Die bedrohte Insel

Von Dietrich Mohaupt · 18.07.2013
Die Kraft der Wellen, die in Helgoland anbranden, ist gewaltig. Das macht den Küstenschutz so schwierig und auch sehr teuer. Eigentlich ist der Bund dafür verantwortlich, doch Verkehrsminister Peter Ramsauer sieht das Land Schleswig-Holstein in der Pflicht. Das Land wehrt sich heftig - nicht zuletzt wegen Helgolands Geschichte.
Drei, vielleicht vier Meter hoch sind die Wellen, die bei frischem Wind aus Nordwest auf Deutschlands einzige Hochseeinsel Helgoland zurollen. An der Westseite der Insel treffen sie auf den roten Felsen – bei Sturm kann das schon mal ein faszinierendes Schauspiel sein. Aber bei richtig schweren Stürmen ist es mit der Faszination schnell vorbei – die tobende Nordsee kann zu einer echten Bedrohung für die Insel werden, betont Hans Stühmer. Fast 40 Jahre lang war er Leiter des Außenbezirks Helgoland der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes – in dieser Zeit hat er einiges erlebt auf dem roten Felsen rund 50 Kilometer vor der schleswig-holsteinischen Westküste.

"Viele sagen: Nun rede kein Katastrophenszenario herbei – das tue ich ja absolut nicht. Nur – es steht ja nirgends geschrieben, dass wir nicht wirklich mal wieder eine ganz, ganz schwere Sturmflut kriegen, wie wir sie noch nie gehabt haben. Ich habe selber drei erlebt, oder vier erlebt, auf Helgoland, seit langer Zeit haben wir keine gehabt – aber jederzeit kann so eine Katastrophe wiederkommen. Und wir wissen alle, dass die See immer höher wird – wir haben auf einmal, nach einem kurzen Sturm, nach kurzer Zeit, schon hohe See. Und viele sagen: Wie kann das angehen? Es tut sich was auch bei uns in der Nordsee – und ich möchte nicht erleben, dass hier auf einmal etwas passiert, was wir nicht so gerne sehen würden."

Ein massives Bollwerk aus verschiedenen Bauwerken bietet Helgoland Schutz vor den Urgewalten der See. Hans Stühmer steht auf dem sogenannten "Kringel" – eine breite vorgelagerte Fläche aus Geröll, direkt zu Fuße der Felsklippe. Ein Überbleibsel des "Big Bang". Nach dem 2. Weltkrieg hatten die britischen Besatzungskräfte hier einige tausend Tonnen Munition und Bomben in den Bunkergängen im Fels von Helgoland in die Luft gejagt, und so diesen "Kringel" geschaffen, erläutert Hans Stühmer.

"Das ist die westliche Sprenghalde von der großen Sprengung 1947. Es gab zwei dieser Halden, einmal hier zum Westen hin und einmal zum Osten hin. Im Osten war der gesamte Binnenhafen, damals noch Scheibenhafen genannt, zu – den Binnenhafen hat man natürlich wieder geräumt und man hatte auch hier schon mal angefangen, was abzuräumen, aber da habe ich gesagt: Leute lasst die Finger davon, wenn wir jetzt hier eine Scharte bauen, dass der Wind oder der Sturm von Westen durch das Mittelland streichen kann, dann ist diese Scharte sehr schnell aufgeweitet."

Normale Deiche reichen hier nicht
Man hat damals darauf verzichtet, den "Kringel" weiter abzuräumen – heute ist er Teil des Uferschutzes von Helgoland, und ein kleines Naturparadies. Vom berühmten Helgoländer Lummenfelsen weht leise der Wind das Geschrei Tausender dort brütender Seevögel herüber. Als Naturschutzbeauftragter von Helgoland gerät Hans Stühmer da schnell mal ins Schwärmen.

"Es gibt hier die wilde Rübe, die Stammmutter aller Rüben – soweit ich weiß, ist Helgoland einziger Wildstandort – es gibt hier, jetzt zur Zeit gerade wunderschön blühend den Helgoländer Klippenkohl, die Margerite blüht oben, es sieht fast aus als hätten wir Schnee an den Hängen, es ist für mich eine wunderbare Landschaft, die man sehr gut nutzen kann auch zum Beobachten von Vögeln, zum Beobachten von Blumen und so weiter und so fort – es ist eine schöne Ecke."

