Deutsches Symphonie-Orchester Berlin

Verkannter Modernist

Sibelius-Denkmal in Helsinki
Sibelius-Denkmal in Helsinki © Volker Michael
02.01.2015
Es ist wieder einmal Sibelius-Jahr. Das beginnt im Konzert im Deutschlandradio Kultur mit einem Programm des DSO, das David Zinman vor vier Wochen in der Berliner Philharmonie geleitet hat. Das wunderbare Violinkonzert steht neben der zweiten Sinfonie und der Suite "Pélleas et Mélisande".
Ein Konzertabend ausschließlich mit Werken des Übervaters der Finnischen Musikkultur - das ist nicht nur etwas für Fans und wird in den kommenden Monaten häufiger vorkommen. Denn das Jahr 2015 bringt unter anderem den 150.Geburtstag von Jean Sibelius. Viele Jahrzehnte lang war es um die Pflege seiner Musik gerade in Deutschland nicht gut bestellt. So gegensätzliche Dirigenten wie Kurt Sanderling und Herbert von Karajan setzten sich für die Werke des Finnen aus schwedischer Familie ein. Andere wiederum - Praktiker wie Theoretiker - lehnten seine Musik ab.
Diese Debatten sind abgeschlossen. Werke wie das Violinkonzert oder einige der Sinfonien gehören zur Weltliteratur. Nicht zu vergessen die kurze sinfonische Dichtung "Finlandia", die immer gern aufgeführt wird, wenn es darum geht, die Klangkraft der Blechbläser eines Orchesters zu demonstrieren, oder - je nach Gusto - auch Beispiele für nationalbewusste Musik zu spielen. Dabei war Jean Sibelius gar nicht so sehr finnischer Nationalist als viel mehr Universalist und vor allem Modernist.
Ist seine erste Sinfonie eine Verneigung vor Tschaikowsky und der russischen Kultur, reflektiert Sibelius in seiner zweiten Sinfonie vor allem akustische Erlebnisse, die er während einer Reise nach Italien gesammelt hatte. Das Violinkonzert ist eines der meistgespielten der Gattung überhaupt, nicht nur wegen seiner melancholisch-nordischen Passagen.
Ganz auf der Höhe der Zeit lag Sibelius auch, als er Musik zum Schauspiel "Pélleas et Mélisande" des belgischen Symbolisten Maurice Maeterlinck schrieb. Claude Debussy hat daraus eine ganze Oper gemacht, Arnold Schönberg und Gabriel Fauré haben darüber sinfonisch gedichtet.
Nach vielen Jahren kehrte David Zinman zum Deutschen Symphonie-Orchester zurück. Der amerikanische Dirigent gilt als präziser und mitreißender Interpret des großen sinfonischen Repertoires. Nachdem er sein langjähriges Amt als Künstlerischer Leiter des Zürcher Tonhalle-Orchesters aufgegeben hat, genießt er nun den Un-Ruhestand eines freien Dirigenten mit der Prognose einer großen Alterskarriere.
Ihm zur Seite stand im Violinkonzert die deutsche, aus Sankt Petersburg stammende Geigerin Alina Pogostkina. Sie hat (als erste Deutsche) den Sibelius-Violinwettbewerb in Helsinki gewonnen und hat überhaupt eine starke Affinität zur nordosteuropäischen Musik. Jüngst hat sie eine Porträt-CD mit Musik des lettischen Komponisten Peteris Vasks aufgenommen. Kein Wunder, liegt ihre Geburtstadt nur wenige hundert Kilometer von Helsinki und Riga entfernt.
Das Programmheft zum Nachlesen
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 7. Dezember 2014
Jean Sibelius
"Pélleas et Mélisande" Suite für Orchester op. 46
Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47
ca. 21.10 Konzertpause
"Sibelius und andere..." Alte und neue Helden in der finnischen Musik
Volker Michael im Gespräch mit dem Musikwissenschaftler Tomi Mäkelä über seine neuen Bücher zur Musik in Finnland:
Tomi Mäkelä: "Saariaho, Sibelius und andere - Neue Helden des neuen Nordens - die letzten 100 Jahre Musik und Bildung in Finnland", Olms Verlag 2014, 29,80 Euro
Tomi Mäkelä: "Friedrich Pacius - ein deutscher Komponist in Finnland, mit einer Edition der Briefe und Tagebücher von Silke Bruns", Olms Verlag/SLS 2014, 39,80 Euro
Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43
Alina Pogostkina, Violine
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: David Zinman