Dialog von Willkür und Improvisation

Von Anke Leweke · 19.06.2011
Dunkler Kontinent, Herz der Finsternis - so nennt man die Welt, in die uns dieser Film hineinzieht. Deshalb ist es nur konsequent, dass die erste Szene von "Schlafkrankheit" bei Nacht spielt.
Mit der Kamera nimmt auch der Zuschauer Platz im Auto des Entwicklungshelfers Ebbo, der mit seiner Familie schon lange in Kamerun lebt. Gerade hat man die Tochter vom Flughafen abgeholt, die in Deutschland auf ein Internat geht. Man gerät in eine Straßenkontrolle und schon ist man mittendrin im Alltag. Im Dialog von Willkür und Improvisation:

"Sie braucht ein Visum, ohne Visum lasse ich sie nicht weiterfahren. Ich arbeite seit Jahren hier. Aber was macht sie hier? Sie besucht ihre Familie. Wir kommen vom Flughafen und ohne Visum kann sie nicht einreisen. Das ist doch albern, der ist garantiert hinten im Koffer. Lass mal, die wollen doch nur Geld, die suchen sich dann etwas anderes."

Ebbo weiß, wie man mit den Beamten umzugehen hat. Immer wieder sind es in diesem Film kleine Alltagssituationen, die vom großen Ganzen erzählen, vom Umgang des Europäers mit Schwarzafrika. Wenn Ebbo sich mit seinem Nachtwächter streitet, glaubt man sich in Kolonialzeiten zurückversetzt.

Ebbos Zeit in Kamerun ist abgelaufen. Er weist bereits seinen Nachfolger ein. Während einer Bootsfahrt erzählt Ebbo von einer Legende und in diesem Moment wird Afrika zum Sehnsuchtsort.

Ebbo wird in Afrika bleiben. Ulrich Köhlers Film lässt offen, ob es die Bindung zu Kamerun ist, die seinen Helden umtreibt oder die Angst vor der deutschen Fremde.

Eine Schwarzblende verkündet, dass drei Jahre vergangen sind, und der Film führt eine weitere Figur ein. Alex ist Arzt und kommt aus Paris. Für die EU soll er Ebbos Tätigkeiten überprüfen, kontrollieren, wo die Gelder der Entwicklungshilfe bleiben. Seine schwarze Hautfarbe hebt das Gefühl, "fremd zu sein", nicht auf.

Ulrich Köhlers Film folgt zwei Männern, die ihr Afrika suchen. "Schlafkrankheit" erzählt ihre Geschichten - und weitet sich aus zu einer Erzählung über das Verhältnis von Europa und Schwarzafrika. Über den Sinn und Un-Sinn von Entwicklungshilfe. Und über eine Welt, die sich dem Besucher entzieht, je näher er ihr zu kommen versucht.

Interview mit Ulrich Köhler über seinen Film
Der Filmregisseur Ulrich Köhler gewann bei der Berlinale 2011 den Silbernen Bären für die "Beste Regie"
Ulrich Köhler gewann bei der Berlinale 2011 den Silbernen Bären für "Beste Regie"© picture alliance / dpa / Michael Gotttschalk
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