"Die deutsche Komödie hat es immer schwer gehabt"

Moderation: Susanne Burg · 06.05.2012
Fast wie "Hangover" - bloß auf deutsch und mit Frauen: Sönke Wortmann erzählt in seinem neuen Film von den Turbulenzen um eine Trauung. Im Interview spricht der Regisseur über Erfolgsdruck, Humor-Hemmungen und Komödien mit Tiefgang.
Susanne Burg: Herr Wortmann, man sieht ja in gewisser Weise einen Film im Film, indem dieser eine Gast die ganze Zeit mitfilmt mit der Digitalkamera. Mich würde interessieren: Wie verschiebt sich denn für Sie als Regisseur dadurch die Perspektive, also welche Vorteile des Erzählens hat Ihnen diese Idee des Hochzeitsvideos geboten?

Sönke Wortmann: Ja, Film im Film höre ich gar nicht so gerne, weil das ist so ein Genre, das eigentlich keinen interessiert. Aber ich weiß auch nicht, wie man es großartig anders nennen soll, ... Ich weiß es natürlich doch, nämlich: Video im Film. Also wir, die Filmer, beobachten ja einen, der ein Video dreht, und das ist natürlich jetzt relativ neu, weil es auch so eine Zeiterscheinung ist. Und ja, so zu arbeiten hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, dass man relativ frei ist in dem, was man dann macht, also man muss vorher nicht alles ganz genau festlegen, wo man hinschwenkt – selbst wenn es dort dann nicht so toll ausgeleuchtet ist, dann wird das nicht als Fehler empfunden, weil es ja der Videofilmer macht letztendlich, und man kann auch mal eine Unschärfe drin haben. Und im Nachhinein haben wir gemerkt: Wir haben viel zu wenig Unschärfen. Dann haben wir künstlich welche reingemacht. Also es sollte so einen live-igen, einen authentischen Charakter kriegen. Das hat großen Spaß gemacht.

Der Nachteil, der scheinbare Nachteil ist, dass ... Dadurch, dass so wenig geschnitten wird, so wenig geschnitten werden darf, muss man das Timing des Films und auch der einzelnen Szenen quasi vorher schon festlegen vor der Kamera. Und das hat ziemlich hohe Ansprüche an die Schauspieler zur Folge, da die das alles spielen müssen und sich nicht auf Schnitte verlassen können. Wenn man diese Schauspieler allerdings hat – und die hatte ich ja zum Glück gefunden –, dann ist auch dieser scheinbare Nachteil wieder ein Vorteil, weil dann finde ich es ist es umso besser.

Burg: Hochzeitskomödien sind im amerikanischen Film fast so ein eigenes Genre, eben weil man daran ja auch so sehr viel festmachen kann und weil man ja diesen Druck einer perfekten Hochzeit so gut darstellen kann, die Erwartungen, die so hoch sind. Ist denn "Das Hochzeitsvideo" auch in gewisser Weise eine Antwort auf solche Filme wie zum Beispiel "Hangover" von Todd Phillips?

Wortmann: Na ja, eine Antwort nicht.

Burg: Oder vielleicht die deutsche Version?

Wortmann: Es geht schon in die Richtung, obwohl ich mich jetzt sehr ungern mit "Hangover" vergleiche. Das, finde ich, ist wirklich in dem Genre ein perfekter Film, also was denen da eingefallen ist an Drehbuchideen, das ist schon toll. Das hat bei uns auch dazu geführt, dass wir gesagt haben, das kann man gar nicht toppen, so eine Junggesellennacht, wie die Männer erleben, da fangen wir gar nicht erst an, sondern wir gehen – und das war auch der Grund dazu –, wir gehen mit den Frauen mit, und da gucken wir mal, was da passiert. Das hat auch direkt eine Folge des Films "Hangover", den ich wirklich über die Maßen schätze.

Burg: Mein Eindruck ist eigentlich, dass es in Deutschland schwer ist, Komödien mit Tiefgang zu machen. Wie würden Sie Ihre Komödie dort einordnen beziehungsweise warum ist es so schwer in Deutschland, eine Komödie mit Tiefgang zu machen?

Wortmann: Das ist natürlich ein langes Thema, können wir den ganzen Abend drüber sprechen. Was ist denn aus Ihrer Sicht eine Komödie mit Tiefgang? Dann kann ich Ihnen sagen, ob das hier gelungen ist oder nicht, und ob das überhaupt beabsichtigt wurde, ist ja auch noch eine andere Frage.

Burg: Also mir würde einfallen: Billy Wilder, "Eins, zwei, drei".

