Die Berliner Philharmoniker während des Nationalsozialismus

Von Jens Brüning · 31.10.2007
Joseph Goebbels machte aus den international bekannten Berliner Philharmonikern eine staatliche Einrichtung. Die jüdischen Musiker mussten gehen und das Programm wurde auf die Propaganda abgestimmt. Zum 125-jährigen Bestehen wirft der Film "Das Reichsorchester", der jetzt ins Kino kommt, einen kritischen Blick zurück in die Geschichte.
Wilhelm Furtwängler stand am Dirigentenpult, Johannes Bastiaan war Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen. Joseph Goebbels erkannte sofort die Propagandawirkung dieses weltweit führenden Orchesters. Die Berliner Philharmoniker standen damals unmittelbar vor dem finanziellen Ruin. Goebbels machte aus der Privatfirma eine staatliche Einrichtung. Das hatte sofort Folgen.

Johannes Bastiaan: " Wir machten unsere Musik und haben nur uns gewundert am Anfang natürlich, dass gerade die wichtigen und sehr netten Kollegen gehen mussten. Wir hatten ja auch nicht viel, aber doch einige wichtige jüdische Mitglieder. Der Erste Konzertmeister Goldberg an erster Stelle. Dann der Cellist Schuster, der natürlich auch gehen musste aufgrund der Tatsache, dass er Jude war. "

Andererseits blieben die Orchestermusiker ziemlich Partei-, ja Politik-fern.

Erich Hartmann, Kontrabassist seit 1943: " Es gab ja auch einige echte Nazis im Orchester. Aber der überwiegende Teil, der war normal. Da konnte man als Kollege sprechen, wie Kollege zu Kollege, und mit denen sprach man dann nicht, mit diesen sogenannten Nazis, die doch mit drin waren. Es gab einige. Aber höchstens eine Handvoll, mehr nicht. Und das war prozentual gerechnet, sehr wenig. Also, von einem Naziorchester kann man da noch lange nicht reden. "

Das Orchester aber machte Propaganda für das Regime, spielte zum Geburtstag Adolf Hitlers vor uniformiertem Publikum und reiste als Botschafter der deutschen Kultur im Ausland herum. Konzerte fanden bis kurz vor Kriegsende statt.

Johannes Bastiaan, damals Konzertmeister der Berliner Philharmoniker: " Ja, wir wussten ja auch, dass wir im Grunde genommen auch dafür da waren, gute Musik darzubieten, wenn draußen schon die Bomben fielen. "

Hellmuth Stern war 1938 mit seinen Eltern aus Berlin nach China geflohen, um der Judenverfolgung zu entgehen. Seit 1961 saß er bis zu seiner Pensionierung als Philharmoniker am ersten Pult der Violinen:

" Und ich habe dann auch nie gefragt und ich bedaure das heute noch. Ich finde das entsetzlich: Wie war das möglich? "

Insofern ist das Philharmonische Orchester Berlin ein durch und durch deutsches Orchester. Das Kapitel, das der 125-jährigen Geschichte der Philharmoniker durch seine tiefen Schatten Kontur gibt, erzählt Enrique Sánchez Lansch mit diesem Film.
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