Die DDR in Bonn

Von Volker Wagener · 29.04.2009
Die Bonner Adresse war zeitweilig wichtig: Godesberger Allee 18. "Zeitweilig" heißt fünfzehneinhalb Jahre. Dann wurde die Ständige Vertretung der DDR in Bonn wieder geschlossen. Die Landesvertretungen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern teilten sich dann ab 1991 bis 1999 das Haus. Das Haus blieb wie es zuvor war: schmucklos, funktional, keine besondere Ästhetik. Die Geschichte des Hauses ist etwas spannender als seine Fassade.
Mit mittlerer Geschwindigkeit rauschen die Autos vorbei. Der Geräuschepegel ist konstant hoch. Wie immer bei sechsspurigen Straßen. Die ICE-Trasse verstärkt die Dauerakustik immer dann, wenn einer dieser weißen schnittigen Züge vorbei rast. Das ist das Umfeld von Haus Nummer 18. Godesberger Allee Nr. 18. Ein schmuckloser, viergeschossiger Kasten. Hellgelbe Tünche haftet an der Fassade. Von Beschaulichkeit keine Spur. Immer noch stehen die Fahnenmasten. Symbole von Größe, Macht und Repräsentanz. Eine Metallplakette erinnert an den einstigen Mieter: Ständige Vertretung der DDR. Ein Rest eines Politikums, das einzigartig war. Und noch einen Hinweis gibt es: Die Buchstaben DGE auf einem stilisierten grünen Blatt - das Logo der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Seit acht Jahren nennt sie dieses Domizil ihre Zentrale. So profan kann Geschichte enden.

Wie jeden Morgen um kurz vor neun betritt Antje Gahl den Eingangsbereich, nickt der Telefonistin zu, die in einem Glaskasten hinter der Doppeltür Dienst tut – hier war die Pförtnerloge der Ständigen Vertretung der DDR. Der Fußboden ist marmorschwarz. Antje Gahl schmunzelt. Jedes Mal, wenn sie die Eingangstür öffnet, fühlt sie sich in die 70er-Jahre zurückversetzt.

"Wenn man das bedenkt, denkt man erstmal so: Man ist verkabelt, es sind Kameras, die einen beobachten, und es steht da ein Pförtner, der einen erstmal nicht rein lässt. Die Vorstellung hat man schon, und es ist alles so ein bisschen verbarrikadiert."

Dabei sieht das Gebäude mit seinem gelben Anstrich heute viel freundlicher aus als seinerzeit, und die Pförtnerin begrüßt jeden Besucher mit der Frage, ob sie weiter helfen könne. Das war früher anders, erinnert sich Peter Quay. 30 Jahre lang hat der bald 70-Jährige in Bonn für das Deutschlandradio als Korrespondent gearbeitet.

"Das sah etwas abgeschotteter aus, so dass man da nicht hätte eindringen können. Das wurde beobachtet von dem Hausmeister, und man konnte sich nicht nähern, ohne dass man besonders wahrgenommen wurde."

Die Immobilie Godesberger Allee Nr. 18 ist in ihrer äußeren Erscheinung Welten entfernt von den teils mondänen, großzügigen Altreichen-Villen, aus denen andere Staaten zu seligen Bonner Hauptstadtzeiten ihre Botschaften machten. Aber das Haus der Deutschen Demokratischen Republik war auch keine Botschaft, keine echte zumindest. Es war nur eine "Ständige Vertretung", die StäV eben. Und ihr Hausherr war auch kein Botschafter, sondern eben nur der "Ständige Vertreter". Das umständliche Wortgebilde sollte vor allem verhindern, dass im politischen Sprachgebrauch von Botschafter die Rede war, wenn der Statthalter der DDR in der BRD gemeint wurde. Dennoch: Der DDR-Diplomat Michael Kohl, der Leiter der StäV, machte 1974 gute Miene, als er am Flughafen Köln-Bonn landete, um sein neues Amt anzutreten:

"Ich freue mich über diesen Auftrag. Das ist vielleicht auch persönlich verständlich, wenn man viele Jahre auf diesem Gebiet tätig war, möchte man gern das Begonnene fortsetzen."

