Deutscher Filmpreis

Kein Rezept für Kassenknüller

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Filmproduzent Martin Moszkowicz © picture alliance / dpa / Volker Dornberger
Martin Moszkowicz im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 09.05.2014
Anlässlich der Verleihung des Filmpreises macht Martin Moszkowicz deutlich, dass es kein Patentrezept für einen Kassenknüller gibt. Man müsse versuchen, die jeweils Besten ins Team zu holen, so der Filmproduzent.
Stephan Karkowsky: Filmpreise werden in der Regel nicht an die erfolgreichsten Kinofilme des Jahres vergeben. Auch über die Deutschen Filmpreise, die Lolas, entscheiden nicht etwa die Millionen von Zuschauern an den Kinokassen, sondern "nur" die 1600 Mitglieder der Deutschen Filmakademie. Die stimmen darüber ab. Und diese Filmakademie, die hat letztes Jahr, die letzten Jahre, muss man sagen, mit Kassenknüllern eher gefremdelt.
Heute Abend aber geht ein Film ins Rennen, der zählt zu den zehn erfolgreichsten deutschen Filmen aller Zeiten: "Fack Ju Göhte" Executive Producer des Films ist Martin Moszkowicz. Er ist Vorstandschef der Constantin Film AG. Herr Moszkowicz, guten Morgen.
Martin Moszkowicz: Schönen guten Morgen!
Karkowsky: Ich darf vermuten, Sie hatten keine schlaflose Nacht vor der Preisverleihung heute Abend, denn bei mehr als sieben Millionen Zuschauern, da sehen Sie dem ganz entspannt entgegen, oder?
Moszkowicz: Ja! Ich sehe dem natürlich entspannt entgegen. Wir haben gestern schon ein bisschen vorgefeiert, weil ein Teil unserer Darsteller gestern den New Faces Award bekommen haben und gleichzeitig auch "Fack Ju Göhte" mit dem CIVIS-Preis ausgezeichnet worden ist.
Karkowsky: Ist bereits preisgekrönt, kann gar nichts mehr passieren. - Sie wissen, als Til Schweigers "Keinohrhasen" vor ein paar Jahren enorm erfolgreich war, aber von der Filmakademie missachtet wurde, da sagte Schweiger:
O-Ton Til Schweiger: "Das Problem - und das ist auch, glaube ich, das Problem hier in dieser Akademie - ist die Spaltung in den Köpfen zwischen Mainstream und Arthouse. Kunst gegen Kommerz, Gut gegen Böse. Wenn diese Unterscheidung weg wäre in der Akademie, in der Filmkritik, dann würde der deutsche Film explodieren."
Karkowsky: Nun ist "Fack Ju Göhte" viermal nominiert, obwohl es eine erfolgreiche Komödie ist. Was meinen Sie denn, hat die Filmakademie auf Schweiger gehört und die Spaltung zwischen Arthouse und Mainstream aufgehoben?
"Filmpreis ist ja kein Bedürftigenpreis"
Moszkowicz: Ich würde mich sehr freuen, wenn die Filmakademie uns alle überraschen würde und einen Film auszeichnet, der Mainstream ist und gleichzeitig irrsinnig erfolgreich war. Weil der Deutsche Filmpreis ist ja kein Bedürftigenpreis. Das heißt, das ist nicht ein Preis, der dem gegeben werden sollte, der ihn am meisten nötig hat, sondern er sollte dem gegeben werden, der ihn am meisten verdient hat.
Karkowsky: Wer hat ihn denn am meisten verdient? Wie sind denn die Kriterien? Wie würden Sie das formulieren?
Moszkowicz: Na ja, einen Film kann man ja nach verschiedenen Kriterien analysieren. Ich finde, dass in jedem Genre es gute und schlechte Filme gibt, und die fünf jetzt zum besten Film Nominierten sind in ihren jeweiligen Genres sicherlich die Crème de la Crème der deutschen Filmproduktion des letzten Jahres. Aber es soll nicht von vornherein ausgeschlossen sein dürfen, dass eine Komödie ausgezeichnet wird, und wir freuen uns auf heute Abend, wenn das dann so kommt.
Karkowsky: So nach dem Motto, der hat eh schon genug Geld verdient, der braucht keinen Preis mehr.
Moszkowicz: Genau! Das ist ja durchaus eine Diskussion, die es in der Akademie gibt, und die finde ich falsch.
Karkowsky: Wie geht es Ihnen eigentlich als Produzent mit Ihrer großen Erfahrung? Lesen Sie so ein Drehbuch wie "Fack Ju Göhte" und sehen das Einspielergebnis an den Kinokassen bereits vor sich?
