Deutschlands letzter Playboy

Peter Dörfler im Gespräch mit Katrin Heise · 07.12.2011
Sieben Kinder von sieben Frauen und unzählige Geliebte - der heute über 80-jährige Rolf Eden ist bereits Legende. Der ehemalige Nachtklubbesitzer sehe das Leben permanent durch eine rosarote Brille, sagt Regisseur Peter Dörfler. Er lasse nichts Negatives an sich heran. Für sein Porträt konnte Dörfler auch 200 Stunden Material verwenden, bei dem sich Eden selbst gefilmt hat. Entstanden sei so auch eine "kleine Hommage auf das alte Westberlin".
Katrin Heise: Westberliner früherer Generationen sind nicht an seinen Etablissements vorbeigekommen, Touristen eigentlich auch nicht, die Diskotheken und Nachtklubs des Rolf Eden waren ein Muss. Heute ist er 83 Jahre alt und immer wieder als Playboy mit Freundin, jünger als die Enkelkinder, für eine Schlagzeile gut. In Talkshows sorgt er gern mit seinen zotigen Bemerkungen für Aufregung. Der Filmregisseur, Kameramann und Dokumentarfilmer Peter Dörfler hat sich den alten Playboy und Diskothekenkönig für den Schluss seiner Trilogie über egomane Männergestalten aufgehoben. Ich grüße Sie, Herr Dörfler!

Peter Dörfler: Schönen guten Tag!

Heise: Man kommt ja nicht aus dem Kopfschütteln raus oder aus dem Sich-Empören, wenn man hört, was Eden in Ihrem Film immer wieder sagt über Frauen, auch schon allein dieses eben zitierte ... der Schlussgedanke, was sein Testament angeht. Es ist einfach ungeheuerlich, und trotzdem hatte ich am Schluss das Gefühl: So unsympathisch ist der gar nicht. Wie ging es Ihnen selber?

Dörfler: Ja, also hätten Sie mir vor drei Jahren erzählt, dass ich mal einen Film über Rolf Eden machen würde, dann hätte ich wahrscheinlich gesagt, Sie verwechseln mich. Ich hatte ihn ja ganz zufällig kennengelernt bei meinem Dreh zu dem letzten Film "Achterbahn", und dort hat er mir erzählt, dass er eben diese sieben Kinder mit den sieben Frauen hat. Und mein erster Gedanke war eigentlich, über diese Kinder vielleicht einen Film zu machen, und erst dann habe ich erfahren, was er für eine interessante Biografie hat, und dann habe ich ihn natürlich schrittweise immer besser kennengelernt, und seine Lebenseinstellung, die hat mich doch dann sehr, sehr überzeugt. Also es ist schon beeindruckend.

Heise: Was ist denn seine Lebenseinstellung, Glück haben, Unglück nicht an mich ranlassen?

Dörfler: Ja, also er sieht das Leben einfach mit einer dermaßen positiven, rosaroten Brille und lässt nichts Negatives an sich ran. Das geht also so weit, dass er tatsächlich nicht auf Beerdigungen geht, er geht nicht in Krankenhäuser und klammert einfach alles Negative so konsequent aus seinem Leben aus, dass es denke ich einfach mal interessant ist, mal jemanden quasi das für einen selbst vorleben zu sehen. Also man kann sich dann fragen, wie wäre ich, wenn ich sozusagen das Positive auch vielleicht mehr in mein Leben lassen würde? Und das denke ich ist ganz spannend.

Heise: Das ist die eine Seite, auf der anderen Seite: Traurigkeit oder Leid so sehr auszuklammern, wie Sie es ja eben auch benannt haben, das hat ja nun auch wirklich mehr als was Notorisches. Sind Sie dahintergekommen, was es damit auf sich hat, was dahintersteckt?

Dörfler: Also ich denke schon, ich denke, man spürt es in dem Film, und ich denke, die Erklärung liegt – das kann sich jeder Zuschauer aber in dem Film selbst sozusagen zusammensuchen –, die Erklärung liegt in seiner Vergangenheit mit Sicherheit. Er hat ja in einer Eliteeinheit im Militär, im israelischen Militär gekämpft, und das war ein sehr, sehr grausamer Krieg, der Gründungskrieg des Staates Israel, über den sein Freund Yoram Kaniuk zum Beispiel, ein angesehener israelischer Schriftsteller, erzählt, sie waren in dieser Einheit 1200 Soldaten, und von denen haben gerade mal 400 überlebt. Und Rolf Eden war eben einer dieser Überlebenden. Und er erzählt aber auch, dieser Yoram Kaniuk, dass Rolf Eden der Einzige war in der ganzen Einheit von Yitzhak Rabin, der eine Frau hatte. Yoram Kaniuk sagt: "I", also er selbst, "kissed somebody before I killed somebody", also ich habe jemanden geküsst, bevor ich jemanden getötet hatte, "and he was already making love", und er machte schon Liebe. Also da hatte er doch auch damals schon eine sehr große Sonderstellung. Dennoch waren das sicher schlimme Erlebnisse, und es war sicher auch für den kleinen Rolf nicht schön mit anzusehen, wie seine Eltern in Haifa vollkommen neu Fuß fassen mussten. Er beschreibt seine Eltern auch als gute Deutsche, die sehr, sehr gerne in Berlin gelebt haben und die doch kulturell sehr entwurzelt waren auch in Haifa.

