"Die CDU wollte uns eigentlich gar nicht"

"Da war nicht viel zu trösten", sagt Jürgen Koppelin nach der historischen Wahlniederlage.
"Da war nicht viel zu trösten", sagt Jürgen Koppelin nach der historischen Wahlniederlage. © Deutscher Bundestag
Jürgen Koppelin im Gespräch mit Nana Brink · 23.09.2013
Der FDP-Politiker Jürgen Koppelin macht neben der eigenen Partei auch die Union für das desaströse Wahlergebnis der Liberalen bei der Bundestagswahl verantwortlich. Die schwarz-gelbe Koalition sei keine "Liebesheirat" gewesen. Zudem sei die FDP nicht der "Liebling der Medien" gewesen.
Nana Brink: Es ist ein schwarzer Tag für den politisch verfassten Liberalismus in Deutschland - zumindest war es gestern eine schwarze Nacht. Die FDP wird vorerst nicht mehr im Bundestag vertreten sein - nach 60 Jahren. Jürgen Koppelin, seit 1990 für die FDP im Bundestag, kehrt auch nicht mehr in den Bundestag damit zurück. Er hat auch nicht mehr kandidiert. Aber erst mal einen schönen guten Morgen!

Jürgen Koppelin: Ja, guten Morgen!

Brink: Wie lang war denn Ihre Nacht?

Koppelin: Ach, die war recht lang. Ich hab mit meinen Mitarbeitern zusammengesessen, wir haben natürlich über das Ergebnis gesprochen. Dann hat eine meiner Töchter noch aus dem Ausland angerufen, wollte ihren Vater ein bisschen trösten. Dann hat meine Frau angerufen, und wie das dann so ist. Und dann habe ich natürlich auch schon ...

Brink: Hat sie es geschafft?

Koppelin: Da war nicht viel zu trösten, ich hab‘ schon von vornherein gesehen, dass es sehr schwer für die FDP wird. Aber dass die FDP nicht wieder reinkommt, damit habe ich natürlich nicht gerechnet, das muss ich schon sagen.

Und natürlich habe ich mit meinem Freund Wolfgang Kubicki lange gesprochen, und das geht auch heute Morgen weiter, denn ich bin der Auffassung, dass sowohl er wie auch Christian Lindner wichtige Aufgaben jetzt in der Bundespartei übernehmen müssen.

Brink: Darauf kommen wir gleich noch zu sprechen. Nicht nur Sie werden ja Ihre Kisten packen, auch Ihre Parteikollegen müssen Ihre Büros im Bundestag räumen. Wie bitter ist das für Sie am Ende Ihrer Bundestagskarriere?

"Ich habe mein Büro bereits geräumt"
Koppelin: Das ist für die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt ausscheiden, die nicht damit gerechnet haben, sehr bitter. Bei mir ist das nicht so entscheidend. Ich habe mein Büro bereits ausgeräumt.

Brink: Um mal jetzt ihren guten Freund, Kubicki, wie Sie schon gesagt haben, auch noch mal zu zitieren. Er hat gestern gesagt, ich finde das eine beachtliche Leistung, dass man mit 5 Ministern der größten Bundestagsfraktion aller Zeiten innerhalb von 4 Jahren die FDP von 14,6 auf 5 Prozent oder darunter bringt.

Koppelin: Ja gut, das hat er gesagt. Es ist nicht meine Aufgabe, jetzt Steine hinterherzuwerfen. Ich kann nur feststellen, und das hat ja auch dann zu Problemen geführt auch für mich selber, weil ich darauf aufmerksam gemacht habe, dass in der Legislatur einiges schief. Das haben andere so nicht gesehen, und dadurch habe ich ja zum Beispiel meinen stellvertretenden Fraktionsvorsitz verloren. Weil ich der Auffassung war, es hätte auch eine etwas andere Politik durch die FDP präsentiert werden müssen. Es geht nicht allein um Minister.

Ich habe zum Beispiel vor Jahren schon gesagt, wir müssen uns mit dem Thema Mindestlohn beschäftigen, wir müssen uns mit Werksverträgen beschäftigen. Es gab weitere Themen, und das hat man nicht so gern gesehen. Und die Ergebnisse in den ostdeutschen Ländern zeigen ja, und das ist ja das Entscheidende, die ostdeutschen Länder haben ja dazu geführt, dass die FDP nicht wieder rein kam. Und dass wir unter fünf Prozent bleiben.

Denn in den westdeutschen Ländern sind wir überall über fünf Prozent, glaube ich. Also, man wollte sich damals, mit der damaligen Fraktionsführung, nicht damit beschäftigen. Erst Rainer Brüderle hat dann die Themen aufgegriffen, nur das war dann schon zu spät.

Brink: Mal abgesehen von der Mindestlohndebatte - was ist denn sonst noch schief gelaufen, Ihrer Meinung nach?

