Deutscher Fussball-Bund

Sommermärchen kaputt

Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger (r) und sein Nachfolger Wolfgang Niersbach unterhalten sich
Theo Zwanziger (rechts) bezichtigt Wolfgang Niersbach der Lüge. © picture alliance / dpa/ Hanibal Hanschke
Von Günter Herkel · 25.10.2015
Elf Freunde müsst ihr sein, wenn ihr Siege wollt erringen! Ging es nach diesem Leitsatz aus dem Jugendbuch-Klassiker von Sportreporter-Legende Sammy Drechsel, so wäre der Abstieg des DFB wohl unabwendbar. Es habe "eindeutig" eine schwarze Kasse bei der deutschen WM-Bewerbung für 2006 gegeben, sagt Ex-Präsident Theo Zwanziger.
Mag sein, dass bei Zwanzigers Attacke auch Rachegefühle und andere niedere Motive eine Rolle spielen. Aber das klägliche Schauspiel, das der amtierende DFB-Boss Niersbach bei seiner vor drei Tagen offenbar panikartig einberufenen Pressekonferenz bot, legt den Schluss nahe, dass Zwanzigers Vorwürfe nicht völlig haltlos sind. Was als Vorwärtsverteidigung gedacht war, mündete in ein veritables PR-Desaster, als Beispiel für eine dilettantische Krisenkommunikation, die alles nur noch schlimmer machte.
Seine Erklärung, die ominöse 6,7 Millionen-Zahlung an die FIFA im Kontext der WM 2006 sei als Vorleistung für spätere Zuschüsse von eben dieser FIFA gegangen, mutet reichlich abenteuerlich an. Ein bisschen vorschießen, um später wesentlich mehr zu bekommen? Das klingt eher nach den Methoden von Trickbetrügern als nach seriösem Finanzierungsmodell.
Dass die FIFA Niersbachs Darstellung flugs dementierte, macht die Sache nicht wahrscheinlicher. Umso dreister sein Lavieren. Niersbach versprach eine ergebnisoffene Prüfung der Affäre, schloss aber gleichzeitig definitiv einen Zusammenhang zwischen Zahlung und WM-Vergabe aus. Eine ergebnisoffene Prüfung, bei der das zentrale Ergebnis bereits feststeht? Schonungslose Aufklärung geht anders.
Kann sich der weltweit wichtigste Sportverband an der Spitze einen Mann leisten, der in dieser Affäre ein Bild abgibt, das irgendwo zwischen bodenloser Frechheit und gefährlicher Ahnungslosigkeit changiert?
Ging das Geld an Bin Haman?
Hochbrisant ist auch Zwanzigers Behauptung, der Vize-Präsident des deutschen WM-OK habe ihm via Telefon gesagt, die 6,7 Millionen seien an das damalige Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees Mohamed Bin Haman geflossen. Träfe das zu, würde sich der Verdacht erhärten, bei der Vergabe der WM 2006 sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Damit gerät auch das Wirken von Katar-Fan Franz Beckenbauer verstärkt in den Fokus. Zur Erinnerung: Bin Haman wurde 2011 wegen erwiesener Korruption und versuchtem Stimmenkauf zugunsten des WM-Standorts Katar allerlebenslang gesperrt.
"Gute Freunde kann niemand trennen" sang Kaiser Franz einst auf der Höhe seines sportlichen Ruhms. Lang ist's her. Einstweilen ist er auf Tauchstation gegangen. Entlastungsversuche für seinen Weggefährten Niersbach? Fehlanzeige. Jetzt heißt die Losung offenbar: Rette sich wer kann! Die einstige Lichtgestalt mutiert zum Dunkelmann.
Einmal mehr wird deutlich: Es ist gerade die lange gepriesene Autonomie des Sports, die eine effiziente Aufklärung des Korruptionssumpfes in FIFA, UEFA und DFB erschwert. Der Fußball als relevanter Bestandteil der Underhaltungsindustrie bedarf Kontrollmechanismen, wie sie auch in anderen Wirtschaftsbranchen selbstverständlich sind.
Auch die Medien als so genannte "Vierte Gewalt" können diese Rolle nicht ausfüllen. Die kleinteilige Häppchen-Enthüllungsstrategie des "Spiegel", garniert mit vielen Konjunktiven, schuf mehr Verwirrung als Klarheit und unterliegt selbst den Mechanismen gewinnorientierter Nachrichtenproduktion. Die Fernsehsender wiederum, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, sind als Rechteinhaber der großen Fußball-Events ohnehin Teil des Systems, was ihren Enthüllungseifer erfahrungsgemäß deutlich bremst. Die eigene Ware redet man sich halt nur ungern kaputt.
Mehr zum Thema