Deutscher Wetterdienst

Warum es so schwierig ist, das Wetter vorherzusagen

Eine Frau geht vor einer aufbrausenden Welle am Strand entlang. Palmen biegen sich im Sturm. Am Strand liegen Trümmer.
Vanuatu, nachdem der Zyklon Pam darüber hinweggerast ist © dpa / picture alliance / Graham Crumb / Unicef Pacific
Gerhard Adrian im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 26.05.2015
Da nützt die beste Wetter-App nichts: Ein Gewitter kann man nur schwer vorhersagen. Die Atmosphäre sei nun mal ein chaotisches System, so der Präsident des Deutschen Wetterdienstes, Gerhard Adrian. Dennoch: Wettervorhersagen würden immer besser.
Dank der Forschung und ausgeklügelter Beobachtungssysteme machen die Meteorologen Fortschritte, erklärt Gerhard Adrian: Heute sei die Wettervorhersage über drei Tage so gut wie vor zehn Jahren die Aussicht die kommenden beiden Tage. Neue Methoden würden es erlauben, Wahrscheinlichkeiten anzugeben: "Wir sind heute in der Lage, dem Kunden zu sagen, wie sicher oder unsicher unsere Aussagen sind, damit er damit angemessen umgehen kann", sagt der Präsident des Deutschen Wetterdienstes.
Im Gegensatz zu einem einzelnen Gewitter ließen sich mittlerweile große Wetterphänomene wie Winterstürme in Europa, aber auch Dürreperioden in den Subtropen längerfristig vorhersagen. Global gesehen nehme die Temperatur sehr schnell zu, in manchen Regionen auch die Stürme. Aber man müsse das differenziert sehen, so Adrian: "Das Klima ändert sich auf der einen Seite, aber die Empfindlichkeit der Menschen auf diesem Planeten mit ihrer Infrastruktur nimmt auch zu."
Gerhard Adrian, Präsident des Deutschen Wetterdienstes
Gerhard Adrian, Präsident des Deutschen Wetterdienstes © Promo
Gerhard Adrian nimmt derzeit am Kongress der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) in Genf teil. Auf dem Kongress geht es um Klimaveränderung und Klimaforschung und damit auch darum, Umweltkatastrophen besser vorhersagen zu können und Menschen und Umwelt zu schützen.

Das vollständige Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Hier vor dem Berliner Studiofenster scheint gerade die Sonne, aber man muss ja nur die Nachrichten hören, und dann hat man sie, die Katastrophenmeldungen aus der Sparte Wetter. In Texas und Mexiko haben verheerende Hochwasser und Tornados viele Menschenleben gekostet, und solche Phänomene, die finden ja längst nicht mehr nur weit weg von uns statt. Anfang Mai hat ein Tornado eine Schneise der Verwüstung durch das mecklenburgische Bützow geschlagen. Oder denken wir an die Hochwasser, die große Verwüstungen angerichtet haben.
Beides, Wetter und Klima und die immer dramatischeren Veränderungen durch die menschengemachte Erderwärmung sind Themen in Genf, wo sich die Meteorologen zum 17. Kongress ihrer Weltorganisation versammelt haben. Professor Gerhard Adrian ist Präsident des Deutschen Wetterdienstes und nimmt an dem Kongress in Genf teil, und jetzt ist er am Telefon. Schönen guten Morgen!
Gerhard Adrian: Guten Morgen!
von Billerbeck: Wetter und Klima, ich hab ja beides in der Anmoderation schon zusammengerührt, aber muss man die beiden Begriffe nicht streng trennen?
Adrian: Nein, muss man nicht, weil Klima ist nach den modernen Definitionen das Ensemble von vielen Wetterereignissen. Das heißt, wenn sich das Klima ändert, und davon gehen wir ja aus, dann ändern sich auch die Wetterereignisse, die Verteilung der Wetterereignis. Es kann also sein, oder wir erwarten das auch, dass bestimmte Wetterphänomene, gefährliche Wetterphänomene häufiger auftreten.
von Billerbeck: Ensemble klingt gut, das klingt so kulturell.