"Dafür gibt es leider keinen Trick"
Moszkowicz: Dieses Einspielergebnis hat man nicht vorhersehen können, so schön wie das wäre. Dafür gibt es leider keinen Trick, den man anwenden kann. Aber wir wussten schon, dass wir einen erfolgreichen Film an der Hand haben, und das wussten wir schon in den ersten Drehbuchfassungen. So ein Drehbuch entwickelt sich ja nicht über Nacht, sondern das ist ein Prozess, der über anderthalb, manchmal auch viel mehr Jahre, aber in diesem Fall waren es anderthalb Jahre, vor sich geht.
Das Buch wird dann von Fassung zu Fassung immer besser, und wenn man so einen Ausnahmekünstler wie Bora Dagtekin, der es in diesem Fall geschrieben und inszeniert hat, hat, wir wussten schon, dass da was kommt, was funktionieren wird. Aber wir wussten nicht, dass es derartig erfolgreich sein wird.
Karkowsky: Dann lassen Sie uns doch mal hinter Ihr Geheimnis schauen. Was muss ein Film haben, um so erfolgreich zu sein? Könnte ich da aus dem Setzbaukasten sagen, den Schweighöfer rein, ein bisschen Kuschelsex mit der Tschirner, ein Thema, was jeden angeht, dazu politisch unkorrekte Sprüche, Bully Herbigs Humor vielleicht, und schon laufen da Millionen Leute ins Kino?
Moszkowicz: Nein! Diese Art von Spekulation, sage ich mal, würde in den meisten aller Fälle nicht funktionieren. Es gibt drei Grundregeln, die man braucht, um einen guten Film zu machen. Das sind einmal ein gutes Drehbuch, zum zweiten ein gutes Drehbuch und zum dritten noch mal ein gutes Drehbuch.
Wenn man diese drei Faktoren erfüllt, dann ist man schon einen großen Schritt weiter. Und dann muss man natürlich versuchen, in allen anderen Bereichen des Films - Film ist ja eine Teamarbeit und da sind sehr, sehr viele Leute beteiligt und das geht los natürlich bei den Darstellern, aber auch in den gesamten Teamfunktionen, Ausstattung, Musik, Schnitt und so weiter - die jeweils Besten zu holen, die für diesen Job zu kriegen sind. Und wenn man das alles berücksichtigt, dann sind auf jeden Fall mal die Chancen besser, dass man damit auch einen Erfolg produziert.
Karkowsky: Heute Abend werden in Berlin die Deutschen Filmpreise verliehen. Sie hören dazu den Executive Producer von "Fack Ju Göhte", Martin Moszkowicz. - Herr Moszkowicz, dann reden wir mal über die ersten drei Punkte, die einen Film erfolgreich machen: das Drehbuch. Was ist denn ein gutes Drehbuch?
Unglaublichen Dialoge
Moszkowicz: Ein Drehbuch braucht verschiedene Faktoren. Es muss auf der einen Seite überraschen, es muss innovativ sein, es muss geistreich sein, es muss dem Leser auf der einen Seite eine Geschichte erzählen, die er hören möchte, gleichzeitig aber sie so überraschend erzählen, dass er nicht das Gefühl hat, er hat sie schon hundertmal gehört.
Das ist die große Kunst. Bei "Fack Ju Göhte" war sicherlich ein Teil des Erfolges die unglaublichen Dialoge, die Bora Dagtekin geschrieben hat. Dazu gehört zum einen, genau hinzuhören, wenn man sich bewegt in unserer Welt, und das tut er, und zum zweiten aber auch die Fähigkeit, das in einem Drehbuch zu abstrahieren, und das hat er geschafft.
Karkowsky: Til Schweiger sagt, wir haben so wenig Kino-Hits, weil uns die Stars fehlen in Deutschland. Das sehen Sie offenbar nicht, denn sonst gäbe es jetzt nicht den New Faces Award.
Moszkowicz: Es gibt natürlich wunderbare Schauspieler in Deutschland und gerade jetzt eine Garde von jungen, extrem talentierten und auch erfolgreichen Schauspielern. Es gibt immer wieder Diskussionen darüber, dass jemand, der zu erfolgreich ist, gleichzeitig auch ein bisschen, sage ich jetzt mal, niedergemacht wird, und das ist natürlich schade. Da gibt es immer eine gewisse Neiddebatte.
Ich finde, wenn es einem Schauspieler wie jetzt im Fall von "Fack Ju Göhte" Elyas M. Barek gelingt, ein Millionenpublikum zu begeistern, und gleichzeitig sich durch extrem harte Arbeit in der Promotion eines Films so zu profilieren, dann sollte man dazu eigentlich nur applaudieren.
