Deutschlands einzige Pflegestation für Obdachlose

Krankenstube für diejenigen, die nichts haben

Patienten sitzen in der Krankenstube der Hamburger Caritas beim Mittagessen.
Die Hamburger Caritas bietet die einzige Krankenstube für Obdachlose in Deutschland an. © dpa picture alliance/ Christian Charisius
Von Sandra Voß · 11.01.2017
Die Hamburger Caritas leistet etwas einzigartiges: Sie bietet eine Krankenstube für Obdachlose. Menschen ohne Geld und Papiere werden hier über Monate gesund gepflegt. Natürlich müssen sie Regeln einhalten. Dafür bekommen sie oft auch Unterstützung über die reine körperliche Hilfe hinaus.
"Das sind so schmerzhafte Wunden. Es brennt wie Feuer. Das tut den ganzen Tag weh. Von morgens bis abends."
"Ich tue jetzt diese spezielle Wundauflage drauf, das ist speziell für Infektionen."
Der ganze Unterschenkel von George besteht aus einer einzigen, rosa fleischigen, sehr tiefen Wunde. Seit zwei Monaten ist George schon Patient in der Krankenstube der Caritas Hamburg.
Ein Team aus sechs Pflegern und einem ehrenamtlich arbeitenden Arzt betreut hier rund um die Uhr die Patienten. Georges eitrige Beine seien eine typische Wunde für Menschen, die auf der Straße leben, erklärt die Sozial- und Gesundheitsmanagerin der Krankenstube, Ingrid Kieninger.
"Die Menschen, die haben oft monatelang ihre Schuhe an, die Menschen, die zu uns kommen, die haben eingewachsene Socken, die haben schwerst entzündete Beine."
Die blonde 50-jährige Frau leitet seit drei Jahren die Krankenstube, ein in dieser Form einmaliges Projekt in Deutschland. Hier werden die Menschen medizinisch versorgt, die ohne Papiere leben, die keine Krankenversicherung haben. George ist einer von 18 Patienten. Sein Gesicht ist zerfurcht, seine Kleidung sauber und ordentlich.

"Viele wären im Rollstuhl oder tot"

Bei dem 52-Jährigen mit den blauen Augen wird es wohl noch mindestens ein halbes Jahr dauern, bis seine Beine verheilt sind. Für diese Zeit hat George ein Bett, bekommt regelmäßig gesunde und schmackhafte Mahlzeiten, kann sich erholen. Er selbst trägt zur Heilung bei, in dem er kaum noch Alkohol trinkt. Eine Voraussetzung, um überhaupt in der Krankenstube bleiben zu dürfen.
"Ich finde gut, dass es so was gibt. Viele wären im Rollstuhl oder tot. Das ist krass, doch ist so. Und viele wissen auch nicht mehr, wenn man so lange draußen ist und mit dem Alkohol, denken viele nicht mehr an die eigene Gesundheit."

Nicht nur ein Ort der Pflege

Auch Andreas hat schon lange nicht mehr auf seinen Körper geachtet. Der 57-Jährige lebt seit über 40 Jahren auf der Straße. Ihn hat die mobile Hilfe eingesammelt, eine rollende Arztpraxis, die täglich die sozialen Brennpunkte anfährt und vor Ort die Kranken versorgt.
"Ich hatte auf Platte gelegen und dann waren die eingefroren. Die waren schon dunkelblau."
Andreas spricht über seine Zehen. Alle fünf Zehen des linken Fußes mussten im Februar amputiert werden. Nur durch die Pflege in der Krankenstube konnten seine rechten Zehen erhalten bleiben.
Obwohl Andreas, der immer eine blaue Mütze trägt, schon einmal von der Krankenstube abgehauen ist, weil er sich mit den andern nicht vertrug, ist er doch auf seine Weise dankbar, hier zu sein.
"Als Erstes wird einem hier richtig gut geholfen. Und man kann sich hier auch richtig ausruhen und muss nicht wieder raus, wie im Krankenhaus. Sobald die Nähte dicht sind, raus."
Neben den medizinischen Kräften arbeitet Thorsten Eikmeier als Sozialarbeiter in der Krankenstube. Sein höchstes Ziel ist, die Patienten nach der Heilung möglichst in Wohnraum zu vermitteln. Das geht nur mit gültigen Papieren. Das ist die erste Hürde. Denn die meisten Patienten kommen wie George aus dem Ausland und haben keinen gültigen Ausweis.
"Also für George versuchen wir jetzt die entsprechenden Ausweisdokumente zu bekommen und haben schon einen Antrag gestellt beim Jobcenter auf Arbeitslosengeld II. Und hoffen dann, ihn in Leistung zu kriegen. "

Caritas finanziert die Krankenstube über Spenden

Um all das finanzieren zu können, ist die Krankenstube auf Spenden angewiesen. Schon kleine Beträge können helfen, spezielle Medikamente für einzelne Patienten zu kaufen. Oder es besteht die Möglichkeit, für eines der 18 Betten eine Patenschaft zu übernehmen.
Immer wieder ist die Leiterin der Krankenstube, Ingrid Kieninger, gerührt, wenn sie bei ihrem täglichen Rundgang in die Zimmer der Patienten schaut. Hier wird deutlich, wie sinnvoll diese Einrichtung ist.
"Hier sehen Sie in Zimmer eine Dame, die wird ausziehen. Sie sehen, wie sie sich es gemütlich gemacht hat. Man sieht, wie ihr Bett frisch gemacht ist, wie sie das alles hübsch macht, dann sieht man, man will nicht auf der Straße leben. Das ist kein Leben. Jeder Mensch möchte ein kleines Zuhause haben."
Mehr Informationen zur Krankenstube auf der Homepage der Caritas Hamburg
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