Deutsches Symphonie-Orchester Berlin

Für den lieben Gott

Kent Nagano
Kent Nagano © Felix Broede
14.12.2014
Der Dirigent Kent Nagano begreift Anton Bruckner als Wegbereiter der Moderne. Vor allem seine neunte Sinfonie, die dem lieben Gott geweiht ist. Bruckners Weg gegangen ist zum Beispiel Alban Berg - sein selten zu hörendes Kammerkonzert für Klavier, Geige und Bläser bereitet hier die Neunte, Bruckners "Unvollendete" vor.
Es wird immer wieder ein besonderer Abend, wenn Kent Nagano, der ehemalige Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters (er amtierte sechs Jahre Lang ab 2000) zu diesem Ensemble zurückkehrt. Mindestens einmal pro Saison kommt das vor - im vergangenen November war es wieder so weit.
Die Musik Anton Bruckners schätzt Nagano vor allem wegen ihrer transzendentalen Architektur. Die wird besonders deutlich in Bruckners letzter Sinfonie, der neunten, die unvollendet blieb. Kent Nagano spielt sie so unvollendet, lässt sie langsam und leise enden und zeigt sie damit in ihrer ganzen rätselhaft schwebenden Schönheit. Andere setzen einen vierten Satz in Rekonstruktion oder Bruckners "Te Deum" hintenan. Nicht nötig sei das, findet nicht nur Nagano.
Umso wichtiger ist es dann, ein Werk der zweiten Wiener Schule als Vorbereitung auf diese "letzte Sinfonie" aufzuführen, die verdeutlicht, in welchen Kontrasten doch auch Parallelen verborgen liegen zwischen dem einsamen Gottesmusiker Bruckner und den konservativen Revolutionären um Schönberg, Berg und Webern. Alban Berg widmete sein Kammerkonzert für Klavier, Geige und 13 Bläser nicht - wie Bruckner seine Neunte - dem lieben Gott, wohl aber seinem Lehrer und Freund Arnold Schönberg zu dessen 50. Geburtstag. Dieses apart besetzte Stück verfügt ebenso wie Bruckners Musik über eine wohldurchdachte Architektur, allerdings verzichtet Berg hier völlig auf Transzendenz und betont stattdessen die Rationalität.
Die beiden Solistinnen im Berg-Kammerkonzert, die Pianistin Mari Kodama und die Geigerin Viviane Hagner sind dem Deutschen Symphonie-Orchester und Kent Nagano eng verbunden. Gemeinsame Konzerte und CD-Projekte mit traditionellem Repertoire wie mit neuen Werken entstanden in dieser Zusammenarbeit.
Der eine - Anton Bruckner - widmete seine Musik also dem lieben Gott, nachdem er es vorher mit weniger wichtigen Adressaten wie einem gewissen Richard Wagner versucht hatte. Der andere komponierte seine Musik zu einem runden Ehrentag seines irdischen Meisters. Die Motivation zum Komponieren kann also hochgradig unterschiedlich sein. Die jeweiligen Ergebnisse wiederum können einander am Ende ziemlich ähnlich sehen oder klingen.
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 2. November 2014
Alban Berg
Kammerkonzert für Klavier und Geige mit 13 Bläsern
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 9 d-Moll
Viviane Hagner, Violine
Mari Kodama, Klavier
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Kent Nagano