"Die EZB wird jetzt zur 'Bad Bank' aller Schrottpapiere in Europa"

Frank Schäffler im Gespräch mit Ute Welty · 07.09.2012
Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Aufkauf von Staatsanleihen verstoße gegen europäisches Recht, sagt der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler. Er verlangt von der deutschen Politik eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
Ute Welty: Die "Ortszeit" am Freitagmorgen und um 06:49 Uhr mit einem Lehrstück in Sachen Diplomatie.

O-Ton Angela Merkel: Ich sage, dass die Europäische Zentralbank in Unabhängigkeit und im Rahmen ihres Mandates agiert und dass sie für die Stabilität des Geldes, für die Geldwertstabilität zuständig ist und in diesem Rahmen auch ihre Maßnahmen einleitet.

Welty: Die Bundeskanzlerin äußert sich also verhalten nach der Entscheidung der Europäischen Zentralbank, Staatsanleihen von Krisenländern aufzukaufen. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt allerdings warnt, die EZB dürfe nicht zur Inflationsbank werden, sie müsse Stabilitätsbank bleiben.

Und die FDP bezog auf der Klausurtagung in Mainz eindeutig Stellung mit ihrer Garantieerklärung für den Frieden, die Europäische Zentralbank sei nur der Geldwertstabilität verpflichtet. Mit seiner Partei einer Meinung ist Frank Schäffler, für die FDP eben Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages. Guten Morgen, Herr Schäffler!

Frank Schäffler: Guten Morgen!

Welty: Wenn Sie schon der eigenen Partei nicht auf die Füße treten, wie peinlich ist es Ihnen, mit dem CSU-Generalsekretär einer Meinung zu sein?

Schäffler: Ach, das ist mir eigentlich egal. Mir geht es hier um die Sache. Das, was da gestern passiert ist, hat historische Dimension, das hat es in dieser Form noch nicht gegeben. Die EZB wird jetzt zur Bad Bank aller Schrottpapiere in Europa, und das ist ein historischer Beschluss.

Welty: Aber als Kenner der Situation haben Sie doch nicht wirklich anderes erwartet? Denn es gab doch nicht tatsächlich eine andere Möglichkeit als sich für dieses Ankaufprogramm zu entscheiden - nach dem, was EZB-Präsident Mario Draghi schon angekündigt und angedeutet hatte?

Schäffler: Es gibt immer andere Möglichkeiten. Diese Alternativlosigkeit der Politik, das habe ich immer abgelehnt, es gibt immer eine andere Möglichkeit. Klar ist: Wenn es keinen Widerstand gibt von Deutschland gegen die Politik der EZB, dann machen die das natürlich immer weiter. Und dann erleben wir jetzt die ersten Anfänge einer Inflationsgemeinschaft. Denn das ist die bittere Konsequenz dieser Politik.

Welty: Aber es gab doch Widerstand, unter anderem vom Bundesbankpräsidenten. Und der ist ja meines Wissens Deutscher?
Schäffler: Ja, natürlich. Aber er muss natürlich unterstützt werden. Wenn jetzt europäisches Recht gebrochen wird, indem die Notenbank für Staatsfinanzierungen missbraucht wird, dann muss Deutschland dagegen vorgehen, dann muss Deutschland dagegen klagen vor dem Europäischen Gerichtshof. Und das ist meine Erwartung an die Politik jetzt.

Welty: Welche Alternative hätten Sie in dieser Situation vorgezogen?

Schäffler: In dieser Situation gibt es nur eine Alternative, und das ist, dass man das Recht in Europa durchsetzt. Dass die Länder, die Risiken eingegangen sind, jetzt auch für ihr Risiko geradestehen müssen und eben nicht, sage ich mal, Sparer dafür in Haftung nehmen, ja, in eine Verantwortung nehmen. Das ist falsch verstandene Solidarität.

Welty: Aber wie soll das denn aussehen im Falle von Griechenland und im Falle von Spanien, für die selbst verschuldete Situation geradezustehen? Dort wird doch schon alles Menschenmögliche versucht?

