"Die Europäer sind zu laut"

Moderation: Hanns Ostermann · 04.08.2005
Nach der Ankündigung des Irans, mit der Urananreicherung zu beginnen, stößt die Verhandlungsführung der Europäer im Atomkonflikt mit dem Land auf Kritik. In den Verhandlungen seien die Europäer zu laut, warnte Joachim Hörster (CDU), der Vorsitzende der deutsch-arabischen Parlamentariergruppe im Bundestag.
Ostermann: In Deutschlandradio Kultur begrüße ich Joachim Hörster von der CDU, er ist Vorsitzender der deutsch-arabischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Guten Morgen.

Hörster: Guten Morgen.

Ostermann: Ursprünglich setzte Teheran den Europäern eine Frist bis zum vergangenen Montag, dann wurde das Ultimatum verlängert. Welche Strategie verfolgt das Land?

Hörster: Ganz eindeutig die, auf dem nuklearen Sektor unabhängig zu werden und einen geschlossen Nuklearbrennstoffkreislauf zu erreichen. Das ist das Ziel, das liegt ganz klar auf der Hand. Die Meinungsverschiedenheiten gehen darüber, dass der Iran behauptet, dass er es nur für zivile Zwecke mache, während natürlich der geschlossene Nuklearkreislauf bedeutet, dass der Iran auch in der Lage ist, angereichertes Uran herzustellen und damit die Voraussetzungen für den Bau einer Atombombe zu schaffen. So sind die Dinge miteinander verlinkt und man glaubt dem Iran nicht, dass er sich darauf beschränken wird, die Urananreicherung für zivile Zwecke zu nutzen, sondern dass er am Schluss doch Atomwaffe bauen wird.

Ostermann: Welche Rolle spielt bei dem Konflikt der neue Staatschef Mahmud Ahmadinedschad, ein Mann, dem der Ruf eines Hardliners vorauseilt?

Hörster: Ich glaube nicht, dass es hier einen Unterscheid gibt zwischen dem bisherigen Präsidenten und dem neuen, insbesondere auch deswegen weil ja die Verschärfung des Konfliktes zu einem Zeitpunkt stattfindet, wo der neue gerade ins Amt gebracht werden soll, man wartet diesen Wechsel also überhaupt nicht ab. Ich glaube, dass auch innerhalb des Irans die Meinungen sehr geschlossen sind, was dieses Thema anbetrifft.

Ostermann: Warum tun sich die Europäer eigentlich so schwer, den Iranern ein entsprechendes Verhandlungsangebot zu machen, wo liegen da aus Ihrer Sicht die Probleme?

Hörster: Mir ist das im Augenblick nicht ganz klar und zwar schlicht und einfach deswegen, weil die Europäer nach meinem Dafürhalten etwas zu laut sind in der Argumentation. Wenn ich etwas erreichen will von einem Land, von dem ich weiß, dass es notfalls auf die internationalen Beziehungen wenig Rücksicht nimmt, dann muss ich das sehr diskret machen, das heißt nicht, dass kein Nachdruck dahinter ist oder dass es mit aller Konsequenz betrieben wird, aber je lauter das Geklingel ist, umso schwieriger ist es unter Prestigegesichtspunkten dann von Positionen herunterzukommen, die man öffentlich eingenommen hat. Das gilt auch für den Iran und ich halte es für wenig glücklich, wenn unser Außenminister formuliert, eine Atommacht Iran wäre ein Albtraum. Das ist zwar in der Sache richtig, aber man muss es nicht laut sagen. Man muss es im Hinterkopf haben, dass es das wäre und muss mit dem Iran versuchen, so zu verhandeln, dass er den Eindruck hat auf gleicher Augenhöhe behandelt zu werden, und dann sollten die Europäer größten Wert darauf legen, dass ihnen nicht der vordergründige Vorwurf gemacht werden kann, sie würden die Verhandlungen verschleppen. In einer so schwierigen Frage muss man sehr konsequent und intensiv am Ball bleiben. Erfreulich ist allerdings, das will ich dann auch dazusagen, dass die Europäer dieses Mal erstens versuchen gemeinsam zu handeln, was bisher auch tatsächlich praktiziert worden ist und das zweite ist, dass sie versuchen, gemeinsam mit den USA, also wieder im atlantischen Bündnis, vorzugehen, was ja im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg weitestgehend verloren gegangen ist. Das lässt hoffen, dass man letztendlich doch zu einer vernünftigen Lösung kommt, spätestens aber bei den Vereinten Nationen dann den Sachverhalt diskutieret, wenn der Iran nicht einlenkt.

Ostermann: Nun soll der amerikanische Geheimdienst zu dem Ergebnis gekommen sein, der Iran brauche zehn statt fünf Jahre, bis die Bombe gebaut sei. Das könnte doch die Chance bieten, noch intensiver nach politischen Lösungen zu suchen oder plädieren Sie für eine härtere Gangart?

Hörster: Ich plädiere nur für eine Gangart, die man auch in der Lage ist, durchzusetzen. Ich halte nichts davon, Drohungen in die Welt zu setzen, die man am Schluss nicht realisieren kann, weil die internationale Lage und auch geostrategisch die Verhältnisse nicht sehr günstig sind - sehen sich einmal die Lage des Iran an: da ist auf der einen Seite der Irak, auf der anderen Seite Afghanistan, darunter Pakistan. Das ist nicht unbedingt eine Gegend, von der man sagen kann, dass sie ein Hort der Stabilität sei. Mit den Drohungen wäre ich ganz vorsichtig. Ich bin eher der Auffassung, dass man mit dem Iran vernünftig darüber reden muss. Was sind seine ernsthaften Interessen, die man zu respektieren hat, dem Iran erklären muss, dass jede weitere Atomwaffe in diesem Raum ein gefährliches Instrument wäre und dass er sich voll den Kontrollen der IAEA beziehungsweise der IAEO zu unterwerfen hat. Wenn das alles erfüllt wird, kann der Iran sein friedliches, ziviles Nuklearprogramm machen. Das ist der entscheidende Punkt. Er muss sich den internationalen Kontrollen unterwerfen, dann geht das. Und da andere Länder sich auch diesen Kontrollen unterworfen haben, zum Beispiel auch die Bundesrepublik Deutschland, müsste man es dem Iran ja nahe bringen können, dass es keine abträgliche und Sonderbehandlung ist, wenn man von ihm das Gleiche fordert. Das ist die Situation.

Ostermann: Haben wir es nach Ihrer Einschätzung fünf oder zwei vor zwölf, um ein Bild zu gebrauchen?

Hörster: Nach meinem Dafürhalten ist es nicht fünf vor zwölf. Ich habe eben schon gesagt, man soll die Sache nicht so dramatisieren, schon gar nicht öffentlich und wenn mit unterschiedlichen Fakten gearbeitet wird, die einen sagen fünf, die anderen zehn Jahre dauert es bis der Iran Uran anreichern kann, dann ist das auch nicht besonders hilfreich. Man muss auf der Basis der internationalen Abkommen verhandeln, des Atomwaffensperrvertrages, der Kontrolleinrichtungen, die international vereinbart sind. Das muss der Maßstab sein, weil sich alle dem zu unterwerfen haben und das kann man dann auch dem Iran zumuten ohne dass man ihn öffentlich auf die Anklagebank setzt, denn ich glaube, das ist das, was am wenigsten hilft.