Die ganze Sendung

Demokratie muss man lernen, lebenslang

Oskar Negt steht am Dienstag (21.07.2009) in einem weißen Polohemd in Hannover in der Bibliothek seiner Wohnung. Als junger Soziologe und Philosoph avancierte Negt zu einem Wortführer der 68er-Studentenbewegung, 30 Jahre später wurde der Professor und Gründer einer Reformschule in Hannover kulturpolitischer Berater vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD).
Sozialphilosoph Oskar Negt in Hannover in der Bibliothek seiner Wohnung. © picture alliance / dpa / Holger Hollemann
Moderation: Thorsten Jantschek · 03.08.2014
Der Philosoph Oskar Negt spricht im Interview über Aufklärung und Demokratie. Darüber hinaus geht es im Philosophie-Magazin "Sein und Streit" um die EU-Sanktionen gegen Russland und den philosophischen Gehalt der TV-Serie "Mad Men".
In dieser Sendung gratulieren wir dem großen Intellektuellen und Philosophen Oskar Negt zum 80. Geburtstag und tauchen mit ihm im Gespräch ein ins Denken der Demokratie als einer Gesellschaftsform, die gelernt werden muss.
In ihrem Kommentar zu den EU-Sanktionen gegen Russland stellt Gesine Palmer die Frage, ob die EU nicht selbst gegenüber Russland überkommene Herrschafts- und Disziplinarmechanismen anwendet. Und Christian Berndt untersucht die Serie "Mad Men“ auf ihren philosophischen Gehalt.
Außerdem haben wir Kinder gefragt, was sie glücklich macht und dem Schriftsteller, Musiker und Künstler Wolfgang Müller drei wesentliche Fragen gestellt: Was können wir wissen? Was sollen wir tun? Worüber sollten wir streiten?
Die Themen im Einzelnen:
Gespräch mit Oskar Negt:
Ein großes philosophisches Lebenswerk steht heute im Zentrum von Sein und Streit, das eines politischen Denkers, eines waschechten Linken aus der Tradition der Frankfurter Schule. Er hat bei Theodor W. Adorno promoviert, war Assistent von Jürgen Habermas und ist dann eigene Wege gegangen. Wege, die ihn nicht in den philosophischen Elfenbeinturm geführt haben, sondern als streitbaren Intellektuellen in die politische Öffentlichkeit. In die er hineingewirkt hat mit programmatischen Büchern wie "Arbeit und menschliche Würde“, "Öffentlichkeit und Erfahrung“ oder zuletzt "Der politische Mensch“.
Am Freitag ist Oskar Negt 80 Jahre alt geworden. Mit ihm sprechen wir über sein Lebensthema, nämlich: wie der Funke der Aufklärung, der Emanzipation die Glücksmöglichkeiten von Menschen in einer demokratischen Gesellschaft verbessern oder allererst ermöglichen kann.
Außerdem:
- Dass auch Kinder bei der Frage, was sie denn glücklich macht, ins Philosophieren geraten, das zeigt sich in unserer Reihe "Kleine Leute – große Fragen“.
- Seit Monaten wird mit Wladimir Putin verhandelt, telefoniert, es wird gefordert, er möge die pro-russischen, zum Teil ultranationalistischen Scharfmacher in der Ukraine an die Leine nehmen, damit ein Auseinanderbrechen des Staates verhindert wird, damit die Kämpfe in der Ostukraine aufhören. In dieser Woche konnte sich die EU durchringen, Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen. Ein hartes Stück Arbeit, 28 Mitgliedsstaaten unter einen Hut zu bringen.
Politik ist das Bohren dicker Bretter, hatte der Soziologe Max Weber einmal gesagt. Doch ist das wirklich ein Erfolg? Nein, nicht unbedingt, glaubt Gesine Palmer, die im Umgang der EU mit Russland überkommene Herrschafts- und Erziehungsmechanismen am Werk sieht.
- In unserer Reihe zur Philosophie der TV-Serien hat sich Christian Berndt heute "Mad Men“ vorgenommen und sieht in der Geschichte um Angestellte einer Werbeagentur im New York der 60er-Jahre nicht nur eine Inszenierung von Konflikten in aufwändigem, originalgetreu rekonstruiertem Dekor, sondern auch vor allem in der Hauptfigur, dem Kreativdirektor Don Draper ein philosophisches Rollenmuster. Das nämlich eines existenziellen Nihilisten, der als ständig Suchender, immer wieder Strauchelnder, die zentrale Frage nach dem richtigen Leben aufwirft.
- Unsere "Drei Fragen" – Was können wir wissen? Was sollen wir tun? Worüber sollen wir streiten? – beantwortet in dieser Woche der Künstler, Musiker und Schriftsteller Wolfgang Müller, indem erst einmal fragt: Wer sind eigentlich "wir“?