Schäffler: Nein, da passiert das, was in der Finanzkrise immer passiert: Dass wir diejenigen aus der Haftung entlassen, die Risiken eingegangen sind, die Investoren, die Banken. Die versuchen jetzt quasi, ihre Papiere loszuwerden zulasten des Steuerzahlers. Und das sehen wir fortgesetzt.

Wenn jemand eine Verschuldung eingegangen ist mit einer Bank oder mit einem Investor, dann ... und er kann sie nicht mehr bedienen, dann muss er sich mit diesem Investor verständigen darauf, wie viel er zurückzahlen kann. Aber es kann ja nicht sein, dass Banken Risiken eingehen und die Gewinne einstreichen, aber die Verluste quasi auf den Steuerzahler übertragen werden. Das ist in einer Marktwirtschaft nicht möglich. Die Folge dieser Politik ist, dass die Banken immer größer werden, dass Sie Zombiebanken am Ende haben, die, na ja, die immer weiter machen.

Welty: Und wie wollen Sie die Banken zwingen?

Schäffler: Banken und Staaten müssen insolvent gehen können. Wir lassen es nicht mehr zu, dass Banken pleite gehen. Und wenn wir das nicht mehr zulassen, dann, ja, dann verhalten sie sich entsprechend. Dann werden sie immer größer, immer systemrelevanter. Und am Ende erpressen sie den Staat noch mehr.

Welty: Sie wie viele andere Kritiker sprechen jetzt von einer großen Gefahr der Inflation, die der EZB aber begegnen will, indem das Geld auf der anderen Seite abgeschöpft wird. Warum sollte das nicht gelingen?

Schäffler: Ja, wenn die EZB erst mal dieses ganze Geld wieder abzieht, dann hat das Auswirkung natürlich auf die Konjunktur, denn dieses Geld facht ja aktuell die Konjunktur an. Und wenn sie es, wie gesagt, abzieht, dann hat das unmittelbar Folge auf die Konjunktur, und das kann sie dann wiederum nicht zulassen. Und zweitens verschlechtert sie eben die Qualität der Währung dadurch, dass sie Sicherheiten entgegennimmt, die nur noch Schrottqualität haben.

Ich habe vor einigen Jahren gesagt: Wenn die EZB so weitermacht, dann kauft sie auch bald alte Fahrräder auf und gibt dafür neues Geld raus. Jetzt kauft sie neue Fahrräder oder alte Fahrräder auf und gibt dafür frisches Geld raus. Das heißt, wenn das Vertrauen in die Währung unterminiert wird, weil schlechte Qualitäten akzeptiert werden, dann ist Inflation unweigerlich die Folge. Und das werden wir leider auch erleben.

Welty: Aber die gekauften Fahrräder sind höchstens drei Jahre alt, sprich: Die aufgekauften Anleihen werden auf ein bis drei Jahre begrenzt sein. Spielt der Zeitfaktor für Sie keine Rolle?

Schäffler: Nein, nein, nicht das. Sondern Banken müssen Sicherheiten bei der EZB hinterlegen, um neues Geld zu bekommen. Und für Länder, die unter dem Rettungsschirm sind, werden inzwischen – und das ist Teil des gestrigen Beschlusses – alle Sicherheiten akzeptiert, egal, welche Qualität diese Papiere haben. Und das ist der fatale Beschluss. Das heißt, die Sicherheiten und dann die Qualität des Geldes, das nimmt ab. Und das ist die Folge dieser gestrigen Beschlüsse.

Welty: Wo sehen Sie die Euro-Zone in einem Jahr, wenn die Situation so dramatisch ist, wie Sie sie beschreiben?

Schäffler: Ja, wir werden eine weitere Hierarchisierung des Euros erleben. Wir haben seit zweieinhalb Jahren oder fast drei Jahren jetzt eine Veränderung der Säulen des Euros erlebt. Das war früher ein Euro, der nach deutschen Prinzipien gearbeitet hat, nach deutschen Stabilitätskriterien gearbeitet hat, und die sind alle weggewischt. Es gibt diese Prinzipien nicht mehr, und die Folge ist, wie gesagt, dass wir in einen sich inflationierenden Euro sukzessive hineinkommen.

Welty: Der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler im "Ortszeit"-Interview. Ich danke und wünsche eine gute Restwoche!

Schäffler: Danke!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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