Die Erfindung des grünen Kühlschranks

Von Irene Meichsner · 15.03.2013
1993 sorgte die Umweltorganisation Greenpeace für die Entwicklung des ersten Kühlschranks ohne so genannte FCKW, die die Ozonschicht schädigen, und ohne Fluorkohlenwasserstoffe, die zum Treibhauseffekt beitragen. Am 15. März lief bei der Firma "Foron" in Niederschmiedeberg im Erzgebirge der erste "Greenfreeze" vom Band.
"Wir haben mit dem Kühlschrank die gesamte Kälte¬technik revolutioniert. … Wir haben in der Kältetechnik, und speziell auch im Kühlschrank, weltweit einen neuen technischen Standard gesetzt, der jetzt weltweit, nahezu überall, gilt. … Und, was natürlich wichtiger ist, wir haben innerhalb von Wochen eine Lösung gezeigt, die umgesetzt worden ist, wo mit einem Schlag man aussteigen konnte aus Ozon zerstörenden Substanzen und aus klimaschädlichen Substanzen."

"Greenfreeze" hieß der erste FCKW- und FKW-freie Kühlschrank, mit dem Wolfgang Lohbeck und seine Mitstreiter aus der Hamburger Deutschlandzentrale von Greenpeace Technikgeschichte schrieben - einer der bis heute größten Erfolge der Umweltorganisation. 1985 hatten Forscher über der Antarktis das Ozonloch entdeckt. Es war unter anderem auf die so genannten Fluorchlorkohlenwasserstoffe zurückzuführen, die man seit Jahrzehnten als Kältemittel, Treibgas für Spraydosen oder Treibmittel für Schaumstoffe benutzte. Die schwer abbaubaren Chemikalien zerstören die Ozonmoleküle in der Stratosphäre, die die Erde gegen die UV-Strahlung der Sonne abschirmen. Der niederländische Meteorologe und spätere Nobelpreisträger Paul Josef Crutzen warnte vor dramatischen Folgen:

"Ganz deutlich wird es zu einer Vermehrung von Hautkrebs, besonders bei den weißen Menschen also, führen. Auch das Meeresplankton, sieht so aus, dass es sehr empfindlich ist für vermehrte UV-Strahlung."

Die Politik reagierte schnell. 1987 verpflichteten sich die 196 Unterzeichnerstaaten des "Montreal-Protokolls", Maßnahmen zur Reduktion und letztlich Abschaffung von Chemikalien zu ergreifen, die der Ozonschicht schaden könnten. Manchen ging das Übereinkommen nicht weit genug, so dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl:

"Deshalb wird die Bundesregierung international auf ein Verbot von gefährlichen Treibgasen in Spraydosen bestehen und, wenn nötig, nationale Maßnahmen ergreifen."

"Hautkrebs hat einen Namen: Hoechst!",

… stand auf den Transparenten, als Aktivisten von Greenpeace 1989 die Krananlagen des großen deutschen FCKW-Herstellers besetzten. Lohbeck, damals Leiter der Klimakampagne, beschloss, selber nach einem alternativen Kältemittel zu suchen.

"In einem Labor des Dortmunder Hygiene-Instituts trafen wir einen Doktor, der ganz erstaunt fragte: Wo ist das Problem? Ich kühle immer mit Butan/Propan. Das war's",

… erzählte er später. Die Firma "Foron" aus Niederschmiedeberg im Erzgebirge erklärte sich bereit, es mit Butan/Propan-Gas als Kältemittel und einer Wärmedämmung aus Styropor zu versuchen. Der einst größte ostdeutsche Kühlschrankhersteller wurde seit der Wende von der Treuhand verwaltet und stand kurz vor der Liquidation. Greenpeace investierte 26.000 DM in die Entwicklung des "Greenfreeze" und weitere 100.000 DM in eine massive Werbekampagne – mit der Folge, dass rund 70.000 Vorbestellungen eingingen. Die Marktführer setzten auf andere Kühlmittel wie R134a, ein "FKW" oder Fluorkohlenwasserstoff, der zwar die Ozonschicht nicht schädigt, aber zum Treibhauseffekt beiträgt. Händler wurden zum Boykott des "Greenfreeze" aufgefordert und Ängste wegen einer angeblichen Explosionsgefahr geschürt. Der Entwicklungsleiter Kältetechnik bei der AEG erklärte damals:

"Wir haben Zündversuche gemacht. Und haben festgestellt: Wenn es dort zu einem Leck kommt, dass der Kunde beim Öffnen des Schrankes – ich sag das mal etwas drastisch – in einer Flammenwand stehen kann."

Tatsächlich enthielt das TÜV-geprüfte Gerät gerade mal so viel Gas wie zwei Feuerzeuge. Am 15. März 1993 drückte Dieter Reinfried, Staatssekretär im sächsischen Umweltministerium, auf den Knopf, der den ersten "Greenfreeze" vom Band laufen ließ.

"Jetzt hören Sie die Glocke, der Motor wird jetzt gleich laufen … Er setzt sich in Bewegung, und alles verläuft planmäßig, man kann allen Beteiligten nur viel Erfolg wünschen."

Nun machten sich auch andere Hersteller die Technik zu Eigen. Laut Greenpeace wurden bis heute mehr als 600 Millionen Kühlschränke mit einer Propan/Butan-Kühlung hergestellt. Das Nachsehen hatte die Firma Foron, die 1996 von einem holländischen Investor übernommen und später zerschlagen wurde. Die FCKW sind inzwischen weltweit verboten, es gibt aber noch Ausnahmeregelungen – und einen Schwarzmarkt. Trotzdem hat sich die Situation deutlich verbessert. Forscher äußerten sich zuletzt sehr optimistisch, dass sich die Ozonschicht bis zur Mitte des Jahrhunderts wieder erholt.
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