"Die Fragestellung ist, wie man das Problem vernünftig lösen kann"

20.05.2011
Nach Ansicht von Michael Hennrich, Bundestagsabgeordneter der CDU und Mitglied der deutsch-griechischen Parlamentariergruppe, haben die Griechen "quer durch alle Parteien" den Ernst der Lage ihres Landes in der Schuldenkrise erfasst.
Jörg Degenhardt: Griechenland hängt seit einem Jahr am Eurotropf: 53 Milliarden sind bisher geflossen, die nächste für Juni geplante Tranche will die Eurogruppe erst freigeben, wenn Athen zusätzliche Spar- und Privatisierungsmaßnahmen auf den Weg bringt. Das dürfte nicht so einfach sein, denn die Widerstände in der Bevölkerung halten an, auch wenn an den letzten Generalstreiks nicht mehr so viele Menschen teilgenommen haben. Michael Hennrich sitzt für die CDU im Deutschen Bundestag, er war unter der Woche mit der Deutsch-Griechischen Parlamentariergruppe in Griechenland. Guten Morgen, Herr Hennrich!

Michael Hennrich: Hallo, guten Morgen, Herr Degenhardt!

Degenhardt: Ihr Eindruck nach den Gesprächen: Haben die Griechen den Ernst der Lage erkannt?

Hennrich: Daran habe ich keinen Zweifel. Wir hatten in diesen zwei Tagen, wo wir in Griechenland unterwegs waren, den Eindruck, dass quer durch alle Parteien der Ernst der Lage erkannt ist. Die Fragestellung als solche ist, wie man das Problem vernünftig lösen kann.

Degenhardt: Wo gibt es denn Ihrer Meinung nach noch Möglichkeiten, mehr zu tun?

Hennrich: Der eine Bereich ist das Soziale, da gibt es einfach noch ein paar Auswüchse, insbesondere im Rentensystem, die dringend korrigiert werden müssen. Zweiter Schwerpunkt sind die Verwaltungsausgaben, in Griechenland gibt es eine Million Beamte, die meines Erachtens dann auch noch an der falschen Stelle eingesetzt werden, also hier muss zum Beispiel auch darauf geachtet werden, dass mehr Beamte herangezogen werden im Bereich Steuerverwaltung, um das Steuersystem insgesamt effizienter zu machen. Und ein dritter wesentlicher Punkt ist der Verteidigungshaushalt, der ein Großteil des Budgets einnimmt, hier ist ja der Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei ein Grund für diese erheblichen Ausgaben. Und ich sage das ganz offen: Das kann ich nicht mehr nachvollziehen, und auch da muss einiges getan werden.

Degenhardt: Wie kommt das eigentlich an, wenn in Deutschland das Klischee vom arbeitsscheuen Griechen strapaziert wird, der auf unsere Kosten seine Frührente genießt?

Hennrich: Das ist momentan meines Erachtens mit eines der Kernprobleme in den Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland. Die Griechen verfolgen sehr aufmerksam die Berichterstattung in Deutschland, was die Arbeitsweise und Arbeitsmoral der Griechen angeht, und da ist das deutsch-griechische Verhältnis momentan sehr belastet, zumindest auch aus griechischer Seite. Wir hatten zum Beispiel ein Gespräch mit dem Parlamentspräsidenten, und da hieß es schon, dass man verwundert wäre darüber, dass gerade aus Deutschland so viel Skepsis gegenüber den Griechen entgegengebracht wird.

Degenhardt: Verstehen denn die Griechen andererseits auch die Sorgen der europäischen Nachbarn, speziell der, die Haushaltsdisziplin üben und halten, dass die vielleicht auch Gegenleistungen erwarten?

Hennrich: Da haben sie durchaus Verständnis, und ich sage auch, ich hatte in den letzten Tagen den Eindruck, dass die Griechen da auch irgendwo an ihrer Ehre gepackt sind, dass sie sagen, na, selbstverständlich wollen wir die Schulden zurückzahlen. Was sie einfach irritiert, zum Teil die Berichterstattung, die öffentliche Meinung in Deutschland, dass man da einfach scheinbar nicht so bereit wäre – so ist es der Eindruck bei den Griechen –, dass man ihnen in dieser Notsituation helfen will.

