Die fünf besten Filmanfänge

Innen die Zivilisation, draußen die Wildnis

Filmszene aus "Der schwarze Falke" mit John Wayne (l), Beulah Archuletta, Jeffrey Hunter.
Filmszene aus "Der schwarze Falke" mit John Wayne (l), Beulah Archuletta, Jeffrey Hunter. © Imago / United Archives
Von Hartwig Tegeler · 11.02.2017
Wenn uns der Anfang sofort in den Bann zieht, wird uns die Geschichte nicht loslassen, meint unser Filmkritiker Hartwig Tegeler. Er hat sich in der Filmgeschichte umgeschaut. Das Genre spielt dabei keine Rolle. Welche Filme bezaubern den Zuschauer schon in den ersten Sekunden?
Der Beginn, das erste Bild, der erste Dialogsatz, der Anfang, der uns sofort in den Bann schlägt, nie wieder loslassen wird …
"Absolute Ruhe bitte. - Okay, absolute Ruhe bitte…"

Platz 5 - THE PLAYER von Robert Altman (1992)

Robert Altman (1925–2006) bei der Entgegennahme des Ehren-Oscars für sein Lebenswerk 2006
Robert Altman (1925–2006) bei der Entgegennahme des Ehren-Oscars für sein Lebenswerk 2006© dpa / picture alliance / PA West
"Und Action!"
Acht Minuten lang ist die Eingangssequenz von "The Player", einer Hollywood-Satire, die in diesem "etablishing shot" Themen und Personal vor uns ausbreitet. Dass hier kein Schnitt enthalten ist, wirkt ein bisschen gekünstelt, erfährt aber seine ironische Brechung darin, wie Altman an eine andere Eingangssequenz in der Filmgeschichte erinnert. Selbstreflexiv.
"Die Filme heute sehen alle wie MTV aus. Schnitt. Schnitt. Schnitt. Die Anfangssequenz von Orson Welles in 'Im Zeichen des Bösen' war sechseinhalb Minuten lang. - Sechseinhalb Minuten, Walter? - Na ja, eben drei oder vier. Jedenfalls hat er den ganzen Film mit dieser Kamerafahrt eingeleitet."
Den ganzen Film quasi hier schon hier in einem Anfang vorführen.

Platz 4 - THE BIG LEBOWSKI von Joel und Ethan Coen (1998)

Joel Coen (r.) und Ethan Coen (l.) führten bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2015 die Jury an.
Joel Coen (r.) und Ethan Coen (l.) führten bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2015 die Jury an.© picture alliance / dpa / EPA / Sebastien Nogier
"Ganz weit draußen, im Westen, da gab´s mal einen Typen, von dem ich euch erzählen will. Der Typ hieß Jeff Lebowski, zumindest war das der Name, dem ihm seine liebenden Eltern angehängt haben. Mit dem Namen hat er nie viel anfangen können. Dieser Lewbowski hat sich selber immer 'der Dude' genannt."
Und während die Stimme des Cowboys anfängt zu erzählen, treibt der Wind einen dieser Steppenläufer, die immer durch die Western rollen, hinein nach L. A. und daselbst zu dem Typen im Supermarkt. Der "Dude" Lebowski alias Jeff Bridges. Gummilatschen, Boxershort und offener Morgenmantel, während er nach Milch für seinen nächsten White Russian sucht. Schon in der ersten Szene von "The big Lebowski" erahnen wir, dass hier etwas total Schräges auf uns wartet, weil die Hauptfigur, der wir gleich folgen werden, auch nicht die geringste Peilung vor irgendetwas hat.

Platz 3 - FENSTER ZUM HOF von Alfred Hitchcock (1954)

Der britische Filmregisseur Alfred Hitchcock gehörte im Mai 1972 zu den illustren Gästen bei den Filmfestspielen in Cannes.
Der britische Filmregisseur Alfred Hitchcock © dpa / epa AFP
Die Kamera fährt zum treibenden Beat der Musik von Frank Waxman durch den Hinterhof, auf den James Stewart mit Gipsbein immer starrt. Morgen-Impressionen. Da ein Blick zur traurigen Ehefrau, dort einer auf das Hinterteil der Blondine bei Gymnastikübungen, da eine Katze, die von ihrer nächtlichen Jagdtour kommt. Das gesamte Panorama sozialer, psychologischer und emotionaler Großstadtneurosen und -befindlichkeiten in einer Kamerafahrt. Und damit nimmt Hitchcock uns Spanner zusammen mit seinem Spanner James Stewart in konzentrierten drei Minuten an den Haken. Meisterhaft.

Platz 2 - DER PATE von Francis Ford Coppola (1972)

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Der Regisseur Francis Ford Coppola und sein Vater Carmine Coppola freuen sich im Jahr 1975 über vier Oscars für den Film "Der Pate – Teil II". Bei dem Film hat der Kamera-Mann Gordon Willis mitgearbeitet (Bild: picture alliance / UPI)© picture alliance / UPI
"Ich glaube an Amerika."
Wenn im Dunkel des Kinosaals auf der gerade noch schwarzen Leinwand langsam das Gesicht des Bestattungsunternehmers erkennbar wird, der den Mafiaboss um einen Gefallen bitten muss, dann zunächst - im dunklen Zimmer - Marlon Brando als Pate von hinten, Schnitt auf sein Gesicht. Das des Herrschers über Leben und Tod:
"Bonasera, Bonasera, was habe ich denn nur getan, dass du mich so respektlos behandelst. - Wollen Sie mein Freund sein, mein Pate?"
Der Handkuss des Untertanen, gebeugten Hauptes. Ein Bild über die totale Macht. Entsprechend ist die Fallhöhe, von diesem Anfangsbild aus gesehen, die uns Francis Ford Coppola in seinem Opus Magnum in drei Teilen vorführen wird. Ein dunkles Märchen über Amerika, an dessen helle, lichte Variante dieser Bonasera ja so gerne glauben wollte.

Platz 1 - THE SEARCHERS/DER SCHWARZE FALKE von John Ford (1956)

Die Farmersfrau öffnet die Tür des Hauses. Deren schwarzer Rahmen, in ihm die Silhouette der Frau, zeigt die Kamera von innen. Dann begleitet sie die Frau hinaus auf die Veranda, und wir sehen nun die Weite des Monument Valley. Ein Kinobild von Schönheit, Macht und Wucht und Bedeutung: Denn in diesem klassischen Western zeichnet Regisseur John Ford die Psychopathologie des Westerners - gespielt von John Wayne -, der Jahre lange seine von den Komantschen geraubte Nichte suchen wird.
Und schon hier, im ersten Bild, ist die Markierung gesetzt und damit der dramatische Kern dieser Erzählung: innen die Zivilisation, draußen die Wildnis. Abgegrenzt. Und wenn Martin Scorsese sagt, dass dieses Anfangsbild, dass dieses erste Bild schon uns ganz packt, dann dürfen wir im Kino glücklich sein.