"Die Frage der Sicherheit ist hochaktuell"

Karl-Georg Wellmann im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 01.12.2010
Die Menschenrechte und die Frage der Sicherheit sind Hauptthemen des OSZE-Gipfeltreffens. Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann sieht den Gipfel als gutes Forum, das sehr viel breiter diskutieren könne als andere Organisationen.
Jan-Christoph Kitzler: Beim letzten Gipfeltreffen, da ist man im Streit auseinandergegangen –das war 1999, doch diesmal wollen sie sich wieder zusammenraufen, die Mitgliedsstaaten der OSZE, der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Rund 40 Staats- und Regierungschefs sind angereist heute und morgen zum Gipfeltreffen in Astana, der Hauptstadt Kasachstans, und das ist schon mal ein Erfolg, vor allem für den Präsidenten des Gastgeberlandes, für Nursultan Nasarbajew, den autokratischen Herrscher Kasachstans. Lange haben die Chefs der OSZE-Mitgliedsstaaten nicht zusammengesessen, und in dieser Zeit ist fast ein wenig in Vergessenheit geraten, wofür diese Organisation eigentlich da ist.

Und in Astana treffen sich nicht nur die Staats- und Regierungschefs der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, sondern auch deren parlamentarische Versammlung mit 320 Mitgliedern aus den jeweiligen Landesparlamenten, und der Deutsche Bundestag wird vertreten unter anderem vom Berliner CDU-Abgeordneten Karl-Georg Wellmann. Guten Tag nach Astana!

Karl-Georg Wellmann: Guten Morgen nach Berlin!

Kitzler: Die OSZE war ja ursprünglich mal dazu da, in den Zeiten des Kalten Krieges ein gemeinsames Forum für Ost und West zu bieten. Warum brauchen wir denn die Organisation heute noch?

Wellmann: Sie haben recht, das ist die alte KSZE, die einen Prozess in Gang gesetzt hat, der letztlich die Einigung Europas und den Zusammenbruch der Sowjetunion bewirkt hat. Wir brauchen sie deshalb, weil in ihr 56 Mitgliedsstaaten sind, von Vancouver bis Wladiwostok, also viel mehr Mitglieder, als zum Beispiel die NATO oder die Europäische Union hat, und deshalb haben wir hier ein Forum, was sehr viel breiter diskutieren kann als die anderen Organisationen.

Kitzler: Nun steht die OSZE ja auch für die Themen Menschenrechte, für Rechtsstaatlichkeit. Ist es da nicht problematisch, dass die Wiederbelebung, die jetzt ja stattfinden muss, ausgerechnet in Kasachstan stattfindet, einem Land, das nicht gerade berühmt ist für freie Wahlen oder für Pressefreiheit?

Wellmann: Ja, das war problematisch. Es ist ja jahrelang diskutiert worden, ob man Kasachstan den Vorsitz gibt. Die Entscheidung ist dann gefallen, es zu tun, und wir beobachten in diesem Jahr, in dem Kasachstan den Vorsitz hat, eine sehr viel größere Transparenz, eine sehr viel stärkere Beobachtung des Landes, und wir haben eben unten die Rede im Saal gehabt des Staatspräsidenten Kasachstans, der sich zu Menschenrechten und Demokratie bekannt hat. Und bei dem Wort werden wir ihn nehmen.

Kitzler: Oder ist es am Ende nicht vielleicht doch so, dass Wirtschaftsinteressen Menschenrechte stechen? Immerhin ist Kasachstan ja ein wichtiger Energielieferant, nicht nur für Deutschland.

Wellmann: Das ist immer so, aber wir sagen diesen Ländern, auch Weißrussland, auch Russland, auch anderen, wo wir uns Sorgen um den Zustand der Gesellschaft und der Menschenrechte machen, dass die Entwicklung und die Modernisierung der Gesellschaften, auch die demokratische Modernisierung, notwendig ist, um Wirtschaftsinteressen wahrzunehmen. Nur dann, wenn sie sich modernisieren, werden sie moderne Volkswirtschaften schaffen, so wie wir es haben oder die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union es haben.