Es hatte lange genug gedauert, bis Michael Kohl seinen Amtssitz in der Hauptstadt der BRD beziehen konnte. Denn die Einrichtung gegenseitiger Ständiger Vertretungen war bereits im "Grundlagenvertrag" von 1972 vorgesehen. Doch dann hatte die bayerische Staatsregierung vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Abkommen geklagt. Ihrer Ansicht nach erkenne die Bundesrepublik die DDR offiziell an und gebe damit das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes auf. Die Karlsruher Richter wiesen die Klage ab. Damit war der Weg frei für die Eröffnung Ständiger Vertretungen beim Nachbarn.

"Ich spreche zu Ihnen aus dem Bonner Bundeskanzleramt. Hier wartet eine Schar von Journalisten und Fotografen auf das Erscheinen des DDR-Außenministers Kurt Nier und des Staatssekretärs im Kanzleramt Günter Gaus. Gestützt auf den Grundlagenvertrag haben beide Regierungsvertreter seit einigen Monaten das gewiss nicht leichte Feld der Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten mit ihren unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen bearbeitet und nun haben sie in einem wesentlichen Punkt ihrer Verhandlungen eine Einigung erzielt und sind von ihren Regierungen ermächtigt worden, ein Protokoll über die Einrichtung von Ständigen Vertretungen beim jeweiligen Sitz der Regierungen zu unterzeichnen."

Gegen ein besonderes Amt in einem besonderen Haus hatte im politischen Bonn niemand etwas. Nur eine richtige Botschaft sollte es eben nicht sein. Das, was es dann 16 Jahre lang war, das gab es in Bonn nur einmal, sagt der frühere Berichterstatter Peter Quay:

"Und ich habe auch nie gesehen, dass da jemand reingegangen ist. Das war immer so, dass hier wohl nur Leute reingekommen sind, die einbestellt worden waren. Da hat es auch keine Besuche gegeben von irgendwelchen Freunden - auch wahrscheinlich nicht aus dem Ostblock. Während die anderen Botschaften aussahen wie die westlichen auch, war das hier sehr, sehr abgeschottet."

Peter Quay hat die Gründung und das sang- und klanglose Ende der "StäV" als Hauptstadt-Korrespondent begleitet. 1974, kurz vor dem Einzug des DDR-Personals, war die Adresse die am häufigsten Beäugte.

"Das war ein Bürogebäude und ist dann auch noch aufgestockt worden, und hinten noch ein Stück dran gebaut worden, und dann übernahm das die DDR und machte daraus die 'Ständige Vertretung'."

Dreigeschossig war das Haus ursprünglich. Für die knapp 9o Mitarbeiter aus dem damals anderen Deutschland war das nicht genug. Eine vierte Ebene wurde drauf gebaut.

"Wenn es nach der DDR gegangen wäre, dann hätte das im Grundlagenvertrag schon drin gestanden. Beide Seiten kamen überein, diplomatische Beziehungen aufzunehmen und Botschafter auszutauschen. Punkt."

Hans Schindler war Gesandter der DDR in Bonn zwischen 1979 und 1985. Er war die "Nummer 2" der "StäV" unter Ewald Moldt und Horst Neubauer. Noch Jahre danach klang bei ihm durch: Die Regelung nach Artikel 8 des Grundlagenvertrages vom 21. Dezember 1972 zwischen Bonn und Ostberlin war für die DDR nur die zweitbeste Lösung. Wie sie es gerne gehabt hätte, demonstrierten Honecker und seine SED am Beispiel der Zuständigkeit für die Bonner Vertretung in Ostberlin. Die "Ständige Vertretung" von Günter Gaus war beim DDR-Außenministerium angesiedelt.

