"Die Gefürchteten"

Rezensiert von Kolja Mensing · 29.04.2005
Billy Waite fühlt sich zu alt für Heldentaten. Er ist seit dreißig Jahren Sheriff, und verbringt die letzten Tage vor seiner Pensionierung auf seiner Veranda, mit einer Zigarre in der einen Hand und einem Glas Whiskey in der anderen. Zuerst wollte er die schlechten Nachrichten aus der entlegenen Siedlung Mitcham Beat einfach ignorieren.
Erst als immer neue Gerüchte über die Bande auftauchen, deren Mitglieder angeblich schwarze Kapuzen tragen und die Häuser von Unschuldigen niederbrennen, sattelt der Sheriff schließlich doch noch sein Pferd. Es dauert nicht lange, bis er feststellen muss, dass in Mitcham Beat offenbar jeder weiß, wer hinter den Überfällen steckt - aber niemand darüber sprechen will. Billy Waite steht alleine da.

Clint Eastwood wäre die richtige Besetzung für diesen in die Jahre gekommenen Sheriff, und tatsächlich hatte der Schauspieler zunächst Interesse an den Rechten zu Tom Franklins Romandebüt "Die Gefürchteten" angemeldet.

Filmreif ist die Landschaft Alabamas, die Billy Waite gleich zu Beginn mit seinem Pferd durchquert, auf jeden Fall: weiße Baumwollfelder, verborgene Flusstäler und dunkle Wälder, in denen die Schwarzbrenner ihr Geschäft treiben. Die Farmer leben unter ärmlichen Bedingungen, und schließlich schlägt ihr Hass auf die besser gestellten Bewohner der nächsten großen Stadt in Gewalt um. Bei einer Runde Schwarzgebrannten haben ein paar von ihnen einen Bund geschlossen: "Glaubt ihr, dass diese üblen Schweine aus Grove Hill hier zu uns raus kommen, wenn die wissen, dass hier eine Bande von noch übleren Schweinen auf sie wartet?"

Hier haben wir also einen einsamen Sheriff, den guten, alten Konflikt zwischen "town" und "country", und dann setzt auch noch ein ziemlich übler Revolverheld zu einem ganz persönlichen Rachefeldzug an: Man könnte sagen, dass Tom Franklin mit "Die Gefürchteten" einen klassischen Westernroman geschrieben hat - wenn es so etwas überhaupt gäbe. Bislang galt das Genre, das vom Kino beherrscht wird, nämlich nur als bedingt literaturfähig.

Neben den zahllosen Reihen mit Groschenheften sind "seriöse" Werke eher selten: Michael Ondaatje stilisierte in seinem schmalen Erstling "Die gesammelten Werke von Billy the Kid" (1970) den Revolverhelden zum tragischen Serienmörder, Cormac McCarthy rechnete in seiner "Grenzland"-Trilogie (1992ff.) mit dem Mythos des "Wilden Westen" ab, und Robert Coover beschwor in seinem postmodernen Roman "Die Geisterstadt" (1998) die Gespenster der alten Zeit mit Filmzitaten.

Es wäre falsch, "Die Gefürchteten" einfach in diese kurze Traditionslinie zu stellen. Tom Franklin versucht gar nicht erst den ganz großen literarischen Entwurf, sondern erzählt einfach nur in einem ruhigen und direkten Tonfall die blutige Geschichte einer Räuberbande in Alabama.

Im Gegensatz zu den gängigen Hollywood-Western vermeidet er die scharfen Gegensätze von Gut und Böse, und lässt alle seine Figuren in einer moralischen Grauzone operieren. Als Billy Waite den Männern mit den schwarzen Kapuzen endlich auf der Spur kommt, ist das Spiel von Rache, Schuld und Gerechtigkeit dann schon so weit fortgeschritten, dass es nur noch in einer Katastrophe enden kann. Die Baumwollfelder färben sich rot.

Für Clint Eastwood war das Ende übrigens zuviel. Der Roman sei ihm zu brutal, begründete er seine Entscheidung, die Filmrechte an "Die Gefürchteten" lieber doch nicht zu kaufen. Eine falsche Entscheidung!

Tom Franklin: "Die Gefürchteten".
Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Müller
Heyne, München 2005
416 Seiten
21,90 Euro