Wortmann: Das ist eine Komödie mit Tiefgang? Dann habe ich auch eine Komödie mit Tiefgang gemacht.

Burg: Wieso? Zweifeln Sie, dass das eine Komödie mit Tiefgang ist?

Wortmann: Also ich eigentlich nicht, aber ich wollte es jetzt mal von Ihnen hören, weil ich merke, ...

Burg: Nein, ich finde auch ... "Alles auf Zucker" finde ich auch eine Komödie, also wo einfach auch Themen behandelt werden, wo gesellschaftliche ...

Wortmann: Ich frage nur deswegen so kokett nach, weil ich ja weiß, dass die deutsche Komödie ja es immer schwer hatte und auch hat. Also vieles, was dann aus, keine Ahnung, aus Amerika kommt, ist dann angeblich immer ganz toll, und wenn wir das Gleiche machen würden, was wir ja teilweise auch tun, also finde ich von der Qualität und von dem, was da verhandelt wird, dann ist es, na ja, eine deutsche Komödie. Also es hat immer noch so einen negativen Beigeschmack, und da wollte ich mal genauer hören, wie Sie das so meinen.

Burg: Dann anders herum: Warum hat es denn so einen negativen Beigeschmack in Deutschland?

Wortmann: Ja, weil sich dort Deutschland immer noch vergleichsweise schwertut mit einer gewissen Lockerheit, mit Lachen, mit einem ... mit Entertainment, oder Entertainment auch gut zu finden, es machen zu wollen, ohne gleich die Welt zu verändern – was ich ja heimlich doch will, aber das ist ja jetzt ... Ich meine das jetzt allgemein so: Die deutsche Komödie hat es immer schwer gehabt.

Burg: Sie haben ja mit "Der bewegte Mann" doch dann einiges auch dafür getan 1994, dann aber haben Sie erst mal andere Projekte gemacht. Es gab viele interessante Projekte, die Sie dann verfolgt haben, aber war dann auch der Druck ein bisschen zu hoch danach, noch mal eine Komödie zu machen, die Erwartungen an Sie?

Wortmann: Nein, also ich habe das genau andersrum empfunden: Also Druck habe ich dann, wenn ich einen Film mache und wenn ihn keiner sehen will. Dann habe ich beim nächsten Film Druck, weil ich denke, oh, wenn das auch wieder keiner sehen will, dann mache ich Fehler oder ich mache Filme, die keinen interessieren. Das würde mich a) persönlich stören und b) würde ich auch keinen dritten Film mehr dann machen, weil dann kann ich ja so einen Film gar nicht erst finanzieren.

Der Druck war, im Gegenteil, der war eigentlich durch den "Bewegten Mann" spätestens dann eigentlich weg. Dann hatte ich das Gefühl, jetzt kann ich auch mal einen Flop machen – und habe ich ja dann auch. Ein Film heißt "Mr. Bluesman", den Sie sicher nicht kennen, so erfolglos war der, dann war auch ein Film, den ich durchaus gelungen fand, aber trotzdem nicht funktionierte, "St. Pauli Nacht", dann habe ich einen Film gemacht in Amerika, der gar nicht erst ins Kino kam. Also ich kenne schon auch die andere Seite, und da habe ich dann aber auch wieder Druck verspürt bei meinem nächsten Film dann, "Das Wunder von Bern", da stand sehr viel auf dem Spiel und das war ein großer Erfolg. Dann kam "Deutschland – ein Sommermärchen", auch, "Die Päpstin" auch – also jetzt habe ich wieder das Gefühl, dass der Druck wieder ganz weit weg ist.

Burg: "Das Hochzeitsvideo", so heißt der neue Film von Sönke Wortmann und ich spreche mit ihm hier im Deutschlandradio Kultur. Herr Wortmann, der Produzent Thomas Friedl, der hat kritisiert, dass es zu wenig deutsche publikumswirksame Komödien gibt, das war 2009. Seitdem scheinen aber Komödien geradezu zu boomen, also "Kokowääh" von Til Schweiger, "Männerherzen" von Simon Verhoeven, "Hotel Lux" von Leander Haußmann, nicht zu vergessen natürlich auch "Türkisch für Anfänger" von Bora Dagtekin, der ja gerade erst vor ein paar Wochen angelaufen ist, extrem erfolgreich. Ist Deutschland auf dem Weg zur Normalisierung, was Komödien angeht?