"Anders in Bonn. Da war die 'Ständige Vertretung' beim Bundeskanzleramt angebunden. Und wenn der Leiter der 'Ständigen Vertretung' was auf dem Herzen hatte oder wenn er was auszurichten hatte, dann musste er mit dem Bundeskanzleramt in Kontakt treten. Da gab es eine deutschlandpolitische Abteilung. Das hat man gemacht, um eben auch die Besonderheit der innerdeutschen Beziehungen zu unterstreichen. Beide Staaten sollten aus Bonner Sicht für- einander nicht Ausland sein."

Eine Kröte, die Ostberlin schlucken musste, meint Karl-Wilhelm Fricke, Journalist, Publizist und DDR-Spezialist. Wie unverdaulich der Status für Staats- und Parteichef Erich Honecker noch Jahre nach der Eröffnung der "StäV" war, belegen seine vier deutschlandpolitischen Forderungen in der berühmten Rede von Gera am 13. Oktober 1980. Sein Ziel damals lautete: So schnell wie möglich die Anerkennung der Vertretungen als Botschaften, um die Zweistaatlichkeit zu zementieren.

Dennoch: Die Zuständigkeit des Bundeskanzleramtes für die DDR-Vertretung war noch das kleinere Übel für Ostberlin. Ursprünglich wollte die Regierung Brandt die "StäV" dem Ministerium für Innerdeutsche Beziehungen zuschanzen. Um den Status der ostdeutschen Diplomaten am Rhein wurde im täglichen Kleinklein mit Haken und Ösen gerungen. Hans Schindler, der DDR-Gesandte, erinnerte sich Mitte der neunziger Jahre in einem Aufsatz unter dem Titel "Deutsche Diplomaten in Deutschland" an folgendes:

"So führten zwar die Fahrzeuge der DDR-Vertretung die auch heute noch in der BRD üblichen diplomatischen Kennzeichen, aber man gab für die DDR nicht die nächste Nummer aus, sondern ließ einige Ziffern frei. 1974 war man bei den Autonummern für CD-Fahrzeuge bis O-147-1. Die DDR bekam nicht die 148, sondern die 160. Außerdem durfte die DDR keinen zusätzlichen Aufkleber 'CD' an den Fahrzeugen führen."

Eine vergleichsweise harmlose Formalie. Delikater wurde es, wenn es um die Titel der DDR-Diplomaten im hohen Politikgeschäft ging. Hans Schindler war selbst Hauptbetroffener einer Episode aus dem Jahre 79, bei der Vorstellung des diplomatischen Korps in der Godesberger Redoute anlässlich des Besuchs des schwedischen Königspaars. Da Ewald Moldt, der damalige Ständige Vertreter, gerade im Ausland weilte, vertrat ihn sein Gesandter Schindler.

"Ein hoher Protokollbeamter verkündete lautstark bei der jeweiligen Begrüßung die Titel der vorgetretenen Diplomaten. Als der DDR-Diplomat an der Reihe war, hätte der Beamte - wie bei den Vertretern anderer Staaten - verkünden müssen: Der Geschäftsträger der Deutschen Demokratischen Republik, Herr ... 'Sowieso'. Aber er verkündete entgegen den diplomatischen Regeln: 'Der Vertreter des Leiters der Ständigen Vertretung der DDR'. Das war gegenüber dem hohen schwedischen Gast ein Affront, den Bonn begangen hatte, nur um im Falle der DDR keine diplomatischen Regeln zu praktizieren."

Noch kurioser ging es wenig später beim Deutschland-Besuch des Papstes auf dem Köln-Bonner Flughafen zu. Bei der Begrüßung der Diplomaten nahm der Protokollbeamte des Auswärtigen Amtes drei vergebliche Anläufe, dem Heiligen Vater die korrekte Amtsbezeichnung des Vertreters der DDR zu nennen. Hans Dietrich Genscher persönlich musste intervenieren.

