Dialog um jeden Preis?

Von Joachim Walther · 20.04.2011
Das diplomatische Lavieren sollte ein Ende haben, es sei denn, die Deutschen wollen sich von den ökonomisch auftrumpfenden Machtmonopolisten in China am kulturpolitischen Nasenring durch die Arena führen lassen, schreibt Joachim Walther.
Da wird Anfang April im chinesischen Nationalmuseum die Ausstellung "Kunst der Aufklärung" eröffnet, die größte und teuerste Deutschlands im Ausland. Da steht dieses Museum ausgerechnet am Tian´anmen-Platz, auf dem 1989 die junge Demokratiebewegung niedergewalzt worden war und über dem noch immer Maos Monumentalporträt lächelt, dem größten Massenmörder des 20. Jahrhunderts. Da wird dem deutschen Hauptredner zur Ausstellungseröffnung, dem eher moderaten Autor und Sinologen Tilman Spengler, die Einreise verweigert mit der archaischen Begründung, er sei kein Freund des chinesischen Volkes. Damit nicht genug: Wenig später wird der prominente Konzeptkünstler und Regimekritiker Ai Weiwei wegen angeblicher Wirtschaftsverbrechen demonstrativ verhaftet und verschwindet danach im geheimpolizeilichen Dunkel. Wie viele andere vorher auch. Noch immer nicht genug?

Bei der die Ausstellung begleitenden Veranstaltungsreihe mit dem schönen Titel "Aufklärung im Dialog" bestimmt die Kommunistische Partei, wer von chinesischer Seite aufs Podium steigen und den Mund aufmachen darf. Und schließlich: Wunderlicherweise besuchen die bombastische Ausstellung an zentralem Ort wegen fehlender Hinweise täglich nur etwa 200 Chinesen. Und womöglich, auch das ein probates Mittel herrschender Kommunisten, sind die 200 zudem noch zivil kostümiert und als behördliche Besucher abkommandiert.

Hier in Deutschland aber diskutiert man. Politisch korrekt und sehr ernsthaft: Soll man die Ausstellung aus Protest schließen oder den interkulturellen Dialog in Demut weiterführen? Wenn es derart hin und her geht, ist ein Blick zurück meist hilfreich, der zeigt, das alles ist doch nicht so furchtbar neu, um uns in derartige Entscheidungsnöte zu stürzen.

Auch im geteilten Deutschland gab es einen, wenn auch spärlichen, kulturellen Austausch. Wer ihn dringend brauchte, waren die eingemauerten Menschen in der DDR. Aber selbst die wollten den nicht um den Preis, die hässliche Herrschaft der ostdeutschen Kommunisten hinter den schönen Künsten zu verstecken.

In der DDR wurden ebenfalls prominente Regimekritiker wegen sogenannter Wirtschaftsdelikte verurteilt oder erhielten Hausarrest, siehe Stefan Heym, siehe Robert Havemann, und auch dagegen gab es Proteste, während die Verhaftungen und Verurteilungen der Nichtprominenten dabei im Hintergrund unbeachtet weiter liefen, scheinbar unsichtbar und lautlos. Der Zugriff auf die Prominenten als ein Test, wie weit man gehen kann.

Die Ausstellung in Peking, die mit ihrem kunsthistorisch soliden, doch ängstlich historisierenden Konzept bereits einen Kotau vollzieht, führt das Wort Aufklärung im Titel. Das weltweit noch immer unvollendete Projekt Aufklärung jedoch ficht für Emanzipation, Vernunft, Humanität, das Naturrecht und die Handlungsfreiheit des Einzelnen, für religiöse und ideologische Toleranz, und all das steht in klarstem Widerspruch zur innenpolitischen Praxis der chinesischen Kommunisten, die jährlich 68 Milliarden Euro für die Staatssicherheit ausgeben und damit mehr als für die Verteidigung nach außen.

Angesichts dieser Klarheit sollte das diplomatische Lavieren ein Ende haben, es sei denn, die Deutschen wollen sich von den ökonomisch auftrumpfenden Machtmonopolisten in China am kulturpolitischen Nasenring durch die Arena der Weltöffentlichkeit führen lassen.

Um es klar zu sagen: Ich denke, es ist an der Zeit, die Ausstellung zu schließen. Ohne Freude. Ohne Triumph. Aber mit gestrafftem Rückgrat.

Joachim Walther, geb. 1943 in Chemnitz, studierte an der Humboldt-Universität Berlin Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte. Er war seit 1968 beim Ost-Berliner Buchverlag Der Morgen als Lektor und Herausgeber tätig und arbeitetet für die Wochenzeitschrift "Die Weltbühne"; später dann als Redakteur für die Literaturzeitschrift "Temperamente". Seit 1983 ist Walther als freiberuflicher Schriftsteller tätig. In seinen Werken setzte er sich immer wieder mit Fragen auseinander, die das starre DDR-Regime für ihn aufwarf. Werke u. a. "Risse im Eis" (1989), "Protokoll eines Tribunals" (1991), "Verlassenes Ufer" (1994), "Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der DDR" (1996) und "Himmelsbrück" (2009).

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