Koppelin: Schief gelaufen ist vor allem bei uns zu Beginn der Legislatur das Gefühl, das wird jetzt eine Liebesheirat mit der CDU und die wollen uns auch. War aber gar nicht so, die CDU wollte uns eigentlich gar nicht, die wär‘ gerne in der Großen Koalition geblieben.

Denn das muss man natürlich sehen, die Parteien, die jetzt im Deutschen Bundestag sind, das sind alles Parteien, die man als sozialdemokratisch, will ich mal so sagen, bezeichnen kann. Nach dem Motto, wir verteilen mal, woher es kommt, ist nicht ganz so wichtig. Es gibt ja auch den großen Arbeitnehmerflügel innerhalb der Union, der jetzt sicher mehr Einfluss haben wird.

Brink: Ist der politische Liberalismus damit am Ende? Oder übernehmen das jetzt andere?

Koppelin: Der politische Liberalismus ist nicht am Ende. Natürlich gibt es den politischen Liberalismus in anderen Parteien auch, aber er ist dort in der Minderheit. Und ich sage das mal an einem Beispiel, das hat ja im Wahlkampf eine Rolle gespielt: Speicherung von Daten und all diese Dinge, ja, da gab es den großen Otto-Katalog, Otto Schily, SPD und Grüne haben das damals beschlossen, mögen die Grünen heute gar nicht mehr hören, aber die FDP war die einzige Partei, die dagegen war, und das haben sogar – Frau Leutheusser und andere haben dagegen geklagt beim Verfassungsgericht.

Brink: Aber Sie konnten da ja nie damit richtig punkten oder das auch nach vorne schieben, ja, das war doch mit ein Grund.

Koppelin: Das ist richtig. Natürlich hat die FDP ein weiteres Problem gehabt und teilweise selbst verursacht. Die FDP war bestimmt nicht der Liebling der Medien, sondern ...

Brink: Das ist auch ein bisschen hausgemacht gewesen, nicht?

FDP-Mitglieder sind erschrocken über das Abschneiden ihrer Partei bei der Bundestagswahl
FDP-Mitglieder zeigen sich erschrocken über das Abschneiden ihrer Partei bei der Bundestagswahl.© dpa / Britta Pedersen
"Ich will jetzt hier nicht Namen nennen"
Koppelin: Ein bisschen hausgemacht. Wir haben Vorlagen geliefert, aber es ist schon so, dass in den Medien, auch in den Fernsehsendungen jetzt vor der Wahl, na ja, also, man konnte schon auf die FDP reinhauen.

Ich nenn‘ einfach ein Beispiel, ich komme wieder auf meinen Freund Kubicki. Der war in der Sendung "Anne Will". Die lässt ihn gar nicht ausreden, nicht mal einen Satz zu Ende. Und die Kollegin von der SPD, aus Meck-Pomm, die kann alles erzählen, was sie will, die betet das ganze Programm runter, da sagt Frau Will nichts. Und das könnte ich an anderen Sendungen fortsetzen.

Aber wie gesagt, die FDP, wir wollen die Schuld nicht anderen geben, die FDP hat das größtenteils mit selbst verschuldet. Da gibt es keinen Weg dran vorbei.

Brink: Sie haben es am Anfang schon gesagt, was werden die führenden Köpfe sein? Jemand wie Lindner oder auch Wolfgang Kubicki?

Koppelin: Also ich will jetzt hier nicht Namen nennen, aber Sie haben eben auch schon zwei genannt, die jetzt bestimmt, wenn sie wollen, eine ganz, ganz wichtige Rolle spielen müssen. Wenn die FDP wieder eine Chance haben soll als die Partei des politischen Liberalismus in Deutschland.

Brink: Also der Parteichef, der jetzige, und auch Herr Brüderle werden abtreten?

Koppelin: Das weiß ich nicht, das müssen die selber entscheiden. Beide haben auch gesagt, sie übernehmen die Verantwortung, und Verantwortung heißt dann natürlich auch, Konsequenzen zu ziehen.

Brink: Was sind Ihre Pläne? Kann man nach 23 Jahren einfach so aufhören?

Koppelin: Nein. Aber nicht in Politik, das hatte ich vorher immer schon gesagt. Ich bin sehr engagiert in Thailand, auch durch die Freundschaft mit dem thailändischen Königshaus. Ich werde Vorlesungen in Bangkok an einer großen Universität halten, das habe ich in der Vergangenheit schon ein bisschen gemacht.

Und ich hab mir vorgenommen, ein Drehbuch für einen Krimi zu schreiben. Und ich hab es schon mehrfach gesagt, zwei Tote wird es geben, ein Toter ist ein Journalist.

Brink: Und der nächste die FDP?

Koppelin: Nein. Das wäre ja eine Organisation. Es geht um Personen, bei Krimis geht es um Personen, die da liegen.

Brink: Wir sind gespannt, die Dramatik ist hoch. Jürgen Koppelin, herzlichen Dank!

Koppelin: Bitteschön, schönen Tag noch!

Brink: Ja, schönen Tag für Sie auch. Seit 1990 für die FDP im Bundestag, und er kehrt nicht mehr in den Bundestag zurück.


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