Der Nebeneffekt war: Dem Ständigen Vertreter der DDR, damals Ewald Moldt, wurde dadurch vom Papst deutlich länger die Hand gedrückt als anderen Diplomaten. Und alles live vor laufenden Kameras! - Danach rätselten die Journalisten, warum die Begrüßung des DDR-Vertreters so lange gedauert hatte. Immerhin gab es zu der Zeit noch keine diplomatischen Beziehungen zwischen Ostberlin und dem Vatikan. Ein Bonner Eigentor.

"Der politische Auftrag lautete: mitzuwirken bei der Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen."

Um diesem Auftrag gerecht zu werden, unterhielt die DDR in Bonn nicht mehr, aber auch nicht weniger Abteilungen als in anderen Hauptstädten rund um den Globus. Eine Politische Abteilung, eine für Presse- und Kultur, eine Konsular-Abteilung, dazu eine Wissenschaftspolitische, eine Verkehrspolitische und eine Handelspolitische Abteilung. Arbeit für insgesamt rund 8o bis 9o Mitarbeiter, die weitgehend unter sich blieben.

Die Genossen in Bonn unterhielten einen eigenen Kindergarten. Eine Großküche in der Vertretung machte den Besuch in rheinischen Lokalitäten überflüssig. Gewohnt hat das Personal zum Teil in der Vertretung, aber auch in der Nähe ihres Ständigen Vertreters in Hersel oder in der Trabantenstadt Tannenbusch. Immer kompakt zusammen, stets nach dem Motto: Bloß keinen Kontakt zum Klassenfeind! Hans Schindler ließ später durchblicken, wie eindeutig die Regelung war, wenn es um private West-Kontakte des Vertretungspersonals ging.

"Sagen wir mal so: Es wurde nicht gern gesehen. Und es hat keiner gemacht, ja!?"

Karl-Wilhelm Fricke hatte ein besonderes Verhältnis zum Arbeiter- und Bauernstaat. Schon als junger Journalist in Berlin war er ein intimer Kenner der DDR, was ihm zum Verhängnis wurde. Die Stasi hielt ihn für einen Agenten. Mitten in Westberlin entführte sie Fricke. Nachdem sie ihn betäubt hatte, wurde er in einem zusammen geschnürten Schlafsack in den Ostteil der Stadt gebracht. Das war 1955. In einem Geheimprozess wurde er nach Artikel 6 der DDR-Verfassung - "wegen Boykotts und Kriegshetze" - zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Bis zuletzt verbrachte er seine Zeit in Einzelhaft.

Zweimal hatte Fricke persönliche Erlebnisse mit der Bonner Vertretung des Staates, der ihm vier Jahre seines Lebens geraubt hatte. Zwei sehr unterschiedliche. 1976 stellte er - mittlerweile Redakteur beim Kölner Deutschlandfunk - einen Antrag auf Visumserteilung, um über den 9. SED-Parteitag in Ostberlin zu berichten. Als er sein Visum abholte, stellte er fest, dass sein Gegenüber aus dem gleichen Städtchen stammte wie er.

"Er meinte dann etwas - ja, wie soll ich sagen - philosophisch: 'Ja, so klein ist die Welt.' Ich widersprach ihm dann nur ein wenig und sagte: 'Nein, so klein ist Deutschland.' Er lachte dann und sagte: 'Sie können es wohl nicht lassen, sie müssen wohl agitieren.' Das war so der Umgangston."

Ganz anders die Reaktion der ostdeutschen Vertretung neun Jahre später. Fricke war im journalistischen Begleittross Willy Brandts vorgesehen, der damals zum ersten Mal nach der Guillaume-Affäre die DDR besuchen wollte. Der Kölner Journalist hatte kurz vor Abfahrt noch kein Visum. In einer Vorbesprechung in der SPD-Baracke im Ollenhauerhaus brachte Fricke in Gegenwart von Egon Bahr die Sache zur Sprache. Der reagierte deutlich.