Nach dem kurzen Abstecher zu den Naturschönheiten des "Kringels" widmet sich Hans Stühmer schnell wieder dem Thema Küsten- bzw. Uferschutz auf Helgoland. Eine massive Mauer umschließt die Geröllfläche zum Schutz vor dem Wasser. Ganz normale Deiche wie auf dem Festland gibt es hier nicht – mitten in der Nordsee muss schon was anderes her.

"Wir müssen schwere Seebauwerke aus Stahlbeton bauen. Die sind tief gegründet, zum Teil mit außen liegenden Spundwänden und so weiter. Sie werden weiterhin geschützt durch Tetrapoden, die nicht als Stützkörper dienen, sondern sie dienen einzig und allein der Wellenenergievernichtung – wenn hier eine Welle über diese Tetrapoden hinweg läuft, dann entweicht die in dem Packwerk enthaltene Luft explosionsartig nach oben, zerteilt die Welle – das rummelt gewaltig, man meint immer, es ist Gewitter im Anzug, und dann ist die Kraft dieser Welle gebrochen. Was schon an Land war schon fällt wieder zurück und was von See kommt klatscht mit dem Ende zusammen und dann sprudelt es noch mal gewaltig und dann sind 80 bis 90 Prozent der Wellenenergie vernichtet."

Wer sich eine Weile anschaut, wie die Wellen über die Wälle aus den vierarmigen tonnenschweren Betontetrapoden hinweg an die Mauer krachen, der bekommt einen ganz guten Eindruck von der Urgewalt, die in diesen Brechern steckt – selbst bei eher ruhigen Wetterbedingungen. Diesen Kräften ist eine einfache Mauer nicht gewachsen.

"Wir sind gehalten, schwerste Bauwerke hier vorzuhalten – wir haben unten Klippe, auch dort kann man nicht einfach sagen: Ja, setz da irgendwas hin, es muss alles entsprechend gegründet werden, es ist äußerst schwierig auf Helgoland einen Küstenschutz zu betreiben."

Und vor allem ist es richtig teuer – schon zehn Meter einfache Hafenmole kosten gut eine Million Euro. Auch deshalb wehrt sich gut 150 Kilometer weiter östlich in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel Umweltminister Robert Habeck vehement gegen die Pläne von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, die Zuständigkeiten für den Küstenschutz auf Helgoland vom Bund hin zum Land abzuwälzen.

"Nach dem Wasserstraßengesetz des Bundes – das regelt eigentlich im Normalfall die Pflege und Sicherstellung der Verkehrswege zu Wasser – hat der Bund nach § 8 auch die Pflicht, die Hafenanlage, die Mole und den Schutz des Sockels der Insel zu übernehmen. Das ist damals in diesem Gesetz geregelt worden, also es ist ein Gesetz – und da kommt er auch nicht von runter."

Die Insel wurde nach dem Krieg zum Symbol der Versöhnung
Der Schutz des Sockels der Insel – diese Formulierung im Gesetz ist für Robert Habeck ganz entscheidend. Zusätzlich zu dieser gesetzlichen Regelung gebe es noch einen sogenannten Übereignungsvertrag, mit dem das Land Grundstücke auf Helgoland an den Bund übergeben hat – und als Gegenleistung eben die Zusicherung erhielt, dass der Bund sich um den Uferschutz auf der Insel kümmern werde.

"In der Tat ist es so: Der Bund hat in den 60er Jahren eine Verantwortung für Helgoland übernommen. Und zwar nicht, weil der Bund so ein netter Mensch ist, sondern weil ein Tausch damals vorgenommen wurde – Grundstück gegen Schutzrechte, die der Bund damals übernommen hat. Also – sowohl gesetzlich wie vertraglich ist der Bund in einer Verpflichtung, und die sollte jetzt einseitig aufgekündigt werden. Das kann erstmal nicht so sein, dass man einfach sagt: Ich mach das nicht mehr. Und zweitens wäre es auch völlig falsch das so zu tun – weil Helgoland ganz einfach tatsächlich ein besonderes Symbol ist."