Karkowsky: Aber ich höre heraus, dass Sie sagen, es gibt zu wenig gute Drehbücher in Deutschland. Was tun Sie denn dafür, um diese Defizite zu beheben? Sie könnten ja viel Geld ausgeben, um Drehbuchschreiber auszubilden.
Die Schauspieler Elyas M'Barek und Karoline Herfurth
Fack Ju Göhte: der größte deutsche Kinohit 2013© dpa/Tobias Hase
Moszkowicz: Das tun wir auch. Wir sind an verschiedenen Ecken dabei, zum Teil mit den Filmhochschulen zusammen, aber zum Teil auch direkt, junge Autoren an den Beruf heranzuführen. Ich sage jetzt mal, das Schreiben selber ist nicht so ein wahnsinnig "sexyer" Beruf, weil es natürlich mit vielen Qualen verbunden ist, weil man alleine und eben nicht wie in einem Filmteam mit 30, 40 Mitarbeitern zusammen an seinem Computer oder an seiner Schreibmaschine sitzt und sich etwas einfallen lassen muss.
Das ist ein extrem mühsamer Prozess und ich kann das durchaus verstehen, dass viele junge Menschen sagen, muss ich mir das antun. Am Ende ist es aber so: Wenn es denn dann erfolgreich ist, so wie jetzt im Falle von "Fack Ju Göhte", dann werden natürlich die Autoren besonders belohnt, weil deren, sage ich mal, Ideenwelt ist es ja, die hier realisiert wird.
Karkowsky: Und bei "Fack Ju Göhte" hat Bora Dagtekin Regie geführt und das Drehbuch geschrieben. Das ist nicht der Normalfall. Wie einfach oder wie kompliziert ist es denn, für ein gutes Buch, wenn Sie erst mal eins haben, dann auch einen adäquaten Regisseur zu finden?
Moszkowicz: Ich glaube, wenn man ein wirklich gutes Drehbuch hat, dann ist die Regiefindung nicht mehr so problematisch. In diesem Fall hat sich das angeboten, Bora Dagtekin hatte mit uns schon im Vorfeld "Türkisch für Anfänger" inszeniert. Das war sein erster Kinofilm und es war klar, dass er auch bei diesem zweiten Film selber Regie führen würde, so wie jetzt auch bei dem zweiten Teil zu "Fack Ju Göhte", an dem er gerade arbeitet.
Aber ich glaube wirklich, dass der Ausgangspunkt zunächst mal ist, dass man sich genügend Zeit und auch Geld in die Hand nehmen muss, um überhaupt ein gutes Drehbuch zu entwickeln. Das dauert nämlich, das kann man nicht von heute auf morgen irgendwie aus dem Boden stampfen. Das ist ein mühsamer Prozess, der über viele, viele Fassungen geht. Bei "Fack Ju Göhte" waren es - ich habe jetzt irgendwann aufgehört zu zählen, aber es waren auf jeden Fall weit über 20 Fassungen, die geschrieben worden sind, bevor man mit dem Buch dann in Produktion gegangen ist.
Karkowsky: Und dann ist das Buch da und der Regisseur gefunden. Sie haben in einem Interview mal gesagt, ein Regisseur muss Ihnen als dem Produzenten vermitteln können, dass er weiß, wo sein Publikum ist. Ich vermute mal, das wissen auch die Arthouse-Regisseure, die nur ein kleines Publikum ansprechen. Aber das haben Sie nicht gemeint, oder?
Moszkowicz: Ich meinte damit, dass man überhaupt zunächst mal sich überlegt, für wen mache ich einen Film. Das muss natürlich der Regisseur machen, auf der anderen Seite aber natürlich genauso auch der Produzent.
Aber da muss es eine Übereinstimmung geben, dass man von vornherein weiß, für welches Publikum dieser Film gemacht wird. Das kann auch mal ein großes Publikum sein, wie jetzt bei "Fack Ju Göhte", wo von Anfang an klar war, dass wir uns zunächst mal an ein jugendliches Publikum wenden.
Es kann aber durchaus auch ein viel kleinerer Kreis sein. Ich will nur, dass man sich überhaupt darüber Gedanken macht, und nicht nur den Film sozusagen für sich selbst und die engsten Freunde macht, sondern dass man sich überlegt, für wen soll dieser Film sein, wenn er denn mal das Licht des Projektors erblickt.
Karkowsky: Heute Abend werden in Berlin die Deutschen Filmpreise verliehen und diesmal ist sogar ein Film dabei, der dem Mainstream-Publikum sehr gut gefallen hat.
Sie hörten dazu den Executive Producer von "Fack Ju Göhte", den Geschäftsführer von Constantin Film, Martin Moszkowicz. Ihnen herzlichen Dank!
Moszkowicz: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.