"Egon Bahr, der dieses Gespräch leitete, war empört. 'Das kann's nicht geben', sagte er wörtlich - das werde ich nie vergessen - 'Die Scheiße muss vom Tisch, sonst fährt Willy nicht.'"

Am Vorabend der Abreise meldete sich die Ständige Vertretung in Bonn bei Fricke. Sein Visum läge bereit, wurde ihm telefonisch um 22 Uhr mitgeteilt. Manchmal wurden Einzelfallentscheidungen im Direktkontakt zwischen den politischen Zentralen getroffen: über den Kopf des Ständigen Vertreters in Bonn hinweg.

Dennoch waren die Statthalter Honeckers am Rhein durchaus hofierte Gesprächspartner. Reisen der drei Ständigen Vertreter in die Bundesländer hatten, so Hans Schindler in der Rückschau, "fast den Charakter von Staatsbesuchen". Schon an den Landesgrenzen wurden die Genossen in Empfang genommen und mit Eskorte in die Landeshauptstadt geschleust. Umso regelmäßiger nutzten die Genossen Kohl, Moldt und Neubauer solche Visiten und polierten damit ihren Status auf, der ihnen am Rhein, wo und wann immer es ging, klein gemacht wurde. Im Oktober 1981 war Ewald Moldt, Ständiger Vertreter von 1978 bis 1988, in Schleswig-Holstein. Gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk gab er sich ganz staatsmännisch.

"Die Deutsche Demokratische Republik bemüht sich dazu beizutragen, dass die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland normaler werden. Wir meinen, dass Normalisierung immer ein Element der Entspannung ist."

Bei deutsch-deutschen Fragen war das Bundeskanzleramt die offizielle Anlaufstelle für die Ständigen Vertreter. Dort war de facto ein Mini-Außenministerium entstanden. In der Regel wurden Fragen oder Anliegen der DDR von dort gleich weitergeleitet an das Ministerium für Innerdeutsche Beziehungen. Für die Genossen in Bonn eine akzeptable Praxis. Die Ostdeutschen ignorierten nämlich das Innerdeutsche Ministerium. Nie hatte ein DDR-Diplomat dieses Haus betreten.

Von besonderer Bedeutung für die DDR-Journalisten waren die Direktkontakte zu den Parteien, den Abgeordneten und Journalisten. In den ersten Jahren lag ein Hauch von Konspiration in der Luft, wenn sich der Leiter des Referats 210 des Auswärtigen Amtes und andere Beamte des AA mit dem Ständigen Vertreter im Lokal "Lochmühle", an der Ahr trafen. Der sogenannte "Lochmühlenkreis" löste sich erst in den achtziger Jahren langsam auf, als die Kontakte zwischen den Außenministerien offizieller wurden.

"Die CDU hatte sich immer etwas schwer getan mit Kontakten zur DDR, und es war hoch-interessant zu sehen, wie innerhalb ganz kurzer Zeit sich CDU-Politiker um Kontakte zur DDR bemühten.” "

Der Wechsel von den Oppositionsbänken auf die Regierungssessel machte es möglich. Feste Gesprächskreise - so Hans Schindler - unterhielten die Sozialdemokraten und die FDP schon länger.

Aber es gab auch geradezu kuriose Kontaktversuche. Als die DDR-Vertretung einmal die Hallesche Philharmonie in die Godesberger Stadthalle eingeladen hatte, ließ auch Hans-Dietrich Genscher fünfe gerade sein. Ohne Fahrer und Bodyguard tauchte der Außenminister plötzlich auf, um das Orchester seiner Heimatstadt zu sehen. Ein mindestens ungewöhnlicher Fall. Einer mit Folgen. Am Ende des Konzerts fuhr Genscher bei strömenden Regen auf den Ikarus-Bus der Musiker aus Halle auf. Das politische Bonn war um Diskretion bemüht, die DDR-Vertretung spielte mit. Der kleine Schaden wurde schon am nächsten Tag bar beglichen. Dennoch brachte wenige Tage später ein Boulevardblatt die Geschichte groß raus. Nun wurde in den Medien die Frage öffentlich gestellt: "Was machte der Bundesaußenminister auf einer Veranstaltung der DDR-Vertretung?"

