Die Datenretter

Von Tim Hannes Schauen · 03.04.2013
Wohin mit riesigen Datenmengen, wenn die eingebaute Computerfestplatte nicht mehr ausreicht? Die beste Wahl zur Datensicherung sind externe Festplatten, doch auch die können kaputt gehen. Dann braucht man professionelle Hilfe.
Volkmar Schmidt: "Ich habe hier meine externe Festplatte, auf der ich Unmengen von wichtigen Dateien gespeichert hatte, die ist mir einfach vom Computer gefallen und springt jetzt nicht mehr an."

Volkmar Schmidt aus Rösrath war kurz unachtsam, jetzt macht seine Festplatte bloß noch ungewöhnliche Geräusche.

Schmidt braucht professionelle Hilfe: Datenrettung!

Der Suchbegriff im Internet liefert viele Anbieter: lokale und bundesweit oder gar international tätige. Boi Feddern, Fachredakteur beim Computermagazin c't, empfiehlt jedoch, Datenretter nicht bloß nach dem Preis und der Nähe zum Wohnort auszusuchen:

"Wenn man wirklich professionelle Datenrettung will, dann muss man sich an ein größeres Labor wenden, die dann entsprechende Reinräume haben, in dem sie die Platte öffnen können, und gegebenenfalls auch Ersatzteile haben, um dann durch Austausch von Komponenten dann doch noch Daten auf einer stark zerstörten Festplatte lesen können."

In sogenannten "Reinräumen" enthält die Luft besonders wenige Staubpartikel, die hochempfindliche elektronische Bauteile beschädigen könnten. Anbieter ohne solch ein Labor verschicken die Festplatten zur Reparatur aus Kostengründen oft ins Ausland, wodurch die Datenrettung länger dauert.

Die meisten dieser Services analysieren zuerst den defekten Datenträger, was bei einigen Anbietern gratis geschieht, bei anderen für externe Festplatten 80 bis 200 Euro kostet. Bei USB-Sticks, anderen Flashspeichern oder CDs ist die Analyse günstiger. Der Preis für die eigentliche Daten-Wiederherstellung hängt dann vom defekten Medium ab, dem technischen Aufwand und dem Volumen der wiederhergestellten Daten. Für eine externe Festplatte beträgt er mindestens 200 Euro und ist nach oben offen.

Da gelte es, genau zu überlegen, meint Redakteur Boi Feddern: "Es ist nur so, dass sich der professionelle Datenretter für den privaten Nutzer oft nicht lohnt, deswegen ist das eigentlich mehr eine Sache für Unternehmen, wo jetzt auch der wirtschaftliche Erfolg des gesamten Unternehmens daran hängt, an der kaputten Festplatte vielleicht, im privaten Bereich wirklich nur, wenn's absolut unersetzliche Sachen sind, also beispielsweise morgen die Diplomarbeit abgegeben werden muss oder Bilder von einmaligen Erlebnissen, wie beispielsweise Hochzeit oder Geburt oder so weiter, wiederbeschafft werden müssen."
Nachdem Volkmar Schmidt einige Anbieter angerufen hat, entscheidet er sich für einen Kölner Datenretter-Service. Der ist nur 25 Kilometer von seinem Wohnort entfernt und hat zudem ein eigenes Labor:

"Hallo, ich würde gerne meine Daten retten lassen!"

Olexiy Ushakov öffnet, seit 2008 rettet er professionell Daten.

Schmidt: "So, da ... hammers ..."
Ushakov: "Das ist die Platte und die ist Ihnen runtergefallen?"
Schmidt: "Genau, ungefähr von Computerhöhe auf einen weichen Teppich, sodass ich eigentlich dachte, sie ginge vielleicht sogar noch."
Ushakov: "War das in Betrieb oder war die ausgeschaltet?"
Schmidt: "Sie lief, aber sie war nicht am Schreiben oder am Lesen."
Ushakov: "Okay, das heißt, es war also eine Art Standby."

Bei manchen Festplatten parken die Schreib-/Leseköpfe im Standby neben und nicht auf der empfindlichen Magnetoberfläche, und richten so bei einem Defekt auch weniger Schaden an. Doch um den zu begutachten, wird Ushakov Volkmar Schmidts Festplatte im Reinraum öffnen. Dort arbeitet er an der Elektronik, Firmware und Hardware. Kann er mit spezieller Software auf die Dateistruktur zugreifen, ist es eventuell möglich, nur bestimmte Sektoren, sprich: Bereiche auf der Platte anzusteuern.

Datenretter wie Ushakov halten Exemplare der meisten marktüblichen Laufwerke bereit, um Bauteile austauschen zu können. Fehlen mechanische Komponenten zur Instandsetzung, versucht Ushakov, eine baugleiche Platte als Teileträger zu besorgen ‒ egal woher, relativ egal wie teuer. Über das Internet kann er Ersatz aus der ganzen Welt bestellen.

Experten schätzen, dass pro Tag jede zehntausendste Festplatte einen Schaden erleidet. Das sind pro Million Computer 100 defekte Platten täglich.

Die Ursachen für Datenverlust sind unterschiedlich, sagt c't-Redakteur Feddern:

"Das kann im schlimmsten Fall passieren, wenn man die Platte runterschmeißt, dann gibt die Platte vielleicht komplett den Geist auf, das können bei externen Platten auch mal Fehler oder Defekte bei den Controllerchips sein, dass dann intern Sektoren nicht mehr lesbar sind hinterher oder alternativ auch Fehler im Dateisystem auftreten."

Einen Tag, nachdem Volkmar Schmidt seine runtergeschmissene Festplatte zum Datenretter gebracht hat, bekommt er eine E-mail:

"Jedoch leider, ich kann mal zitieren: Sehr geehrter Herr, ich kürze das ab: Auf allen magnetischen Oberflächen wurde die magnetische Schicht durch die beschädigten Schreibleseköpfe abgetragen, die Datenwiederherstellung von dem oben genannten Datenträger ist leider aus technischen Gründen nicht mehr möglich.”"

Als Schmidt nach dem Sturz die Festplatte wieder an seinen Computer anschloss, hat er sie unwissentlich endgültig zerstört: Die verbogenen Schreib-/Leseköpfe haben dabei die Magnetoberfläche zerkratzt.

Ein regelmäßiges Backup, vielleicht sogar ein doppeltes, kann solchem Ärger vorbeugen. Für Privatanwender, die ihre Daten nicht auf Internetservern, in der cloud, lagern möchten, empfiehlt Boi Feddern weiterhin externe Festplatten als Backupmedium zu verwenden:

""Alle anderen Speichermedien insbesondere Flashspeichermedien halten Daten nicht sehr lange, zudem ist die Speicherkapazität gering und die Kosten sind eben sehr hoch. Von daher ist eine Festplatte immer noch das beste Backup- und Archivmedium."
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