Deutsches Symphonie-Orchester Berlin

Narzisstisch

Der Cellist Alban Gerhardt blickt an den Wirbeln seines Instrumentes vorbei in die Kamera.
Der Cellist Alban Gerhardt spielt "Reflections on Narcissus" © Alban Gerhardt / Sim Canetty-Clarke
26.10.2014
Wer sich selbst zu sehr liebt, gilt als problematisch. Doch über eine gesunde Portion Narzissmus verfügten die meisten Komponisten garantiert. Das DSO Berlin widmet sich in seinem modern-zeitgenössischen Programm verschiedenen musikalischen Zeugnissen der Fremd- und Eigenliebe.
Das Siegfried-Thema schrieb Richard Wagner in Gedanken an seine noch junge Geliebte Cosima von Bülow. Als quasi-Auskopplung seiner gleichnamigen Oper über den Nibelungen-Star komponierte er später für Cosima, die inzwischen Wagner hieß und seine Gattin geworden war, das Siegfried-Idyll. In dieser kammermusikalischen Szene erweist er sich als bescheidener Liebhaber, galt er doch ansonsten als Musterbeispiel eines eher größenwahnsinnigen, leicht reizbaren und missgünstigen Menschen - als Musterbeispiel für einen Narzissten, der sein Defizite mit großartiger Musik übertönen konnte.
Mit wissenschaftlicher Akribie dagegen verfasste Béla Bartók seine Musik. Ob er gerade mit den Klavierkonzerten, die er für den virtuosen Eigengebrauch schrieb, auch Zeugnisse narzisstischer Selbstbespiegelung ablieferte, bleibt offen. Seine Musik für "Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta" aus dem Jahr 1936 ist ein Meisterwerk der klassischen Moderne, gerade weil es so scheinbar sachlich betitelt ist und ein solch emotionales, rhythmisch fundiertes Klangfeuerwerk entfaltet.
Das DSO Berlin spielt diese idyllische Musik Wagners und das exquisit besetzte Werk Bartóks im ersten Teil eines Abends, zu dem der Dirigent und Komponist Matthias Pintscher eingeladen wurde. In beiden Rollen tritt der renommierte Künstler heute Abend in Erscheinung. Seit der letzten Saison ist er Musikdirektor des Pariser Ensemble Intercontemporain. Mit seinen Werken ist er bei vielen internationalen Festivals und bei vielen großen Orchestern zu Gast.
Der Berliner Musiker Alban Gerhardt ist der Solist in einer Art Cellokonzert. "Reflections on Narcissus" schrieb Matthias Pintscher bereits vor acht Jahren. Das Soloinstrument übernimmt darin die titelgebende Rolle, wobei offen bleibt, ob hier nur das schöne Ebenbild des Narziss im Spiegel "reflektiert" wird. Oder ob das seelenvollste aller Streichinstrumente - das Violoncello - dem Selbstverliebten helfen kann, seine ewige Selbstbespiegelung zu beenden und sich der Welt gegenüber zu öffnen und vielleicht einmal die Schönheit anderer Menschen zu erkennen. Die Musik soll ja im allgemeinen über Zauberkräfte verfügen.
Live aus der Philharmonie Berlin
Richard Wagner
„Siegfried-Idyll" für kleines Orchester E-Dur
Béla Bartók
Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta
ca. 21.00 Uhr Konzertpause, darin:
"Musik auf Malle" - ein Kammermusikprojekt von DSO-Mitgliedern auf Mallorca, ein Beitrag von Julia Kaiser, außerdem: Rainer Pöllmann im Gespräch mit Alban Gerhardt und Matthias Pintscher
Matthias Pintscher
„Reflections on Narcissus" für Violoncello und Orchester
Alban Gerhardt, Violoncello
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Matthias Pintscher