Adrian: Ja, das klingt so kulturell, das heißt also, alle Wetterereignisse, die man hintereinander sieht, und dass man die dann beschreibt im statistischen Sinne, das wäre dann Klima. Aber Klima und Wetter ist somit nicht zu trennen.
von Billerbeck: Wenn man über Wetter redet, dann ist man sofort bei der Wettervorhersage. Und nun gibt es ja sehr viele Apps inzwischen, jeder guckt nur noch auf sein Smartphone, um herauszufinden, wie das Wetter wird. Dennoch bleibt bei den Leuten immer die Meinung, dass die Wetterprognosen unzuverlässig sind. Stimmt denn das eigentlich?
Adrian: Die Wettervorhersagen werden immer besser. Wir erreichen also international durch Verbesserung der Vorhersagen, also Forschung, und durch Verbesserung der Beobachtungssysteme ungefähr einen Tag Vorhersagbarkeit pro zehn Jahre. Das heißt, vor zehn Jahren war die Wettervorhersage über zwei Tage so gut wie heute die über drei Tage. Das ist so das, was wir insgesamt erreicht haben.
Dann dürfen wir nicht vergessen, die Atmosphäre ist ein so genanntes chaotisches System, und das heißt, sie hat, und das ist eine Eigenschaft der Atmosphäre, das hat nichts zu tun mit unserer Fähigkeit oder Unfähigkeit, eine beschränkte Vorhersagbarkeit. Und es geht natürlich darum, an diese Grenze der Vorhersagbarkeit zu kommen und dann auch, und das ist ein neuer Begriff, mit probabilistischen Aussagen, mit probabilistischen Vorhersagen, über diese Grenze hinauszugehen.
Mit einer Risikoinformation kann man über die Grenze der Vorhersagbarkeit hinausgehen
von Billerbeck: Erklären Sie mal das Wort, das kenne ich nicht.
Adrian: Probabilistische Vorhersage heißt – wir unterscheiden zwischen einer – sagen wir mal, die klassische Wettervorhersage sagt, dass es in Berlin, bei Ihnen vor der Haustür, morgen Nachmittag um 13:47 Uhr einen Schauer gibt. Das wäre eine deterministische Aussage. Eine probabilistische Aussage wäre, dass es mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn Prozent morgen Nachmittag in Berlin bei Ihnen ein Gewitter gibt oder so was. Das heißt dann, mit solchen Aussagen, das heißt mit einer Risikoinformation kann man über diese sogenannte Grenze der Vorhersagbarkeit hinausgehen.
von Billerbeck: Welche neuen Methoden benutzen Sie denn nun, um dieses Chaos, was da in der Atmosphäre Ihre Prognosen immer durcheinander bringt, zu lichten?
Adrian: Wir gehen eigentlich zurück auf das, was ein in der Physik und Meteorologie ganz berühmter Mann, Edward Lorenz, formuliert hat: Wir machen nicht eine Vorhersage, sondern wir machen viele Vorhersagen, die sich geringfügig unterscheiden im Anfangszustand. Und diese Unterschiede reflektieren die Unsicherheit im Anfangszustand, weil wir eben keine exakten Beobachtungen haben und weil wir nicht auf jedem Punkt der Atmosphäre eine Beobachtung haben.
Und dann sehen wir, wie die Vorhersagen mit der Zeit auseinander laufen, einfach, weil die Unsicherheit am Anfang schon ein gewisses Maß hat. Und dieses Wachsen des Fehlers, das ist unvermeidbar, und das versuchen wir zu beschreiben. Das heißt, wir sind heute in der Lage, dem Kunden zu sagen, wie sicher oder unsicher unsere Aussagen sind, damit er damit angemessen umgehen kann.
Winterstürme oder Dürreperioden lassen sich gut vorhersagen
von Billerbeck: Und dabei geht es ja nicht immer nur darum, ob man einen Regenschirm mitnehmen muss oder nicht – das sind ja geradezu Luxusprobleme –, sondern vor allem darum auch, Katastrophenrisiken zu reduzieren. Aber heißt das nicht, Sie können zwar das Risiko einer Naturkatastrophe, einer Wetterkatastrophe voraussagen, damit die Leute sich in Sicherheit bringen können, aber mehr eben auch nicht?