Noch einmal kurz der Blick zurück in die Geschichte: Im April 1945, drei Wochen vor Ende des Zweiten Weltkriegs, legten knapp 1.000 britische Bomber in zwei Angriffswellen Helgoland in Schutt und Asche, 2.500 Insulaner mussten auf das Festland umsiedeln. Am 11. Mai besetzten dann britische Soldaten die Insel. Erst am 1. März 1952 gab Großbritannien Helgoland wieder an Deutschland zurück – ein Ereignis, das Bundeskanzler Konrad Adenauer damals in einer Rundfunkansprache als wichtiges Symbol für die Versöhnung beider Völker würdigte.

"Helgoland, das im Zeitabschnitt des Auseinanderfallens der europäischen Nationen zu einer Seefestung ausgestaltet wurde, wir in Zukunft sich friedlichen Aufgaben widmen können. Wir alle haben die Überzeugung in uns, dass die Zeit der Selbstzerfleischung der Völker der westlichen Welt ein für alle Mal der Vergangenheit angehören muss. Das friedliche Helgoland, im Meere zwischen Deutschland und England gelegen, wird in Zukunft Wahrzeichen für den Friedens- und Freundschaftswillen beider Nationen sein."

Helgoland als Wahrzeichen, als nationales Symbol – was Adenauer damals formuliert habe, das schlage sich in einer in einer ganz besonderen Verantwortung des Bundes für die Insel nieder, betont Robert Habeck.

"Vielleicht weiß Ramsauer auch als Bayer nicht so genau, wo Helgoland liegt oder was die Geschichte der Insel ist – jedenfalls ist das für uns nicht diskutierbar."

Rote Felsklippen an der Küste Helgolands
Rote Felsklippen an der Küste Helgolands© Thilo Schmidt
Der Verkehrsminister fährt schweres juristisches Geschütz auf
Bis heute unterhält der Bund außerdem diverse öffentliche Einrichtungen auf Helgoland – das reicht von Hafenanlagen des Verkehrsministeriums über Landeplätze für Rettungshubschrauber des Verteidigungsministeriums bis hin zur Beteiligung des Forschungsministeriums an der Biologischen Anstalt im Alfred-Wegener-Institut. All das verpflichte den Bund, auch weiterhin seiner Verantwortung für die Insel nachzukommen, fordert auch der Bürgermeister der Gemeinde Helgoland, Jörg Singer.

"Also – die Bürger sind natürlich stark verunsichert, und ich habe ja auch schon gesagt, wenn wir noch britisch wären: I’m not amused – über den Streit zwischen dem Land und dem Bund. Helgoland war immer schon eine nationale Aufgabe. Wir haben einen Schutz- und Sicherheitshafen, wir haben einen Leuchtturm, wir haben militärische Anlagen – über 100 Arbeitsplätze hängen an der Bundesrepublik, Forschung, Wasser- und Schifffahrtsamt beispielsweise, Zoll – und von daher hat mich das schon irritiert, als das Bundesverkehrsministerium gesagt hat, dass es nicht mehr für den Küstenschutz aufkommt."

Dabei hat Minister Peter Ramsauer doch ganz genau erklärt, warum er mit seinem Ressort künftig nicht mehr für den Küstenschutz auf Helgoland verantwortlich sein will. Mitte Mai hat er seinem "sehr geehrten Kollegen Habeck" einen Brief geschrieben und ihm seine Sicht der Dinge sehr ausführlich dargelegt. Da ist unter anderem die Rede von der Verwaltungskompetenz des Bundes, die sich auf die Bundeswasserstraßen in ihrer Verkehrsfunktion beschränke – deshalb, so Ramsauer weiter, müssen auch die Unterhaltungsaufgaben – "…einen Verkehrsbezug aufweisen. Die Sicherung des Bestandes der Insel Helgoland ist also nicht Bundesaufgabe, soweit sie für den allgemeinen Hochwasser- und Inselschutz erforderlich ist."

