Die Entdeckung der eigenen Courage

Von Christian Berndt · 14.12.2008
Oft stellt Bent Hamer in seinen Filmen skurrile Typen vor, die durch kleine Begebenheiten aus der Bahn geworfen werden. Doch der norwegische Regisseur lässt seine Figuren nie lächerlich wirken, auch nicht Odd Horten, den Helden seines neuen Films. Der ist Lokführer, wird pensioniert und erlebt in einer Nacht merkwürdige Dinge, die sein Leben verändern.
Filmausschnitt "O'Horten": "Ach, hoffentlich bleiben uns diesmal die Elche auf der Strecke erspart. Ich hab noch immer die Blutflecke auf der Jacke. Nichts zu machen."

Es kann einiges passieren auf der Zugfahrt, aber meistens bleibt es ruhig. Die letzten 40 Jahre ist Lokomotivführer Odd Horten die Strecke Oslo-Bergen gefahren, und so vorhersehbar wie die Zugfahrt verlief auch das Leben des alleinstehenden 67-Jährigen - bis jetzt:

"Neben mir sitzt der zuverlässigste, umsichtigste und kundigste Lokführer, den wir je gehabt haben. Wir wünschen Dir, lieber Odd, von Herzen einen schönen, wohlverdienten Ruhestand."

Man ahnt, für den stillen Horten wird die Rente kein Abenteuer. Doch dann passiert es, seine Kollegen wollen ihn zum Saufgelage mitnehmen - aber Horten landet in der falschen Wohnung. Nach einer kuriosen Nacht verschläft er seine letzte Fahrt. Und plötzlich ist alles anders. Horten tut seltsame Dinge, schwimmt nachts in der Badeanstalt, wird dabei überrascht von einem Liebespaar. Die erste Begegnung einer rätselhaften Nacht, die ihn schließlich in das Haus eines Fremden führt.

"Sind Sie auch mal ein Skispringer gewesen?"
"Nein, ich war zu ängstlich. Alle meine Freunde sind gesprungen, nur ich nicht. Jetzt ist es zu spät."
"Ja, man könnte meinen, alles kommt zu spät im Leben, alles."
"Ja."
"Also, dann kommt eigentlich nichts zu spät, nicht wahr?"

Bent Hamer hat "O-Horten" wie ein märchenhaftes Stationendrama entworfen. Der Held trifft in dieser Nacht auf Gestalten, die wie Geister aus dem Nichts auftauchen, aber die Begegnungen mit den geheimnisvollen Fremden führen Horten zu sich selbst. Das hat Hamer ruhig und unsentimental inszeniert, zwar mit der für den nordischen Film typischen Skurrilität, aber ohne den Figuren ihre Glaubwürdigkeit zu nehmen. Wie Horten ganz vorsichtig seine Tapferkeit entdeckt und damit aus der Einsamkeit ausbricht, macht ihn vom knorrigen Eigenbrödler zur hinreißenden Gestalt.

Hören Sie auch ein Gespräch mit dem Regisseur Bent Hamer über seinen Film "O'Horten". MP3-Audio