Die fatale Symbiose von Presse und Politik

Von Rainer Burchardt, Deutschlandfunk · 23.07.2011
Rupert Murdoch, das wurde in dieser Woche in brutaler Deutlichkeit klar, ist für die britische Demokratie der Guy Fawkes des 20. Jahrhunderts. Mehr noch als jener Desperado, der das Parlament an der Themse in die Luft jagen wollte, hat der australische Medientycoon es offenbar mit seinem Zeitungs- und TV-Konzern geschafft, Sprengstoff an das demokratisch-parlamentarische System in Großbritannien zu legen. Die Symbiose zwischen Politik und Medien hat sich endgültig als ein "duo infernale" für die Demokratie entpuppt.
Und das letztlich Erschreckende dabei ist, dass offenbar gerade die Hauptakteure in diesem Drama die totale Kontrolle verloren haben. Die Farce der öffentlichen Anhörung von Murdoch und seinen Spießgesellen vor einem Unterhaus-Ausschuss enthüllte allenfalls schemenhaft das Räderwerk eines Gebens und Nehmens, bei dem sich die Medienmacht nicht nur ohne, sondern geradezu gegen jegliche demokratische Legitimation als "vierte Gewalt" gerierte. Und dies in einer bis dato nicht gekannten Dreistigkeit.

Da wurden Politiker geschmiert, Polizisten bestochen, Tausende von Privattelefonaten abgehört, damit vor allem die Schmuddelblätter des Murdoch-Konzerns jahrelang und meistens exklusiv ihre menschenverachtenden sogenannten Enthüllungsstorys veröffentlichen konnten. Und das besonders Verwerfliche daran war, dass gewissermaßen als willfährige Hofschranzen Politiker der höchsten Kategorie sich an diesen faktischen Attacken auf die Demokratie beteiligten, ja mit ihrer Verbundenheit zu dieser kriminellen Vereinigung vieles erst möglich machten.

Da kann sich Murdoch bis heute damit brüsten, seit Jahrzehnten durch die Hintertür von Downing Street 10, dem Sitz des britischen Premiers, jederzeit heimlichen Zugang zum Regierungschef gehabt zu haben. Seit Margret Thatcher war der Australier stets ein gern gesehener Gast in der Regierungszentrale, ja es ist nicht übertrieben, rückwirkend zu behaupten, dass Murdoch der ausschlaggebende Faktor war, wenn es darum ging, wer in London regierte. Bei den konservativen Tories ebenso wie bei Labour.

Es war ihm offenbar völlig egal, wer unter ihm Regierungschef war. Das System aus Korruption, menschenverachtenden Recherchemethoden und Unterfütterung von Salonlobbyismus funktionierte so prächtig, dass Murdoch nicht nur mit seinen reißerischen Tabloids a la "News of the World", gegen die "Bild" so bieder wirkt wie die Apothekerzeitung, das öffentliche Leben in England Tag für Tag aufmischte. Da war es dann nur noch eine Frage der Zeit, bis selbst die altehrwürdige "Times" in die besitzergreifenden Krallen des Medienmilliardärs fiel. Es ist geradezu ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet das einst weltweit anerkannte Flaggschiff für seriösen Journalismus bei Murdoch firmiert. Dass das Revolverblatt "Sun" der Gewinnbringer für den Konzern war, versteht sich von allein.

Für Murdoch waren die mehr als fragwürdigen Methoden seiner führenden Mitarbeiter, die intensivste Kontakte zur britischen Politik hielten, das Schmiermittel seines Antriebs für Anerkennung auf dem gesellschaftlichen Parkett im Vereinigten Königreich. Und wenn es letztlich doch bei einer Mischung aus Achtung und Verachtung für den Australier blieb, so mag es ihm allerhöchste Genugtuung gewesen sein, die Leitlinien der britischen Scheindemokratie maßgeblich mitzubestimmen. So konnten es sich seine Blätter von Zeit zu Zeit sogar leisten, entgegen den erzkonservativen Einstellungen der Konzernführung eine Wahlempfehlung zugunsten von Labour zu geben. Murdoch soll sich in kleiner Runde gar mit der wahrscheinlichen zutreffenden Behauptung gebrüstet haben, ohne ihn hätte es weder einen Tony Blair in Downing Street noch das politische Programm "New Labour" gegeben.

Da muss es doch für Murdoch ein weiterer gelungener Coup seines Geschäftsmodells gewesen sein, als der jetzige Premier David Cameron auf dem Weg zur Macht ausgerechnet den Hauptdrahtzieher der kriminellen Recherchemethoden Andy Coulson zu seinem Mediendirektor und schließlich zum Regierungssprecher machte. Dass Cameron selbst Warnungen gut meinender Freunde vor dem Radau-Chefredakteur in den Wind schlug, sagt genug aus über das stille Einvernehmen von Presse und Politik.

Inzwischen gibt es erste Opfer dieser Machenschaften mit Rücktritten, Entlassungen, ja sogar dem Tod des Hauptinformanten. Ob der jetzige Regierungschef Cameron die Affäre politisch überlebt, ist noch ungeklärt. Klar aber ist, diese fatale Symbiose von Presse und Politik hat die Axt an das parlamentarisch-demokratische System gelegt. Ein Lehrstück auch für andere Länder. Das ist, wenn man so will, der einzig positive Aspekt in dieser unsäglichen Affäre.
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