Wortmann: Ja, beim Publikum schon. Ich würde da übrigens noch die Liste ein bisschen verlängern, also ich glaube nicht erst, dass das seit 2009 so ist, also auch davor hat ja Til Schweiger schon zwei sehr erfolgreiche Filme gemacht, also zwei richtig erfolgreiche Filme.

Burg: Dann könnte man vielleicht auch bei "Schuh des Manitu" anfangen.

Wortmann: Wollte ich gerade sagen, dazu kommen noch wesentlich erfolgreichere Filme wie von Bully Herbig, mehrere – also ich sehe das überhaupt nicht so. Es gab genug publikumswirksame, deutsche Filme und die meisten waren ja sogar Komödien.

Burg: Vielleicht sollte man dann das Thema anders angehen. Es gibt ja eine Diskussion, dass es in Deutschland einerseits das Autorenkino gibt, das vom Feuilleton gefeiert wird, aber das immer weiter sich vom Publikum entfernt, und dass es auf der anderen Seite eben den Publikumsfilm gibt, der die Leute erreicht, aber vom Feuilleton ignoriert wird. Ist das vor allem ein Problem vielleicht im Komödienbereich?

Wortmann: Ich glaube, noch mehr als sonst, ja. Es ist ja nicht so, dass Filme ignoriert werden, sondern sie werden halt dann durchaus verrissen. Aber damit muss man leben, das ist schon okay. Teilweise habe ich aber auch Verständnis dafür. Ich habe auch jetzt wieder die Erfahrung gemacht mit diesem Film: Wir hatten grandiose Previews und Sneak-Previews, also wo Leute drin sind in einem vollen Kino, und dann kommt eine Komödie erst richtig zur Geltung. Und die haben getrampelt, es gab Szenenapplaus, es gab Schlussapplaus, was selten ist im Kino. Das sind so meine Erfahrungen, die ich gemacht habe. Und wenn dann Pressevorführungen stattfinden, da sitzen dann halt 10 bis 13 Hanseln in einem leeren Kino, und da kann so eine Atmosphäre gar nicht aufkommen. Also es ist dann ein anderer Film, und dann finde ich Filme oft auch nicht witzig, wenn ich sie alleine gucke. Komödie ist schon ein Gemeinschaftserlebnis, da ist das eine ganz andere Wahrnehmung.

Burg: Sie haben in "Das Hochzeitsvideo" ausschließlich mit Theaterschauspielern gearbeitet, die noch nie in einem Spielfilm mitgespielt haben. Entsprechend ist auch keiner der Namen wirklich in der Filmwelt eingeführt. Hatten Sie da nicht Schwierigkeiten, das den Produzenten zu verklickern, wo doch häufig die Regel Nummer eins ist: bekannte Schauspieler, bekannte Gesichter?

Wortmann: Ja, ... Nein, ich hatte keine Schwierigkeiten. Also ja, die Tatsache gibt es natürlich, die Sie erwähnt haben, aber ich habe ja auch schlaue Produzenten, und die ... Es ist ja nicht so wie man immer denkt, dass der Produzent der natürliche Feind des Regisseurs ist, sondern das sind auch kreative Menschen, die auf einem anderen Gebiet arbeiten, die meistens nicht doof sind und auch erkennen können, wenn ein Konzept so gestrickt ist, dass es besser ist, wenn man Unbekannte nimmt, weil der Film "Das Hochzeitsvideo" soll ja sehr authentisch kommen, und das ist ja in dem Moment schon perdu, wenn da jetzt auf einmal Elyas M'Barek auftaucht, weil den kennt im Moment jeder.

Burg: Aus "Türkisch für Anfänger".

Wortmann: Ja, genau "Türkisch für Anfänger", nicht nur dort, aber der Film ist ja so erfolgreich, den kennen wirklich sehr viele. Das wäre ja kontraproduktiv, und das wissen die auch, und deswegen war das überhaupt kein Problem, ich musste sie gar nicht mal überzeugen, sondern es lag auf der Hand, da Leute zu nehmen, die man nicht kennt. Und ich rechne denen das hoch an, dass sie den Film überhaupt machen. Es gibt ja auch Produzenten, die sagen, na ja, so – dann machen wir halt gar nicht, aber sie mochten das Projekt und waren auch sehr schnell bereit, sich auf dieses Risiko einzulassen, weil das ist es natürlich.

Burg: Nur ist ja der Regisseur zum Glück ein bekannter Name.

Wortmann: Ja, aber es ist ja auch so, dass man nicht unbedingt wegen dem Regisseur ins Kino geht, sondern auch ich gehe ja eher wegen Darstellern ins Kino, die ich gerne sehe.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema