese Funktion die Bank Deutscher Länder ausgeübt - ein von den Westalliierten ins Leben gerufener und als Provisorium gedachter Zusammenschluss der eigenständigen Landeszentralbanken. Dieser föderalistische Aufbau war auf Drängen der Amerikaner entstanden und an deren Federal Reserve Bank orientiert. Dagegen förderten die britischen Besatzungsbehörden eher zentralistische Strukturen, wie sie sie von der Bank of England kannten, was sich in einem starken Direktorium der Bank deutscher Länder niederschlug.

Die auch auf deutscher Seite geführte Auseinandersetzung zwischen Föderalisten und Zentralisten war einer der Gründe, warum es Jahre dauerte, bis ein Bundesbankgesetz verabschiedet wurde. Am Ende hatten sich die Zentralisten weitgehend durchgesetzt und aus den Landeszentralbanken wurden Filialen der Bundesbank. Der zweite große Streitpunkt war die Frage nach dem Verhältnis zwischen Notenbank und Regierung. Vor allem Adenauer wünschte sich hier einen gewissen Einfluss. Auch in diesem Punkt war das Bundesbankgesetz am Ende eindeutig.

Blessing: "Die Mitglieder des Zentralbankrates sind nicht an Weisungen der Regierung gebunden. Sie sind auch nicht von einer politischen Partei abhängig. Sie entscheiden nach Sachkenntnis und sind nur ihrem Gewissen verantwortlich. Dies ist, was man die Unabhängigkeit der Notenbank nennt."

Diese gesetzlich garantierte Unabhängigkeit war eine der Lehren, die die Bonner Politiker aus den währungspolitischen Abenteuern der Vergangenheit zogen. Denn die bisherige Geldgeschichte Deutschlands war ein einziges Desaster. Erst ab 1873 gab es mit der sogenannten Goldmark überhaupt eine einheitliche deutsche Währung, die dann 1914 zusammenbrach; die folgende Papiermark war von Anfang an wenig wert und ging mit in der Inflation 1923 unter. Ihre Nachfolgerin, die Reichsmark, erlebte zunächst eine schwere Deflation und dann eine schleichende Inflation, bis sie 1948 aufhörte, gesetzliches Zahlungsmittel zu sein. Bei der neuen D-Mark sollte alles anders werden.

Blessing: "Ein wohlausgewogenes Staatsbudget, eine gerechte Besteuerung , eine Sozialpolitik, die mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten in Einklang steht, eine Lohnpolitik, die auf die volkswirtschaftliche Produktivität Rücksicht nimmt, eine gute Außenhandelspolitik, ein gesundes Verhältnis zwischen Sparen und Verbrauchen. Alles das sind sehr wichtige Faktoren, die die Währung günstig beeinflussen und sie hart machen."

Dass die D-Mark weich werden und inflationäre Tendenzen aufweisen könnte, war eine der Hauptsorgen - sowohl der Bevölkerung als auch der Politik. Die Erfahrungen des Jahres 1923, als vor allem private Vermögen sich durch Geldentwertung in Luft auflösten, waren vielen Zeitgenossen noch in guter Erinnerung. Geldwertstabilität war deshalb oberste Priorität und das meistgebrauchte Wort in allen währungspolitischen Debatten. Wirtschaftsminister Erhard trug es wie eine Monstranz vor sich her: In seinem Buch "Wohlstand für alle" schrieb er:

"Ich bin nach wie vor willens, jeden einzelnen deutschen Bürger so lange anzusprechen, bis sich jeder schämt, das Bemühen, die Stabilität der Währung sicherzustellen, nicht zu unterstützen. Ebenso wie der Arzt dem mit einer ansteckenden Krankheit behafteten Menschen einen Bazillus als Antitoxin eingibt, will ich mit ständigen Preisgesprächen, mit wiederholten öffentlichen Aufrufen den Ausbruch einer volkswirtschaftlichen Krankheit verhindern."

Die Krankheit brach nicht aus. Die D-Mark blieb über mehr als 50 Jahre eine stabile Währung, der sowohl die Bundesbürger als auch ausländische Investoren vertrauten.