Die Aura der Schlösser

Über das fürstliche Erbe in der Demokratie

Ensemble des Dresdner Residenzschlosses
Residenzschloss in Dresden © dpa / picture alliance / Ralf Hirschberger
Von Adolf Stock · 18.02.2015
In Berlin wird das Schloss wieder aufgebaut. Im Frühjahr soll Richtfest sein. Gegner und Befürworter streiten, doch Berlin ist ein Sonderfall. In aller Regel sind Schösser - auch Neubauten wie in Dresden oder Potsdam - gut gelitten.
Schlösser werden als Teil des kulturellen Erbes wahrgenommen, auch wenn sie mit dem Sturz der Monarchie und der Fürstenherrschaften 1918 in Deutschland ihre alte Funktion als Herrschaftssitz verloren haben. In der frühen DDR wurden einige abgerissen, weil man damit demonstrieren wollte, den Feudalimus überwunden zu haben. Aber auch im demokratischen Staatswesen ist der Umgang mit dem fürstlichen Erbe nicht so einfach.

Welche Rolle spielen Schlösser in der Republik? Woher kommt das aktuelle Verlangen, zerstörte Schlösser wiederaufzubauen? Für die Tourismusindustrie sind sie als Anziehungspunkte interessant. Doch nicht nur das: Bei einer Fachtagung im thüringischen Dornburg im Herbst 2014 war die identitätsstiftende Rolle der Schlossbauten ein zentrales Thema. Ein prominentes Beispiel liefert Berlin.
In Berlin entsteht eine Fassade, die an ein Schloss erinnert
Ein Schloss wird gebaut. In Sichtweite zum Brandenburger Tor, im Zentrum der Hauptstadt. Eine fürstliche Fassade für die Republik: ein Vorhaben, das Widerspruch ausgelöst hat und dem der Widerspruch innewohnt.
"Schloss ist immer schön. Schlösser, das ist ganz was Schönes zum Anschauen."
"Auf der einen Seite ist das Schloss natürlich sehr schön, auf der anderen Seite ist die Geschichte auch drüber hinweg gegangen. Deshalb habe ich so meine Schwierigkeiten."
"Und dann finde ich, hat es auch so ein bisschen was von Disneyland, weil das ist so viele Jahrzehnte eigentlich weg, die Stadt ist gar nicht mehr danach, und jetzt wird da so ein Betonklotz hingesetzt mit ein bisschen Fassade davor und dann soll das als Schloss sein. Finde ich schwierig."
Humboldt-Forum. Was in Berlin entsteht, ist kein Schloss, sondern eine Fassade, die an ein Schloss, das dort einmal gestanden hat, erinnert. Hinter der Fassade tut sich eine andere Welt auf: ein Museum für außereuropäische Kunst. Mit Exponaten aus der Karibik, Indien und Afrika, die bisher in Berlin-Dahlem zu sehen sind., benannt nach dem weltberühmten Forschungsreisenden Alexander von Humboldt. Ein Forum zur Weltkultur als nationale Repräsentation im Zentrum der Hauptstadt, als Fortsetzung der Museumsinsel. Mit der Funktion, die der Schlossbau einst hatte, hat das nichts zu tun. Die Republik bedient sich der Architektur des zerstörten Schlosses für ihre eigenen Zwecke.
Kräne stehen auf der Baustelle des Berliner Schlosses - Humboldtforum in Berlin. Im Hintergrund ist der Berliner Dom zusehen.
Baustelle des Berliner Schlosses - Humboldtforum in Berlin© picture alliance / dpa / Foto: Rainer Jensen
"Na ja, wenn eine Zeit nicht weiß, was ihr zeitgemäßer Ausdruck ist, dann versucht sie eben sich in der Vergangenheit zu orientieren, das ist schon sehr merkwürdig."
"Also mir ist das relativ egal. Wenn das sinnvoll genutzt wird, dann finde ich das okay, so wie in Potsdam mit dem Stadtschloss."