Da wird schweres juristisches Geschütz aufgefahren – der Brief ist gespickt mit Verweisen auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts und einschlägige Kommentare zum Wasserstraßengesetz des Bundes.

Auf Helgoland kann Hans Stühmer den Hintergrund für diese juristische Haarspalterei genau erläutern. Er klettert auf die massive Uferschutzmauer im Südwesten der Insel – zu seinen Füßen tost die Brandung, vor ihm ragt die steile Klippe des gewachsenen Buntsandstein-Felsens in den Himmel, das Gestein, aus dem die Hauptinsel besteht. Stühmer zeigt Richtung Süden, wo sich ein künstlich aufgespültes Gelände ins Meer ausbreitet – ein zangenförmiges Gebilde in dessen Armen der bereits erwähnte Schutz- und Sicherheitshafen liegt. Der ist, wie gesagt, Eigentum des Bundes, der auch zuständig ist für den Unterhalt der Hafenanlagen und Molen. Und er ist bisher auch zuständig für den Unterhalt der Mauer, auf der Hans Stühmer steht. Die schützt nämlich eine der empfindlichsten Stellen der gesamten Insel – damit sich nicht wiederholt, was vor einigen hundert Jahren mit der schmalen Landverbindung zu der östlich vor Helgoland liegenden Düne passiert ist.

"Es ist hier der Übergang von der alten Felseninsel – hier hinter uns sehen wir noch die alte Südspitze – und dann kommt das Südhafengelände. Und das ist die engste Stelle auf Helgoland – sie sieht stabil aus, aber wir hatten auch mal eine Sturmflut 1721 als der Wall zur Düne wegbrach, der auch nicht aus Pappe bestand, sondern aus schwerstem eiszeitlichen Geschiebe, aus Geröll. Dieser Wall war breit und groß und mächtig – und er ist bei einer riesigen Sturmflut abgetragen worden. Genauso besteht auch hier die Möglichkeit, wenn es ganz, ganz hart kommt und man diese Ecke nicht schützt, dass hier ein Durchbruch erfolgt."

Millionen von Tonnen Wasser
Die Nordsee könnte in so einem Fall den gesamten Südhafen quasi von seinem Landzugang her überrollen und damit Bundeseigentum zerstören. Um das zu verhindern, hat der Bund erst vor einigen Jahren die Flutschutzmauer westlich des Hafens aufwändig saniert. Direkt hinter dieser Mauer verläuft eine breite Rinne – schnurgerade wie eine Autobahn. Auch diese Rinne ist Teil der Uferschutzmaßnahme, die den bundeseigenen Südhafen im Fall einer Sturmflut vor den Wassermassen der Nordsee bewahren soll. Denn – bei entsprechender Windstärke schlagen immer wieder große Brecher über den Tetrapodenwall und die Schutzmauer.

"Das überkommende Wasser muss ja irgendwo hin – es fließt in dieser Rinne ab zum westlichen Teil des Vorhafens. Wenn Sie am unteren Ende dieser Rinne stehen, und wir haben richtig schlechtes Wetter, dann stehen Sie bis zum Bauch und noch mehr im Wasser, das mit großer Geschwindigkeit zum Hafen wieder rausströmt. Wäre diese Rinne nicht dort, würde dieses Wasser – Millionen von Tonnen – über das ganze Südhafengelände fließen und würde dort alles zerstören, was man sich dort in mühseliger Arbeit erbaut hat. Es wäre eine Katastrophe für das Südhafengelände."

Um genau diese möglichen Folgen einer schweren Sturmflut zu verhindern investiert der Bund auch immer wieder eine ganze Menge Geld in den Uferschutz an der Südwestseite Helgolands. Erst vor ein paar Jahren wurde zum Beispiel eine neue Spundwand gebaut – für satte 4,5 Millionen Euro. Dass ein Bundesminister da schon mal ins Grübeln gerät, kann sogar Inselbürgermeister Jörg Singer nachvollziehen.

