Die Erfinder des Jazz

Rezensiert von Maximilian Preisler · 04.05.2005
Das Buch beinhaltet zehn Porträts von Musikern, die als Erfinder des Jazz gelten können. Neben Namen wie Duke Ellington und Count Basie lässt der Autor auch Musiker auftreten, deren Namen kaum noch bekannt sind. Er erzählt von ihrem Leben und analysiert ihre Musik.
Ein köstliches Foto hat Uwe Wiedenstried für das Cover seines Buches "Yeah, man!" über 10 "Erfinder" des Jazz ausgewählt: Es zeigt einen strahlenden, selbstbewussten Louis Armstrong aus dem Jahr 1932. Louis trägt ein Tweed Jackett und dazu passende Knickerbocker Hosen, karierte Kniestrümpfe und derbe Schuhe. Auf den Kopf hat er – leicht schräg und kokett – eine Wollmütze mit weichem Schirm gestülpt. Wer je einen Song von Louis Armstrong gehört hat, ein Trompetensolo, eine Strophe Scat-Gesang, dem fällt es beim Betrachten dieses Fotos wie Schuppen von den Augen: die freudetrunkenen, überschwänglichen Töne und dieser selbstsichere schwarze junge Mann auf dem Foto, das gehört einfach zusammen.

Zehn unterschiedlich lange Essays hat Wiedenstried zu einem Buch verknüpft, zehn Porträts von Musikern, die den Jazz mit begründeten. Neben Armstrong sind das zum Beispiel Sidney Bechet und Thomas "Fats" Waller. Sie gehören alle jener Generation an, die um 1900 geboren wurde, und die für die ersten 40 Jahre des Jahrhunderts im Genre Jazz tonangebend. Nicht nur bei den Photos, auch bei der Auswahl seiner "Helden" hat Wiedenstried eine glückliche Hand. Neben den immer wieder zitierten Namen wie Duke Ellington und Count Basie, lässt er auch Musiker auftreten, deren Namen kaum noch bekannt sind: Wie Chick Webb, der elegante, kleinwüchsige und dennoch kraftvolle Schlagzeuger und Bandleader, oder Thomas "Fats" Waller, der geniale Pianist und Orgelspieler. Natürlich vermisst man schmerzlich so manchen anderen heiß geliebten Musiker. Und: Kann man eine Geschichte der ersten Kapitel des Jazz anbieten, ohne die großartigen Sängerinnen Billie Holiday und Ella Fitzgerald zu würdigen?

Wiedenstried erzählt vom Leben der Musiker und er analysiert ihre Musik. Das zweite gelingt ihm dabei viel besser. Elektrisiert eilt man zum Plattenschrank oder CD-Ständer, um nachzuschauen, ob man die beiden Versionen von "Caravan" besitzt, die Wiedenstried gegenüberstellt. Und man beginnt sofort im Internet zu suchen, wo heute noch die 1944 mit der Basie Combo eingespielten Titel angeboten werden, auf denen, so der Autor, der Saxophonist Lester Young zeigt, dass er mit offenen Ohren zuhörte, als die jungen Be-Bop Löwen ihn in New York zum Mitspielen einluden.

Leider gerät Wiedenstried bei seinen biographischen Skizzen der Musiker immer wieder in ziemlich flaches Gewässer. Pikanterweise besonders dann, wenn er – im Namen der Jazzer – Partei ergreift gegen die einfältigen weißen "Schreiberlinge und Radiofritzen", mit denen sich die afro-amerikanischen Musiker hätten herumschlagen müssen. Und zu oft nimmt er einen langen Anlauf zu einem Metaphern-Sprung, der dann kläglich misslingt. Duke Ellington darf da vollmundig in ein germanisches Walhalla einziehen, und einen satten Bläsereinsatz des Orchesters mit den zu Recht verfemten Worten "Nun, Sturm brich los" zu beschreiben, ist einfach peinlich.

Andererseits ist Wiedenstried hoch anzurechnen, dass er den Mut zu schneidenden Urteilen besitzt. Sein Ellington-Porträt ist sowohl von der Länge als auch von der analytischen Stärke her das zentrale Kapitel seines Buches. Und gegen die devote Verehrung aller Werke des Meisters schwingt Wiedenstried die neunschwänzige Peitsche der Kritik: "In den kurzen drei Minuten seines leisen, einfachen, langsamen, fast stehenden "Mood Indigo" sagt Ellington alles über die Einsamkeit und Weltverlorenheit des Menschen. Aus den Stunden um Stunden des Getöses seiner 'großen Werke' dringt nicht ein einziger Ton bis in die Seele vor." Da verzeiht man Wiedenstried gerne den schnoddrigen Ton in manchen der Porträts, der wohl "jazzig" klingen soll.

Uwe Wiedenstried: Yeah, man! Wilde Jahre des Jazz
(Transit Verlag, Berlin, 2005)