Deutsche Musikbranche

Die Vermessung der Musik

Ein junger Mann trägt große Kopfhörer um den Hals.
Ein Mann mit Kopfhörern © picture-alliance/ dpa / Angelika Warmuth
Von Axel Schröder · 24.09.2015
Mit über 120.000 Beschäftigten übertrifft die Musikwirtschaft die Mitarbeiterzahlen jeder anderen Medienbranche. Im letzten Jahr hat sie 3,9 Milliarden Euro erwirtschaftet. Doch es gibt auch viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse, wie eine neue Marktstudie zeigt.
Die Ergebnisse der gerade vorgestellten Studie "Musikwirtschaft 2015" haben die Auftraggeber der Untersuchung überrascht: Über 120.000 Beschäftigte der Branche erwirtschaften demnach 3,9 Milliarden Euro. Florian Drücke, Geschäftsführer vom Bundesverband der Musikindustrie ist beeindruckt.
"Das ist natürlich etwas, was der Wahrnehmung unserer Branche so bisher noch nicht präsent war. Zumindest nach unserer Meinung. Und deshalb haben wir uns mit den anderen Partnern zusammengetan und zum ersten Mal diese Studie durchgeführt."
In Auftrag gegeben haben die Studie die Branchenverbände all jener Firmen, die mit der Vermarktung, der Produktion oder mit dem Aufführen von Musik ihr Geld verdienen. Also auch der Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft, die Gesellschaft zur Verwertung des Leistungsschutzrechts oder der Verband der Konzertdirektionen. Geleitet hat die Studie Professor Wolfgang Seufert von der Uni Jena. Was die Studie ausmacht, ist die Breite der Untersuchung. Denn, so Wolfgang Seufert, zur Wertschöpfung in der Musikindustrie trägt eben nicht nur der Verkauf von Tonträgern oder - moderner: der Verlauf eines mp3-Clips über das Internet bei:
"Es gibt auch den ganzen Bereich, der mit aktiver Musiknutzung zu tun hat. Also über 14 Millionen Deutsche spielen ein Instrument. Das heißt, da kommt noch eine ganz Menge an Nachfragen an Musikinstrumenten, Noten, auch Musikunterricht in einem großen Umfang dazu. Und in der Gesamtsumme kommt man dann eben auf diese Zahl."
Viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse
1.300 Unternehmen wurden für die Untersuchung befragt, öffentlich geförderte Musikschulen, Theater und Orchester wurden nicht erfasst. Im Ergebnis unterscheidet die Studie zwischen direkte und indirekte Wertschöpfungseffekte der Musikwirtschaft und drittens sogenannte Ausstrahlungseffekte. Die kommen zustande, weil eine mp3-Datei eben einen mp3-Player oder Computer braucht, um abgespielt werden zu können. Rechnet man alle Effekte der Musikindustrie zusammen, kommen die Autoren der neuen Studie sogar auf eine Bruttowertschöpfung von rund 15 Milliarden Euro. Über die großen Zahlen sollte man aber die vielen prekären Beschäftigungsverhältnisse in der Branche nicht vergessen, mahnt Bastian Lange vom Berliner Forschungsbüro "Multiplicities":
"Dazu gibt es sehr wenig Information. Und das sind auch nicht immer die Informationen, die man dann gut in die Presse geben kann. Weil es eben dramatisch weniger und Cent-Beträge sind, die für kreative Leistungen da vermittelt werden."
Tatsächlich belegt auch die neue Studie: Wenige große Player verdienen gutes Geld, viele kleine Künstler können sich nur mühsam über Wasser halten. Rund 35.000 Kreative in der Musikbranche verdienen weniger als 17.500 Euro.
Wo früher noch mit dem Verkauf von CDs oder Schallplatten Geld verdient werden konnte, sind es heute nur Cent-Beträge, die Streaming-Dienste wie Spotify oder Apple Music, an die Künstler weitergeben - wenn sie dort denn überhaupt gelistet werden. Viel wichtiger wird für Newcomer deshalb, auf ein funktionierendes regionales Netzwerk zurückgreifen zu können. Auf Konzertveranstalter, kleine Plattenlabels oder auf Veranstaltungen wie das Hamburger Reeperbahn-Festival. Dort könnten, so Bastian Lange, junge Künstler, der am besten und nachhaltigsten gefördert werden.
"Letztlich geht es um die Frage, wie diese 'Humus-Strukturen' stärker regionale Wirtschaftskreisläufe und Festivalstrukturen eingepflegt werden und immer auch erneuert werden und immer auch eine Anlaufstelle haben."
Und vielleicht schafft es ja die neue Studie, ein Bewusstsein zu schaffen für den Wert, auch den monetären Wert von U- und E-Musik, von kleinen Bands und längst bekannten Künstlern für die regionale Wirtschaft.
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