"Ich kann – persönlich – Herrn Ramsauer gut verstehen, aber man darf uns nicht auf Kosten reduzieren und von daher würde ich mir schon wünschen, dass der Bund und meine Landesregierung an einen Tisch kommen. Ich fände das schon sehr schade, wenn die Bundesregierung einfach sagt, dass sie mit uns nichts mehr zu tun haben will – das würde mich dann doch schon sehr stark stören."


Unter dem Strich lässt sich gar nicht so leicht beziffern, wie viel der Bund durchschnittlich im Jahr für den Schutz der Insel ausgibt – grob geschätzt seien das wohl in den letzten zehn bis 15 Jahren an die 2 Millionen Euro pro Jahr gewesen, heißt es aus dem Kieler Umweltministerium. Minister Habeck verspürt tatsächlich nur wenig Lust, sich künftig in seinem Ressort mit solchen Summen zu beschäftigen.

"Es ist so, dass einige Sicherungsanlagen dringend renovierungsbedürftig sind – die wurden eben in den letzten Jahren nicht renoviert, das dürfte auch – denke ich – Auslöser oder Antriebsfeder für Ramsauer gewesen sein. Also, da reden wir schon über Millionensummen, die jetzt demnächst verbaut werden müssen, und – na ja gut, das ist eben auch ein Stück weit – wie soll ich das sagen – nicht lauter, wenn man sich jahrelang dafür feiern lässt, dass man für die Insel da ist, und von nationalen Symbolen redet und sich damit schmückt, aber in dem Moment wo es dann auch was kostet, sich in die Büsche schlagen will."

Junge Robben bersten nicht gerade vor Aktivität.
Junge Robben bersten nicht gerade vor Aktivität.© Franz Lerchenmüller
Ein erheblicher Kostenfaktor
Immerhin sei Schleswig-Holstein ja schon für den Hochwasserschutz auf Helgoland zuständig – vor zwei Jahren zum Beispiel habe das Land fast eine Million Euro für ein Stück Hochwassermauer auf der Insel bezahlt, und die östlich vorgelagerte Badedüne sei mit Tetrapoden als Wellenbrecher zusätzlich gesichert worden – Kostenpunkt ebenfalls rund eine Million Euro, teilt eine Sprecherin des Umweltministeriums mit.

Gerade der Schutz der Düne mit dem Flugplatz sei ein erheblicher Kostenfaktor, weil sie überwiegend aus Sand bestehe, der nur schwer an Ort und Stelle zu halten sei, erklärt Arfst Hinrichsen vom Landesbetrieb Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein, kurz LKN.

"Dieser Sand wird von großen Buhnen, die es auf Helgoland gibt, gehalten – ansonsten sind die Strömungen zwischen Hauptinsel und der Düneninsel relativ groß und würden den Sand auch relativ schnell abtragen. Es gibt ja keinen beruhigten Bereich hinter der Insel, sondern die Insel wird ja komplett umströmt, so dass die Seegangsenergie mit voller Wucht auf die Insel prallt, so dass man dort auch Unterhaltungsarbeiten hat, um den Sand auch dort zu halten."

Diese Unterhaltungsarbeiten zur Sicherung der Düne und der Hochwasserschutz auf Helgoland – das seien die Aufgaben des Landes. Der Schutz des Felssockels der Hauptinsel dagegen müsse weiterhin in der Verantwortung des Bundes bleiben – ohne wenn und aber, bekräftigt auch der Inselbürgermeister Jörg Singer noch einmal seine Forderung. Klar – im Normalfall ist Küstenschutz Ländersache, aber Helgoland ist eben kein Normalfall, betont er.

"Ich bin zwar kein Jurist, aber ich habe dann auch mal in die Gesetzbücher geschaut – natürlich, um zu schauen wie die Grundlagen sind. Und es sind drei Inseln – Wangerooge, Borkum und Helgoland – wo ganz klar drin steht im Bundeswasserstraßengesetz, dass die Bundesrepublik Deutschland für den Unterhalt des Sockelschutzes dieser drei Inseln die Verantwortung trägt, das in der Zuständigkeit liegt. Gut – das kann der Bundestag vielleicht ändern, aber da ist die Frage, wie das funktionieren kann."