Degenhardt: Konnten Sie da ein bisschen für Aufklärung sorgen? Denn immerhin: Die Kanzlerin ist ja auch in Ihrer Partei, und die Kanzlerin hat ja die letzten Tage ganz maßgeblich auch ein bisschen Öl ins Feuer gegossen und diese Diskussion ein wenig befeuert.

Hennrich: Wir haben zum einen Aufklärung betrieben, aber zum anderen auch sehr deutlich gemacht, dass wir das auch der deutschen Bevölkerung verkaufen müssen, wenn wir den Griechen helfen und die unterstützen, und das heißt, auch von den Griechen werden Anstrengungen erwartet. Und da haben wir durchaus kontroverse Diskussionen gehabt, auch schwierige, wir haben aber versucht, als Parlamentariergruppe positive Signale auszusenden, aber im Gegenzug erwarten wir natürlich, dass auch von Griechenland ähnlich starke Signale ausgehen, was eben das Thema Haushaltsdisziplin angeht, und dass die Griechen insgesamt bereit sind, die Ärmel hochzukrempeln.

Degenhardt: Nun kann man auf der einen Seite beklagen und einfordern, dass Griechenland, dass Athen, die Regierung dort, dass mehr gespart werden muss. Umgekehrt: Was können Sie, was kann Deutschland beispielsweise auch den Griechen als Perspektive anbieten?

Hennrich: Es muss der Haushalt in Griechenland konsolidiert werden, aber andererseits ist es eben auch wichtig, dass Strukturen aufgebaut werden, dass wir Perspektiven schaffen, was die wirtschaftliche Entwicklung des Landes angeht. Und da geht es darum, Perspektiven ganz konkret zu entwickeln, zum Beispiel im Bereich Landwirtschaft, zum Beispiel im Bereich Tourismus oder auch beim Thema erneuerbare Energien. Und vielleicht muss man auch da die finanziellen Mittel, die wir zur Verfügung stellen, hinsteuern.

Degenhardt: Was meinen Sie mit Tourismus zum Beispiel, was kann da angeboten oder getan werden?

Hennrich: Eines der Themen, die wir in Griechenland behandelt haben, war die Verwunderung der Griechen darüber, dass deutsche Touristen momentan die Türkei gegenüber Griechenland vorziehen, und wir wurden gefragt, was denn die Gründe dafür sein könnten. Und meines Erachtens liegt es zum einen daran, dass natürlich das Kursverhältnis zur Türkei, was die Währung angeht, sich günstiger gestaltet, aber ein zweiter Punkt ist natürlich auch, dass in Griechenland die Saison drei Monate geht im Hochsommer, und dann mehr oder weniger die Saison beendet wird, in der Türkei versucht man, die Touristen das ganze Jahr über an das Land zu binden, entsprechend attraktive Angebote zu machen, die ja auch genutzt werden, zum Beispiel auch von Senioren. Und da gibt es meines Erachtens durchaus noch Entwicklungsmöglichkeiten in Griechenland.

Degenhardt: Wir sprechen jetzt immer von "den Griechen" – muss man nicht fairerweise auch unterscheiden zwischen denen, die es besonders schwer haben und die die Sparmaßnahmen besonders hart trifft eben sozial, und denen, denen es besser geht?

Hennrich: Da muss insbesondere meines Erachtens die griechische Regierung ihre Hausaufgaben machen. Also wir hatten den Eindruck, dass in der Tat von der reinen Bevölkerungsschicht wirklich schwerwiegende Maßnahmen eingefordert wurden, Kürzungen durchgeführt worden sind, und auf der anderen Seite sehen wir, dass Griechenland auch ein Steuersystem hat, das meines Erachtens insbesondere den Besserverdienenden, den Wohlhabenden gewisse Privilegien gewährleistet, die meines Erachtens nicht mehr in die Zeit passen.

Degenhardt: Der CDU-Politiker Michael Hennrich war das, er war unter der Woche mit der Deutsch-Griechischen Parlamentariergruppe in Griechenland. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hennrich!

Hennrich: Ja, vielen Dank, Herr Degenhardt!
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