"Ich bin absolut dafür, dass sie es wieder aufbauen, das finde ich sehr schön, auch gerade mit der alten Fassade."
"Uns macht das Spaß zuzugucken, wie das wieder wächst und schön wird."
"Ja, es ist jetzt so entschieden worden, wird's jetzt so gemacht, gucken wir mal."
Widerspruch zwischen Fassade und Innenräumen
Der Historiker Guido Hinterkeuser hat über die Geschichte des Berliner Stadtschlosses promoviert. Er sieht den Widerspruch.
"Das Konzept ist natürlich nicht populär, muss man dazu sagen, und man fährt eigentlich momentan in zwei getrennten Zügen. Die einen bekommen eben die Schlossfassade, und die Schlossfassade wächst ja momentan auch schon Tag für Tag. Und die Schlossfassade wird sehr, sehr gut werden, wird sehr überzeugend werden. Ich denke, das wird auch für die Wiederherstellung des Stadtraums ganz bedeutend sein."
Das ist der städtebauliche Aspekt, der den Befürwortern des Wiederaufbaus – allen voran dem Hamburger Unternehmer Wilhelm von Boddien – besonders wichtig ist. Er hat alle Energie in den Wiederaufbau des Berliner Schlosses gesteckt und von außen betrachtet sein Ziel erreicht – aber zu dem Preis, dass im Innern ein Weltkulturmuseum entsteht, für Schlossbegeisterte eine dicke Kröte, die geschluckt werden musste. Guido Hinterkeuser:
"Umgekehrt ist es bei denjenigen, die das Konzept des Inneren verinnerlicht haben und eben da sich einiges von erhoffen, von dem Humboldt-Forum, die sind natürlich nicht glücklich über diese Fassade, die das ja auch alles einengt. Und momentan sind diese Ziele, Dinge, ineinander gepfercht. Es gibt natürlich auch einige Ideologen, die das zusammen sehen, das ist ja auch die offizielle Sichtweise, dass Außen und Innen zusammengehören, aber das ist natürlich de facto nicht der Fall."
Ein Schloss als Museum? Helmut-Eberhard Paulus, Direktor der Thüringer Stiftung Schlösser und Gärten, sieht das kritisch. Ein Schloss sei keine beliebige Immobilie, sondern jedes Schloss – auch das Berliner Stadtschloss –habe seine individuelle Geschichte, die man nicht ignorieren solle.
"Wenn man sich dieses Schlosses in vernünftiger Repräsentationsfunktion bedienen will, muss man seinen Sinn und Zweck natürlich bis ins letzte Detail diskutieren. Sonst gewöhnt man sich hier eine Attitüde an, die an und für sich nur für eine Monarchie ausreicht. Und da liegt auch ein Stück weit das Problem: Die Demokratie hat beschlossen, dass das Volk, dass die Allgemeinheit jetzt für die Schlösser zuständig ist und sich auch in der Geschichte dieser Schlösser darstellt. Aber das erfordert auch die Bereitschaft, sich zu engagieren, dieses Repräsentationsbedürfnis zu diskutieren und auch angemessen zu vermitteln."
180 Meter lang und 120 Meter breit. Die Schlossbaustelle beherrscht schon jetzt die Berliner Mitte. Im Frühsommer ist Richtfest. Knapp 600 Millionen Euro soll der Neubau kosten. Nicht nur der Staat zahlt, auch viele Bürger sollen spenden. Doch die sind bisher knausrig. Die Summe der fest eingeplanten Spendengelder für die Barockfassade – 80 Millionen Euro - ist bei weitem nicht beisammen. Ein Indiz für die ungelösten Widersprüche dieses Vorhabens?
Weitere Beispiele zur Schlösser-Renaissance in Deutschland finden Sie in unserem Manuskript zur Sendung als PDF-Dokument oder im barrierefreien Textformat.
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