Allzu menschliches widerfuhr auch dem einen oder anderen Genossen nach Dienstschluss. In der Gauckbehörde lassen sich handgeschriebene Entschuldigungsbriefe auffinden, in denen Ausflüge ins Rotlichtmilieu gebeichtet werden. Unter dem Datum 24. Mai 1974 und unter dem Betreffvermerk: "Verfehlung vom 23.5. zum 24.5.74", beweist der anonyme Sünder große Detailgenauigkeit bei der Schilderung seiner Erlebnisse im Bonner Etablissement "C.D. NIGHT-Club".

Ein Einzelfall. In der Regel verstanden die Genossen am Rhein wenig Spaß, wenn es um private Kontakte außerhalb der Vertretung ging. Hans Schindler, der ehemalige Gesandte.

""Also wenn ein Mitarbeiter solche Kontakte gepflegt hätte und für die keine dienstlichen Interessen vorlagen, dann hätten wir gesagt, er soll das lassen. Und wenn er das nicht gelassen hätte, wäre er nach Hause gefahren."

Disziplin-Probleme beim Personal konnten die Genossen noch alleine regeln. Machtlos waren sie hingegen gegenüber einem "unsichtbaren Feind" - der Stimme aus dem Telefon.

"Ständige Vertretung der DDR - guten Tag."
"Fräulein, wir haben Ihr Gebäude fertig gemacht zum Sprengen."
"Wie bitte?"

"Ständige Vertretung, guten Tag."
"Wenn man die Bilder im Fernsehen schaut, sieht, was Ihr mit den Menschen da drüben
macht. Ihr seid doch Faschisten durch und durch. Ich lege morgen 'ne Bombe bei Euch."

"Ständige Vertretung der DDR, guten Tag."
"Ihr Kommunistenschweine. Nur noch kurze Zeit und das kriminelle Kommunistenpack ist Legende. Und Ihr seid die ersten, die hängen."

Abgesehen von gelegentlichen Vorkommnissen dieser Art ging es in der Godesberger Allee Nummer 18 gemächlich zu. Westdeutsche Besucher allerdings kamen meist mit einem mulmigen Gefühl hierher – hartnäckig hielt sich das Gerücht, alle Räume seien verwanzt. Für den Historiker und Stasi-Spezialisten Hubertus Knabe steht heute fest: In allen Botschaften und Handelsmissionen der DDR im Westen wurde Spionage betrieben, auch in der StäV in Bonn.

"In der Bonner Vertretung der DDR gab es einen 30 qm großen Raum, wo diese Anlagen standen - 35 Tonbandgeräte, 32 Empfänger, und zusätzlich hatte die HVA einen Platz von vier Quadratmetern mit eigener operativer Technik belegt."

In den ersten Wochen nach ihrem Einzug beäugten deswegen auch Antje Gahl und ihre Kollegen von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung misstrauisch Wände und Telefone.

"Daran hat man eigentlich auch gedacht, als wir hier einzogen: Oh Gott, sind wir hier jetzt alle mit Wanzen bestückt? Wir haben nie aktiv irgendeine Wanze gesehen. Natürlich waren hier eine Menge an Elektrokabeln verlegt, die hier in den Wänden waren, die wir aber auch wieder neu verlegt haben. Also wenn man heute in den Wänden nachsieht, würden genauso wieder viele Kabel zu sehen sein. Ich weiß es nicht, ob es nur Gerüchte sind."