Die Anti-Terror-Datei kommt

Von Michael Groth · 04.09.2006
Einigen mussten sich die 16 Landesinnenminister heute. Dazu war das Thema zu wichtig. Und dass ein Kompromiss heraus kam, auch das konnte man voraus sehen. Die Standpunkte von Union und SPD waren kontrovers, sie mussten zusammen geführt werden. Das Ergebnis, das jetzt auf dem Tisch liegt, kann sich sehen lassen.
Die Aufteilung der kommenden Anti-Terror-Datei in zwei Datenbestände dürfte einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten. Der Verfassungsschützern wie Polizei offen zugängliche Teil wird über die Namen potenziell Verdächtiger hinaus wenig enthalten. Wer mehr wissen möchte, muss weiterhin einen Antrag stellen – erst dann erhält er Informationen etwa über die Religionszugehörigkeit, den Beruf, Waffenbesitz oder Kontobewegungen des Betroffenen. Nur in dringenden Fällen – wenn es um Leben oder Tod geht – wird auf diese Daten ein direkter Zugriff möglich.

Klingt kompliziert?

Ist es auch, und ob es funktioniert, wird die Praxis zeigen. Wichtig ist dabei vor allem, dass die Quelle von Informationen geschützt bleibt. Nicht jeder Polizeibeamte muss wissen, wen der Verfassungsschutz anzapft: Die neue Regelung gibt zumindest Anlass zu der Hoffnung, dass dies in Zukunft so bleibt.

Natürlich schützt uns die neue Datei nicht vor Kofferbombenattentätern a la Dortmund und Koblenz. Aber sie ist ein notwendiger Schritt, angesichts der latenten Bedrohung durch islamistische Gewalttäter. Wer in der Anti-Terror-Datei Schritte in Richtung Überwachungsstaat erkennt, der muss dazu auch nach dem nächsten Anschlag stehen. Die Gegenseite nutzt jede Lücke, die ihr eine freie Gesellschaft lässt.

Letztere nicht abzuschaffen und dennoch jede mögliche Sicherheit zu bieten, das ist der schmale Grad, auf dem die Innenminister sich bewegen.
Die Zeit für eine neue Anti-Terror-Datei war reif, nach fünf Jahren Debatte und inzwischen 37 Institutionen, die sich in Deutschland mit Fragen der inneren Sicherheit befassen.

Der heutige Beschluss ist nur ein erster Schritt, viele Fragen bleiben. Wie, zum Beispiel sind die Daten ein- und zuzuordnen, wann müssen sie gelöscht werden? Sollen demnächst auch die an Maut-Stationen erhobenen Daten in die Verbrechensbekämpfung einfließen? Wie soll die Videoüberwachung über das nach den jüngsten – zum Glück gescheiterten – Anschlägen beschlossene Maß hinaus erweitert werden?

Die Diskussion wird fortgeführt. Hier ist die große Koalition einmal hilfreich – und nichts anderes repräsentiert die Runde der Innenminister, nimmt man den FDP-Politiker Wolf aus Nordrhein-Westfalen heraus. Anlass zu Hoffnung also, dass auch künftige Beschlüsse ähnliches Augenmaß erkennen lassen wie der heutige.

Das Thema bleibt indes konjunkturabhängig. Sollte die Bedrohung weiter wachsen, gar Anschläge verübt werden, werden die Hardliner Aufwind erhalten.