Deutsch-deutsche Geschichten

"Die Freie Republik Prerow"

Vielleicht liest dieses Ehepaar auf dem FKK-Zeltplatz Prerow auf dem Darß gerade von dem Hickhack, der um die FKK-Strände an der Ostsee entfacht worden ist. Der schon zu DDR-Zeiten heißbegehrte Platz war zu Ferienbeginn ausgebucht gewesen.
Ein Ehepaar auf dem FKK-Zeltplatz Prerow auf dem Darß unter einem Sonnenschirm. © picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck
Von Dieter Bub · 10.06.2015
In Prerow an der Ostsee tummelten sich tausende FKK-Freunde und andere Camper. Darunter waren auch DDR-Prominente wie Manfred Krug oder Angelika Domröse. Bis heute gibt es Menschen, die von dem Ort fasziniert sind.
Saisonbeginn in Prerow am Block K: Vier Männer auf dem Weg in die Ostsee – sie wollen ein altes Ritual wiederholen: Zähneputzen im Meer, ein großer Spaß – auch wenn es hier längst beste sanitäre Anlagen gibt.
Trotz Wind und einer Wassertemperatur von zehn Grad laufen die Alten wie vor dreißig Jahren ins Meer. Die kalte Erfrischung gehört am FKK-Strand von Prerow einfach dazu.
"Wenn man einmal in Prerow war, wird das zur Sucht."
Auch für Helga Hannemann, die seit 1976 hierher kommt und seit Jahren bereits im April ihre Wohnung im Prenzlauer Berg in Berlin verlässt, um sich bis zum Oktober in ihrer Sommerresidenz – einem komfortablen Wohnwagen mit großem Zeltvordach einzuquartieren. Prerow gilt noch heute als einer der schönsten Zeltplätze Deutschlands – mit Blick von den hohen Dünen bis zum Strand, über das Meer.
Brigitte Bergmann und ihre Tochter Theresa kehren nach 30 Jahren zurück. Ein Wiedersehen mit alten Freunden vom Block K.
"Das gibt es doch nicht. Das ist ja unwahrscheinlich. Nach so vielen Jahren sehen wir uns wieder. Und das ist Theresa – meine Liebe. Das ist ja wunderschön."
Die Anfänge vom Block K reichen bis in die 50er-Jahre zurück. Es gab schon zu DDR-Zeiten heißbegehrte Platz war zu Ferienbeginn am 8. Juli restlos ausgebucht gewesenab unter den Campern prominente Besucher wie die Schauspieler Manfred Krug, Eberhard Esche, Stefan Lisewski und Angelika Domröse. Trotz einfacher Ausrüstungen und schwieriger Versorgungslage war Prerow für alle ein Traumziel. Die Frage war: Wie schaffte man es in einem Staat, der alles streng reglementierte und auch den Ferienplatz zuteilte, das persönliche Traumziel zu erreichen?
Ein bunt gemischtes Völkchen traf sich an der Küste
Einer Betriebsärztin von der Warnow-Werft gelang es in jedem Jahr, viele der heiß begehrten Zeltplatzscheine zu besorgen – wie es hieß, für Delegationen aus den sozialistischen Bruderländern. In Wahrheit kamen diese Delegationen aus allen Teilen der DDR, auch von der nahen Küstenregion.
Gerd Wax und Klaus Schulze gehörten Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre zu einer verschworenen Gemeinschaft, die sich hier regelmäßig traf.
"Ja, für uns war der Block K wie die freie Republik, haben wir es doch genannt. Alles traf sich hier. Es waren Künstler. Wir waren ein ganz bunt durchgemischtes Völkchen, die sich immer wieder hier trafen, die immer wieder völlig ungezwungen miteinander umgingen, die dann abends getrunken haben, gefeiert haben. Und wir haben ja auch die Nachtruhe nicht eingehalten. Es wurde kräftig getrunken, natürlich auch, das war ganz typisch für die damalige Zeit."
"Das war nicht ganz einfach, drei Wochen Urlaub hier zu überstehen, denn es wurde täglich gefeiert und wer war dabei – also Stefan Lisewski, ach, wir waren hier eigentlich eine ganze große Familie. Meistens kannten wir uns eigentlich nur mit Spitznamen."
"Aber es wurden auch ganz tolle, großartige Gespräche geführt. Und eigentlich der Blick immer auf das offene freie Meer, was ja eigentlich für uns so grenzenlos erschien, das war der wirklich tolle Reiz von diesem Zeltplatz Prerow."
"Man hatte das Gefühl, man kann alles äußern, was man denkt. Das Freiheitsempfinden, das man da hatte, das hätte ich zu Hause in – wo ich gearbeitet habe, nie gemacht."
Beobachtet von den Grenztruppen
Das Ganze unter Beobachtung der Grenztruppen. Alle 20 Sekunden wurde das Treiben in der Freien Republik gespenstisch von Suchscheinwerfern illuminiert. Die Campingtische waren stets reich gedeckt. An Getränken herrschte kein Mangel. Man traf sich in großer Runde zum Essen, Trinken und Erzählen.
"Es wurde einfach dann aufgetischt, was eben die Wirtschaft damals hergab, was wir mit Mühen dann am Wochenende auch erstanden hatten, mitgebracht hatten. Das war halt so."
"Es wurde immer mal durchgesagt. Es sind jetzt Erdbeeren eingetroffen und dann rannte alles zur Kaufhalle. Da war eine Riesenschlange und wenn man mal grillen wollte, dann musste man sich zeitig genug da anstellen, damit man zur Fleischtheke kam.
Man genoss Prerow, das Traumziel an der Ostsee, obwohl nicht alles traumhaft war.
"Die Toilettenanlagen, das war natürlich eine Katastrophe. Es gab ja nur diese Plumsklos und am Anfang der Saison ging das noch, aber wenn man dann am Ende da war, da war das schon eklig. Na gut, das war halt die Nebensache, das hat man halt so akzeptieren müssen."
Die Sommer in Prerow sind unvergesslich
An der großen Tafel sitzen jetzt drei Generationen zusammen – Papa Schulze, Gerd und Brigitte sind längst Großeltern. Für ihre Kinder, mittlerweile zwischen 35 und 40, sind die Sommer in Prerow unvergesslich.
"Also ich kann mich an Morgende mit Quallen erinnern und Zähneputzen im Meer und gelbe Zelte, wo ganz viele kleine schwarze Tierchen dran hingen und spielen im Sand. Ja..."
"Ich vermute ich war etwa drei Jahre und dann haben wir eigentlich immer den Sommer hier verbracht. Es war wie ne große Familie. Es war eigentlich immer ne sehr gesellige Runde. Also, ich hab das immer als Sonne Endlosfeier in Erinnerung. Und klar, das war schon ein wichtiger Abschnitt von der Jugend. Gerade so ab 14 ist das alles sehr spannend hier gewesen."
"Wir waren eine große Horde, die hier über den Zeltplatz gezogen sind und uns vergnügt haben. Heute sind etwas weniger Kinder hier, aber der Zusammenhalt ist eigentlich ähnlich."
Die nächste Generation der Kinder vom Block K ist längst angekommen. Prerow ist auch ihre Sommerfrische am Meer, komfortabel, frei für Camper aus Ost und West – und ohne die Grenztruppen der NVA mit Schnellbooten und Scheinwerfern auf der Suche nach Flüchtlingen. Der Block K hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren.
"Wenn man das einmal erlebt hat, dann wollte man einfach nur noch hier zelten. Und wieder hierher, weil das war einmalig. Es war einfach eine tolle Atmosphäre, wo man sich sofort wohl fühlte."
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