Das kann eventuell sogar ohne Bundestag funktionieren – befürchtet dagegen Hans Stühmer. An den aktuellen Plänen des Bundesverkehrsministeriums trage sogar der Bürgermeister selbst eine gewisse Mitschuld. Der nutze doch jede Gelegenheit, für den Ausbau des bisherigen Nothafens im Süden der Insel – betrieben und unterhalten vom Bund – zum Servicehafen für die Offshore-Windparks in der Nordsee zu werben. Der Südhafen verliere so zunehmend seinen Charakter als Schutz- und Sicherheitshafen, warnt er, das habe schon für andere Häfen drastische Auswirkungen gehabt.

"Wir hatten ja mehrere Schutz- und Sicherheitshäfen – damals noch Nothäfen genannt – das war Borkum, List auf Sylt und Helgoland. Borkum und List sind aufgelassen worden nach dem Motto: Wir werfen den Schlüssel hinter uns, mag ihn aufheben wer will – dort, wie gesagt, gab es nicht mehr die Veranlassung, einen Schutzhafen vorzuhalten. Wenn jetzt propagiert wird, unser Südhafen wird ja in Zukunft Versorgungshafen für die Windkraft, dann sagt Herr Ramsauer, zu Recht: Oh, das ist ja schön, dann ist das ja kein Nothafen mehr, kein Schutz- und Sicherheitshafen mehr, jetzt ist es ein sogenannter Liegehafen – wir werfen den Schlüssel hinter uns."

Die Bemühungen des Bürgermeisters könnten ein Eigentor werden
Kein Schutz- und Sicherheitshafen, keine Verantwortung des Bundes mehr – so könnte Berlin demnächst argumentieren, befürchtet Hans Stühmer. Und das hätte dann auch Auswirkungen auf die im Gesetz festgeschriebene Verantwortung des Bundes für den Schutz des Helgoländer Felssockels – denn der lag dem Bund ja in erster Linie am Herzen, weil damit auch der bundeseigene Hafen geschützt wurde. Die intensiven Bemühungen des Bürgermeisters um den Ausbau Helgolands als Offshore-Servicehafen könnten sich als klassisches Eigentor erweisen.

"Ich befürchte sehr stark, auf Grund dieser Diskussion die sich jetzt abspielt, dass auch der Hafen demnächst ins Blickfeld des Ministers gerät und er auch darüber nachdenkt, ob man dann den ganzen Hafen nicht loslässt."

Worüber der Bundesverkehrsminister in Berlin derzeit gerade nachdenkt – oder auch in Zukunft vielleicht noch nachdenken könnte – das bereitet dem schleswig-holsteinischen Umweltminister Robert Habeck keine allzu große Sorgen. Er hat den Brief mit den Plänen Peter Ramsauers zur Kenntnis genommen, beantwortet – und viel mehr gebe es zu der Angelegenheit eigentlich gar nicht zu sagen, meint er. Seit dem Briefwechsel habe sich auch nichts getan.

"Ich kenne keinen aktuell neuen oder anderen Verfahrensstand. Ich glaube, es war – ehrlich gesagt – mal so ein Versuch, also … vielleicht nennt man das Testballon oder so etwas – vielleicht war es eher so "Bitte, bitte" – und wir haben "Nein" gesagt, warum sollten wir auch "Ja" sagen an der Stelle. Also – meine Auffassung ist: Ramsauer oder die Bundesregierung kann das nicht alleine entscheiden, ohne uns geht das nicht – und mit uns wird es auch nicht funktionieren, also insofern ist für mich die Diskussion an der Stelle beendet – das wird nix werden."

In der Bundeshauptstadt dagegen hält man die Diskussion noch lange nicht für beendet. Es herrsche zwar eben Funkstille zwischen Kiel und Berlin – aber man habe weitere Gespräche vereinbart, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium, wenn aktuelle Entscheidungen in der Sache zu treffen sind. Die scheinen derzeit aber nicht anzustehen.
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