Deutsches Theater

Banale Erkenntnisse nach zwei Stunden Diskussion

Außenansicht des Deutschen Theaters in Berlin bei Sonnenschein.
"Play the Beat - Das Theater und die Musik" heitß die Reihe im Deutschen Theater © picture alliance / dpa - Soeren Stache
Von Gerd Brendel · 22.11.2014
Die Diskussionsrunde im DT hätte so aufschlussreich werden können: Warum holen so viele Theatermacher Popmusiker auf die Bühne? Was macht die Musik auf einer Theaterbühne mit den Zuschauern? Wurde sie aber nicht. Und das lag an den Diskutanten auf dem Podium, die mit diesem Gespräch anderes im Sinn hatten.
"Jeder Innovationsschub im Theater lässt sich auch musikalisch beschreiben."
Die ersten zehn Minuten des Abends lassen noch hoffen. Launig blicken Jens Balzer und Tobi Müller auf zwei Jahrhunderte Theatergeschichte durch die Pop-Brille.
"Dreigroschenoper... 1928... Vielleicht das erste Poptheater wie wir es meinen..."
Darüber kann man streiten. Originell ist die Deutung allemal. Beim Thema Pop und Theater darf natürlich Bob Wilson "der Kunstquark-Meister" - Zitat Jens Balzer - nicht fehlen. Mit dessen Inszenierung von "Black Rider" mit Tom Waits wurde Popmusik endgültig zum gleichberechtigten Inszenierungsmittel, so Balzer.
"Wo ist eigentlich das Problem?"
Viel zu kurz sind Balzers und Müllers Exkurse. Der Rest des Abends über dehnt sich zum breit gewalzten Alt-Herren-"Worüber ich mich schon immer mal lustig machen wollte"-Schlagabtausch. Auf dem Podium Platz nehmen zwei Punk-Pop-Veteranen Platz, bekannt für ihre experimentelle Musik, wie für ihre Texte über Pop oder ihre Theaterabende mit Popmusik: Thomas Meinecke und Schorsch Kamerun. Er bringt den Abend auf den Punkt:
"Wenn ich versuche, Kunst zu machen in so einem Kunst-Produktionsraum wie den Theater... Wenn ich woanders herkomme und sei es das Theater, und da arbeite mit den Mitteln des Theaters. Wo ist eigentlich das Problem?"
Ja was ist das Problem? Warum holen sich Theaterleute Popmusiker auf die Bühne?
Kokettes Bekenntnis zur vermeintlichen Oberfläche des Pops
"Natürlich machen das die Theater aus dem Wunsch heraus, so Leben hereinzubringen."
Und andere Zuschauergruppen. Warum lassen sich Popmusiker darauf ein? Weil...
"...man da anders bezahlt wird, als wenn ich mit meiner Band unterwegs bin."
Banale Erkenntnisse, für die man keine zwei Stunden Diskussion braucht. Auch Thomas Meineckes kokettes Bekenntnis zur vermeintlichen Oberfläche des Pops liefert keine Denkanstöße. Dass dann ausgerechnet als gelungenes Beispiel für Pop im Theater Puchers "Othello" mit dem schwarz geschminkten Alexander Scheer von 2004 präsentiert wird, belegte vor allem die oberflächliche Vorbereitung des Moderatoren-Teams auf den Abend. Die Debatte, die die Inszenierung damals auslöste - Stichwort Blackfacing, Stichwort Reproduktion gängiger Klischees vom lustig tanzendem Schwarzen - wurde gerade mal mit einem Nebensatz gestreift.
Dabei hätte man in die Tiefe gehen können, hätten die vier Männer auf der Bühne doch darüber reden können, was die Theaterleute über den Wunsch nach jugendlichen Zuschauern noch bei Popmusikern suchen. Wenn schon Peter Zadeks "Andi"-Inszenierung mit den "Einstürzenden Neubauten" eingespielt wird, warum reden die vier nicht über die Sehnsucht der Schauspieler nach der vermeintlichen "Authentizität" des Rockstars, nach dessen angeblicher unverstellter, ungestümer Echtheit?
Selbstgefällige Theatererinnerungen mit einem unterfordertem Stichwortgeber
Warum holen Theaterregisseure Popmusiker auf die Bühne? Vielleicht, weil ein guter Pop-Song den Zuschauer und Zuhörer Gefühle unmittelbarer erleben lässt als Sprechtheater. Kehrt über die Popmusik eine Art emotionale Überwältigungsästhetik auf die Bühne zurück, die ansonsten unter dem Generalverdacht der Manipulation steht? Darüber hätten Balzer, Müller Meinecke und Kamerun streiten können. Hätten. Stattdessen durften das Publikum zwei Stunden den selbstgefälligen Theatererinnerungen der Herren Balzer, Müller und Meinecke zuhören mit Schorsch Kamerun als unterfordertem Stichwortgeber.
"Die Theatergeschichte kennt viele geschwellte Brustpartien",
...hatte Müller ganz am Anfang gesagt. Dass mit den "geschwellten Brustpartien" eine Warnung war, hatte er verschwiegen. Jede Theaterinszenierung und jedes Pop-Konzert an diesem Abend in Berlin hätten den Besuch mehr gelohnt als diese Veranstaltung.

"Play the Beat - Das Theater und die Musik" die Reihe im Deutschen Theater fortgesetzt wird am 13. Januar fortgesetzt. Dann befragen Jens Balzer und Tobi Müller Gayle Tufts, Angela Richter und Natalia Belitzki.