Heise: Und trotzdem, trotz dieser Erfahrungen geht er dann ja recht schnell wieder nach Berlin und wird dann hier Diskothekenkönig. Seine israelischen Freunde – unter anderem ist ja auch der Publizist Avi Primor im Bild zu sehen – akzeptieren das aber, waren alle kopfschüttelnd, aber akzeptieren es. Auch interessant.

Dörfler: Ja, akzeptieren, aber ich glaube, inzwischen akzeptieren sie das, aber ich denke, damals gab es schon sehr, sehr viel Widerspruch und Widerstand auch. Also viele haben das nicht verstanden, nur das war Rolf Eden schlichtweg vollkommen egal, wie ihm alle Dinge eigentlich egal sind, die Leute an seinem Leben infrage stellen. Es gibt zum Beispiel im Film eine Szene, da wird die Sendung von Frau Maischberger über Prostitution besprochen, ...

Heise: Unglaubliche Zitate, ja.

Dörfler: ... ja, als ich diese Sendung damals im Fernsehen gesehen habe, dachte ich, oh Gott, was erzählt der denn da? Rolf Eden wird da ... auch von seinen engsten Freunden werden ihm wirklich Vorwürfe gemacht und die fragen ihn, ja, ist das denn für dich nicht schlimm, wenn dich die Leute so schrecklich finden dann? Und da lacht er und sagt: Jeder soll mich so finden, wie er Lust hat. Das ist seine Lebenseinstellung.

Heise: All seine Frauen, all seine Kinder kommen zu Wort. Sie gehen durchaus kritisch mit ihm ins Gericht. Denen hat er ja auch wehgetan, die fühlen sich zum Teil benutzt, und trotzdem schätzen sie irgendwas an ihm, respektieren ihn. Wie kommt das?

Dörfler: Ich habe mal seine Enkeltochter in Israel gefragt: Ist das denn echt, diese permanente gute Laune und dieser positive Geist? Und dann meinte sie, es spielt eigentlich gar keine Rolle, ob das echt ist. Der kommt nach Israel und die Sonne scheint, die Sonne geht auf und es ist einfach immer gute Stimmung, und das ist ganz toll für die Familie natürlich.

Heise: Der Filmemacher Peter Dörfler im Deutschlandradio Kultur über seinen Film "The Big Eden" über Rolf Eden. Sie zeigen Bilder aus seinem eigenen Archiv, aus alten Zeitungsfotos, im Hintergrund werden die auch so ein bisschen zum Leben erweckt. Das ist das Westberlin in seiner wildesten Zeit. Wollten Sie auch mit dem Film so ein bisschen der Stadt Berlin, dem Westberlin huldigen?

Dörfler: Ja, schon auch, also es ist für mich auch eine relativ unbekannte Welt, ich bin in Westdeutschland aufgewachsen, war ja damals auch noch relativ jung. Ich war auch, muss ich zugeben, niemals im "Big Eden", also als ich dann in dem Alter war, war das eigentlich schon eher nur noch ein Touristenschuppen. Aber ich denke, dass inzwischen mit diesem Blick zurück diese ganze Kudammschickeria und dieses alte Westberlin doch immer mehr an Attraktivität gewinnt auch. Und da eine kleine Hommage – zufällig habe ich jetzt erst erfahren, dass der Kudamm gerade auch 125 Jahre alt geworden ist –, und da so eine kleine Hommage auf das alte Westberlin zu machen, das fand ich doch auch sehr reizvoll.

Heise: Ist so eine Geschichte, so eine Gestalt wie Rolf Eden heute noch denkbar?

Dörfler: Schwer zu sagen. Ich denke, es gibt solche Gestalten schon in Abwandlungen, also ich habe zum Beispiel einen Bekannten, der ist ein berühmter Maler hier in Berlin, und der ist eigentlich schon vergleichbar in dem Sinne, dass er auch sein Leben komplett inszeniert. Also Rolf Eden sagt ja über sein Leben, das ist die Showtime, ich bin der Hauptdarsteller meines eigenen Filmes, ...

Heise: Er filmt sich ja auch permanent, er filmt sich ja seit Jahrzehnten permanent selber und interviewt seine Gerade-Begleitung, auch das wird ja ständig gezeigt im Film.

Dörfler: Genau, das war natürlich für mich ein ganz großer Schatz. Also er hat da bestimmt 200 Stunden Material zu Hause, und das habe ich natürlich alles gesichtet, und insbesondere diese alten Super-8-Filme, die sind auch schon mit Ton, wo er sozusagen der Reporter seines eigenen Lebens ist und immer mit dem Mikrofon in die Kamera spricht. Dieses Material verwenden zu können, war natürlich großartig.

Heise: Haben Sie tatsächlich das Gefühl, dass Sie Rolf Eden so in diesen 90 Minuten nähergekommen sind, dass Sie ihn besser verstehen?

Dörfler: Ich denke schon, ja, soweit man Rolf Eden verstehen kann. Er spielt natürlich wie gesagt permanent eine Rolle, aber ich glaube, man versteht ihn auch, beziehungsweise auch ich habe ihn vor allem auch verstanden durch die Gespräche mit seinen Kindern, mit seinen Freundinnen, mit den ehemaligen Freundinnen. Da konnte ich glaube ich schon einiges verstehen, und ich denke, das transportiert sich auch im Film.

Heise: Peter Dörfler hat einen Dokumentarfilm über Deutschlands letzten Playboy Rolf Eden gedreht. Danke schön, Herr Dörfler, für das Gespräch!

Dörfler: Vielen Dank!