Deutschunterricht für Geflüchtete

"Alles kann ein Fettnäpfchen sein"

Die deutsche Sängerin und Journalistin Christiane Rösinger.
Die Sängerin und Autorin Christiane Rösinger sammelte ganz neue Erfahrungen beim Deutschunterricht für Geflüchtete in Berlin-Kreuzberg © picture alliance / dpa / Marius Becker
Christiane Rösinger im Gespräch mit Sigrid Brinkmann  · 15.04.2017
Singen löst einfach die Zunge und Fettnäpfchen lauern überall, sagt die Musikerin und Autorin Christiane Rösinger über ihre Erfahrungen als ehrenamtliche Deutschlehrerin für Geflüchtete. In ihrem neuen Buch "Zukunft machen wir später" erzählt sie davon.
Seit September 2015 gibt die Berliner Musikerin und Autorin Christiane Rösinger Deutschunterricht für Geflüchtete. In ihrem neuen Buch "Zukunft machen wir später" erzählt sie von ihren Erfahrungen mit einem Kreuzberger Anfänger-Kurs einer ehrenamtlichen Initiative. "Das Beglückende ist eigentlich der Umgang mit den Menschen", sagte Rösinger im Deutschlandradio Kultur. "Das hätte ich vorher überhaupt nicht gedacht." Sie habe zunächst Bedenken gehabt, dass sie auf schwer traumatisierte, gebrochene Menschen träfe und die Atmosphäre im Unterricht eher bedrückend sei. "Ich habe beim ersten Zusammentreffen schon gemerkt, das ist überhaupt nicht der Fall." Es habe ganz im Gegenteil eine sehr heitere und nette Atmosphäre geherrscht.

Tränen und Lachen

"Alles kann ein Fettnäpfchen sein", sagte Rösinger über die Unterrichtssituation. Für Flüchtlinge sei natürlich alles problematisch, was als Lerninhalt für den Deutschunterricht im Anfängerkurs vorgesehen sei. "Wie soll man über eine Wohnung sprechen, über Möbel, die man anschaffen kann, wenn die Leute in einer Turnhalle leben seit einem Jahr." Wenn man über das Thema Familie spreche, kämen vielen Schülern die Tränen. Es gebe aber im Unterricht auch viel Lustiges, weil das Nichtverstehen auch mit Hilfe von Pantomime oder Zeichnungen überspielt werden müsse. "Es wird sehr viel gelacht, um diese Peinlichkeit zu überbrücken."

Singen erleichtert vieles

Rösinger erzählte von einem 78jährigen Kollegen, der als "aufrechter Old-School-Deutschlehrer" immer mit Fahrradhelm und Aktentasche zum ehrenamtlichen Deutschunterricht gekommen sei. Er habe mit den Flüchtlingen "Die Gedanken sind frei" oder Mailieder gesungen. Sie sei erstaunt gewesen, wie gerne die vielen Männer gesungen hätten. Der Chor sei dann auf dem Sommerfest aufgetreten. "Das Singen erleichtert vieles, die Aussprache", sagte Rösinger. "Das Singen löst die Zungen so ein bisschen."

Musikerin und Autorin

Christiane Rösinger war Mitgründerin, Sängerin und Texterin der Berliner Bands "Lassie Singers" und "Britta". In den 1990er Jahren war sie eine der Betreiberinnen der legendären Flittchenbar am Berliner Ostbahnhof, die sie 2010 zu neuem Leben erweckte. Seitdem führt sie einmal im Monat durch eine musikalische Gala-Show im Kreuzberger Club Südblock. Neben ihrer Arbeit als Musikerin schreibt sie für Zeitungen und Magazine und veröffentlichte einige Bücher, darunter zuletzt "Berlin-Baku", den Bericht ihrer Reise zum Eurovision Song Contest in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku. Im Februar kam ihr zweites Soloalbum "Lieder ohne Leiden" heraus.

Christiane Rösinger: Zukunft machen wir später. Meine Deutschstunden mit Geflüchteten
Fischer Verlag 2017, 9,99 Euro.

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