Adrian: Wir können – diese Vorhersagbarkeit hängt von dem Phänomen ab. Also, beispielsweise ein einzelnes Gewitter vorherzusagen, ist sehr schwierig für in zwei Stunden oder in drei Stunden. Was wir aber heute sehr gut können, sind zum Beispiel, für unsere Breiten diese Winterstürme, die können wir mittlerweile über einige Tage vorhersagen, und entsprechend alle Nutzer über die Wettervorhersage davor warnen. Aber wenn es dann auch um großräumige Ereignisse geht – in den Subtropen funktioniert das mittlerweile auch ganz gut –, dass man Dürreperioden vorhersagen kann.
Da haben wir auch schon einige Beispiele, wo solche Vorhersagen gut funktioniert haben, sodass sich die Bevölkerung, die Landwirtschaft – also, es geht um Nahrungsmittelsicherheit, Verfügbarkeit von Trinkwasser, dass man sich da versuchen kann, sich drauf einzustellen. Es gibt auch Projekte in den Subtropen, um Versicherungen für Landwirte zu entwickeln, damit, wenn die Dürre zu Ende ist, die Landwirte nicht ihren ganzen Besitz aufgebraucht haben, um ihr Leben zu sichern, sondern dass sie auch dann sofort in der Lage sind, wieder mit ihren Arbeiten zu beginnen, damit auch wieder Nahrungsmittel sehr schnell erzeugt werden können. Dafür gibt es solche Programme, und das ist die Herausforderung für uns in der Meteorologie und auch für die Weltorganisation für Meteorologie, solche Informationen bereitzustellen.
Das Klima ändert sich, aber auch die Empfindlichkeit der Menschen nimmt zu
von Billerbeck: Diese Informationen und die Nachrichten, die kann man ja weltweit verbreiten, und deshalb wissen wir auch, dass die Naturkatastrophen zugenommen haben. Man hat jedenfalls den Eindruck, dass die auch verheerender werden. Sind das auch Ihre Informationen, die Sie ja aus den ganzen Daten zusammentragen können?
Adrian: Also, das muss man differenziert sehen. Das hängt sehr stark von der Region ab. Wir wissen noch immer nicht überall genügend darüber Bescheid. Was man aber auch nicht vergessen darf, ist, dass auch die Vulnerabilität der Bevölkerung oder unserer Gesellschaft bezüglich Wetter auch zunimmt, zum Beispiel auch bei uns in Deutschland.
Allein, dass wir unsere Infrastruktur immer mehr bis an die Grenzen betreiben, werden sie wetterempfindlicher. Das heißt, auch die – wir haben ja den starken Bevölkerungszuwachs auf unserem Planeten, dass die Bevölkerung sich auch in Mega-Cities zusammenballt, die dann häufig auch, wenn man genau hinguckt, auch in besonders empfindlichen Regionen angesiedelt sind, das heißt, in Küstenbereichen durch Sturmfluten gefährdet sind, oder an Flüssen, die durch Hochwasser – oder wo dann die Stadt durch Hochwasser gefährdet ist.
Da kommt vieles zusammen. Ja, wir wissen, die Temperatur nimmt sehr schnell zu, in manchen Regionen nehmen die Stürme zu, aber das muss man sehr differenziert sehen. Die Atmosphäre ist nicht so einfach. Aber da kommen beide Effekte zusammen. Das Wetter ändert sich – oder nein, das Klima ändert sich auf der einen Seite, aber auch die Empfindlichkeit der Menschen auf diesem Planeten mit ihrer Infrastruktur nimmt auch zu.
von Billerbeck: Professor Gerhard Adrian war das, der Präsident des Deutschen Wetterdienstes. Er nimmt gerade am Kongress, am 17. Kongress der Weltorganisation der Meteorologen in Genf teil. Danke Ihnen für das Gespräch!
Adrian: Ja, ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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