Die App "Uberchord"

Wenn das Smartphone dem Gitarristen zuhört

Ein Gitarrenspieler in Berlin
Ein Gitarrenspieler in Berlin © picture alliance / dpa / Foto: Hannibal Hanschke
Von Laf Überland · 15.10.2015
Um Gitarre zu lernen, gibt es Internet-Apps und unzählige Lernvideos. Konkrete Hilfe beim Akkordespielen oder Motivation erhält man durch sie aber nicht. Mit der kostenlosen Smartphone-App "Uberchord" wird es jetzt aber wieder persönlich neben der Gitarre.
"Also ich wähle jetzt mal hier eine Anfängerübung aus mit vier Akkorden..."
Auf dem Display des iPhones erscheinen Griffbilder mit Saiten, Bundstäbchen und Punkten drauf, die man spielen soll. Die Software analysiert dann über das eingebaute Handymikrofon, was man tatsächlich spielt.
"Also, ich spiele jetzt die Akkorde, die er mir anzeigt. Wenn sie korrekt sind, dann springt er halt zum nächsten Akkord. Wenn ich jetzt aber Falsches spiele, zum Beispiel ein D7, obwohl ich D spielen sollte, dann zeigt er mir auf dem Bildschirm genau an, welchen Finger ich wo falsch gesetzt habe, so dass ich es korrigieren kann. Und er dann wieder zum nächsten wechselt."
Simon Barkow-Oesterreicher ist Datenanalytiker und Hobbymusiker – und einer der beiden Mitbegründer von "Uberchord" – mit dem deutschen Wort überund dem englischen chord, das für Akkord steht...
"Wenn ich sie ein paar mal korrekt gespielt hab, kriege ich als Belohnung eine Schlagzeugbegleitung – die auch schneller wird, wenn ich richtig spiele…"
Früher, auf dem Land zum Beispiel, lernte man Gitarrespielen in "Peter Burschs Gitarrenbuch" oder im Volkshochschulkurs beim Kirchenküster: Zumindest Letzteres war nicht besonders effektiv, aber man musste nicht allein lernen.
Hat sich das Wesen des Gitarren-Novizen geändert, wenn er sich jetzt mit seinem iPhone zusammensetzt und lernt?
Eckart Burgwedel: "Was sich geändert hat, sind die Medien, die wir zur Verfügung haben. Es gibt YouTube-Videos, es gab DVDs mit Kursen drauf, die sind auch schon wieder passé. Aber es gibt auch heute noch den Gitarrenlehrer."
Schüler zum Üben motivieren
Und den will "Uberchord" nicht ersetzen, sondern ihm helfen, indem es den Schüler zum Üben motiviert. Das Problem ist nämlich, dass man zum guten Lernen Feedbackbraucht, das weiß jedes Pädagogik-Erstsemester. Und das fand auch Eckart Burgwedel, Software-Spezialist, Hobby-Gitarrist und der andere Uberchord-Gründer.
"Wir haben uns im Flugzeug kennengelernt auf dem Weg nach Zürich und haben festgestellt, dass wir beide Gitarre spielen, mehr schlecht als recht, aber dass wir beide festgestellt haben, dass die Art, wie wir heute Musik lernen, uns beiden nicht gefällt – nicht effizient ist und keinen Spaß macht. Und selbst die Software, die es gibt, macht eigentlich nicht besonders viel Spaß."
Man kann monatelang Akkorde nachspielen, aber wer hilft einem, wenn der Gitarrenlehrer nicht da ist?
Und weil es zwar für alles Apps gibt, sogar fürs Grillen, aber keine, die beim Gitarreüben dem Schüler mitteilt, was er falsch macht, beschlossen sie, dann selber eine zu programmieren: Aber dafür musste die dem Schüler zuhören können.
Zwar können Computer heute jede Art von Klängen und Tönen erzeugen – aber Audiosignale zu erkennen und sie dann auch noch Noten und Harmonieschlüsseln zuzuordnen, das ist der heilige Gral der Audiosignalerkennung.
Und "Uberchord" hat nach zwei Jahren Herumprogrammieren für diese App anscheinend weltweit den ersten Algorithmus entwickelt, der in Echtzeit wirklich jeden Gitarrenakkord erkennt, den man spielt.
Barkow-Oesterreicher: "Also irgendwie einfach ein C-Dur, oder auch einen sehr komplizierten Jazz-Chord wie jetzt zum Beispiel g-moll-7-b-5, g-7-9, C-major-..."
Falsch!!!
Barkow-Oesterreicher: "So war’s richtig... Da gibt es tatsächlich Tausende Möglichkeiten, kann man sich gar nicht vorstellen..."
Praktische Übungen und Belohnungspunkte
Und deshalb zeigt "Uberchord" natürlich nach einprogrammierten Regeln nur die, bei denen man sich nicht die Finger bricht...
Neuerdings beherrscht die "Uberchord"-App auch offene Stimmungen, bei denen die alten Gitarrenregeln völlig über den Haufen geworfen werfen, und demnächst soll auch Harmonielehre einziehen – Tritonus und Quintenzirkel – verpackt in kleine Häppchen und eingebettet in praktische Übungen nach der "Uberchord"-Methode.
Vor allem aber errechnet die App die nächsten Lektionen aus den Daten der bisherigen Übungen: Wie sauber spielt er die Akkorde? Wie ist sein Timing? Und sein Rhythmusgefühl? Was hat er bisher wirklich drauf?
Und damit der Schüler seinen inneren Schweinehund überwindet, zeigt das Smartphone ihm Statistiken über seinen Übungsfortschritt wie beim Belohnungssystem der Fitness-Apps - mit den "Experience Points", die er gesammelt hat...
Simon: "So kann ich mir jeden Tag ein Ziel setzen, und er zeigt mir an, ob ich dieses Ziel dann geschafft habe."
Zumindest in Amerika dürfte das, erfahrungsgemäß, funktionieren. Und dort liegt der reale Zielmarkt des kleinen Startups aus Berlin, das sich gerade in der zweiten Finanzierungsrunde befindet: auf einem Markt, wo alle eine einzige Sprache sprechen und gitarrenverrückt sind – und der groß genug ist, um sie profitabel zu machen.
Burgwedel: "Das soll keine Unfreundlichkeit oder Respektlosigkeit unseren deutschen Kunden gegenüber sein – aber wir können nicht alles gleichzeitig."
Und deshalb läuft die App ja auch nur auf Apples iPhone – vorerst.
Aber der Markt ist riesig, glauben die Leute von "Uberchord" – und es gibt noch genug Leute, die Gitarre lernen wollen.
Burgwedel: "Und populärer als Instrument ist eigentlich nur die eigene Stimme. Und um die kümmern wir uns später. / Im Ernst? / Im Ernst."
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