Die erste Professorin Europas

Von Ulrike Rückert · 29.10.2011
Frauenförderung als Standortvorteil für eine Universität – was heute immer noch Seltenheitswert hat, das gab es in Bologna schon im frühen 18. Jahrhundert. Die "Professoressa" Laura Bassi erregte als erste Frau auf einem Lehrstuhl Aufsehen in ganz Europa.
Apropos Gedichte, man hätte gerne eines über eine gewisse Signora Laura Bassi, ein junges Mädchen, das sich als ein Wunder in Philosophie erwiesen hat. Donnerstag nach Ostern wird sie eine öffentliche Disputation halten und einige Tage später den Doktor bekommen und ein Katheder in der Universität; ebenso ist sie auch in die Akademie der Philosophen aufgenommen worden. Dies ist gewiß eine schöne und einzigartige Sache.
… schrieb der Maler Giampietro Zanotti 1732 aus Bologna. Als zweite Frau überhaupt erhielt die 20-jährige Laura Bassi die Doktorwürde, als erste einen Lehrstuhl an einer Universität, und beides innerhalb von nur fünf Monaten. Die Nachrichten von ihrer spektakulären Blitzkarriere verbreiteten sich in ganz Europa, wurden in den Salons diskutiert und am Kaiserhof in Wien bestaunt.

Und genau dies war die Absicht – die Titelverleihungen waren, wie man heute sagen würde, PR-Events für den Wissenschaftsstandort Bologna. Denn die älteste Universität Europas verharrte bisher in mittelalterlichen Traditionen und hatte ihr Prestige eingebüßt. Und die junge Akademie der Wissenschaften, gegründet als Ort der modernen experimentellen Forschung, dümpelte dahin.

"Also überspitzt gesagt: Laura Bassi und die Verleihung der Doktorwürde an sie, später auch die Verleihung der Professur, ist so etwas wie ein großer Coup der Selbstinszenierung Bolognas als Stadt der Gelehrsamkeit."

… sagt die Bassi-Biografin Beate Ceranski. In Erscheinung treten sollte Laura Bassi aber nur bei öffentlichen Veranstaltungen und zur Unterhaltung illustrer Gäste der Stadt:

"In dem Senatsprotokoll, das ihre Ernennung zur Professorin festhält, steht explizit geschrieben, dass sie nicht lehren sollte, außer auf Befehl der Oberen."

Geboren wurde Laura Bassi am 29. Oktober 1711. Ihr Vater war Jurist und wie seine akademischen Freunde von den Ideen der Frühaufklärer geprägt, die Frauen die gleichen Verstandeskräfte wie Männern zusprachen. Ein Professor unterrichtete das begabte Mädchen privat so erfolgreich, dass sie schließlich als Zierde der Stadt gefeiert werden konnte. Professoressa Bassi erfüllte bereitwillig die Ansprüche der Universität und des Stadtadels, so dass kaum eine Woche ohne Auftritt verging. Doch sie betrieb zielstrebig eine Karriere als Forscherin, indem sie zunächst ihre Studien fortsetzte:

"Der erste wichtige Schritt war, dass sie keine Lust mehr hatte, nur die alte aristotelische Naturphilosophie zu lernen, sondern dass sie dafür gesorgt hat, dass sie auch Unterricht in Experimentalphysik bekam."

1738 heiratete sie den Medizinprofessor und Naturforscher Giuseppe Verati und brachte acht Kinder zur Welt. Doch auch auf wissenschaftlichem Gebiet war ihre Ehe fruchtbar:

"Das heißt, einerseits gemeinsames Arbeiten, andererseits arbeiten Seite an Seite an verschiedenen Themen, aber immer wieder in der Diskussion und im Austausch miteinander."
Laura Bassi hielt in ihrem eigenen Haus Vorlesungen in Experimentalphysik, die Studenten in Scharen anzogen:

"Neue Forschungen hat Bassi nicht in einer Weise erbracht, die bis heute spektakulär oder mit ihrem Namen verbunden wären. Das gilt allerdings, muss man dazu sagen, genauso auch für ihre vielen männlichen Kollegen in Bologna."

Laura Bassi setzte sich nicht öffentlich für die Zulassung von Frauen an den Universitäten ein, aber mit ihrer eigenen Karriere statuierte sie ein Exempel. Als bezahlte Forscherstellen an der Akademie von Bologna eingerichtet wurden, überging man Bassi, doch sie erreichte, dass eine zusätzliche für sie geschaffen wurde:

"Laura Bassis Strategie, sozusagen außer Konkurrenz als zusätzliches Mitglied ernannt zu werden, erweist sich als zwiespältig, weil die Kollegen in der Akademie diesen Sonderstatus dazu benutzen, ihr die vollen Mitgliedsrechte vorzuenthalten."

Doch nach einiger Zeit war sie nicht nur als Kollegin akzeptiert, sondern bezog sogar das höchste Gehalt. Und als die Stelle des Akademieprofessors für Physik frei wurde, kämpfte sie um die Berufung, bis man beschloss, die Forderungen der Signora Laura Bassi zu befriedigen, falls dies jemals möglich ist.

Mit 67 Jahren starb Laura Bassi 1778, als verehrte Lehrerin, anerkannte Wissenschaftlerin und Inhaberin zweier Professuren.