Kitzler: Elf Jahre lang gab es keine Gipfeltreffen, und wenn morgen dann die Schlussdokumente dieses Gipfels verabschiedet werden, haben Sie da die Hoffnung, dass das der OSZE neues Leben einhaucht?

Wellmann: Die Hoffnung haben alle hier. Die Gespräche, die wir geführt haben heute Vormittag zeigen das. Sie müssen wissen, hier wird seit Tagen und Nächten verhandelt über dieses Schlussdokument, und der Entwurf, der uns jetzt vorliegt, der ist doch ganz hoffnungsvoll. Alle bekennen sich zu den Grundsätzen der OSZE, zu mehr Menschenrechten, zu mehr Konfliktprävention – das ist ja ganz wichtig –, und ein starkes Anliegen der Kanzlerin, das sie gestern noch mal betont hat uns gegenüber, ist eben auch die Lösung der regionalen Konflikte zum Beispiel in Moldawien und Transnistrien bei uns, zum Beispiel im Kaukasus, in Bergkarabach und in Georgien, und das wird hier auch angesprochen werden. Es wird nicht so sein, dass das zu vollständigen Lösungen kommt, aber es wird Aufträge geben dieser Versammlung, die sehr beeindruckend ist. Ich bin eben rausgegangen aus dem Saal, nachdem Präsident Medwedew gesprochen hat, Hillary Clinton ist hier, die Bundeskanzlerin und viele andere Staats- und Regierungschefs.

Kitzler: Das heißt, wir werden auch mehr von der OSZE in Zukunft wahrnehmen als Wahlbeobachtermission in Ihren Augen?

Wellmann: Ja. Die nächste ist am 19. Dezember in Weißrussland, und ich kann nur sagen, an all den Wahlbeobachtermissionen, an denen ich selbst teilgenommen habe, dass das Transparenz erzeugt, und die Staaten, in denen Menschenrechte noch nicht die Geltung haben wie bei uns, doch mehr unter Beobachtung stehen und sich mehr Mühe geben müssen in der Entwicklung und Modernisierung ihrer Gesellschaften.

Kitzler: Es war ja auch ein Vorwurf aus den osteuropäischen Ländern, dass die OSZE vor allem dazu dient, eine Art Trojanisches Pferd zu sein, um östliche Staaten an den Westen anzubinden. Ist das Problem aus der Welt geräumt?

Wellmann: Na ja, ohne das geht es nicht. Die menschliche Dimension, die Menschenrechte, ist ein wesentlicher Teil der Arbeit der OSZE, aber vor allem auch die Frage der Sicherheit ist hochaktuell, das hat Medwedew eben auch noch mal gesagt, mehr Vertrauen, Abrüstung, Kampf gegen Terror, Kampf gegen Drogenhandel – all das ist auch Bestandteil der OSZE-Arbeit, und das ist gleichberechtigt und muss in unserem Interesse gemeinsam angegangen werden.

Kitzler: Was sind denn die dringendsten Reformen, die jetzt anstehen?

Wellmann: Organisatorische Reformen. Der Apparat der OSZE muss verschlankt werden, muss effektiver gemacht werden. Dazu haben sich alle bekannt, eben zuletzt Dimitri Medwedew, und die Arbeit steht jetzt vor uns. Die nächste Präsidentschaft ab Januar haben die Litauer, und auf die kommt einige Arbeit zu, aber ich bin hoffnungsfroh, weil eben alle, die hier sitzen, erklären, sie wollen das, und ich denke, wo ein Wille ist, wird auch ein Weg sein.

Kitzler: So sieht’s Karl-Georg Wellmann, der CDU-Bundestagsabgeordnete ist Delegierter in der parlamentarischen Versammlung der OSZE. Vielen Dank und eine erfolgreiche Gipfelkonferenz in Astana!

Wellmann: Danke Ihnen, auf Wiederhören!
Karl-Georg Wellmann (CDU), Mitglied des Auswärtigen Ausschusses
Karl-Georg Wellmann (CDU), stellvertretender Leiter der Deutschen Delegation für die Parlamentarische Versammlung der OSZE© Deutscher Bundestag
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