Dessau

Spekulationen um Bauhaus-Direktor

Von Christoph Richter · 15.11.2013
Seit nun schon fast vier Wochen streitet man sich in Sachsen-Anhalt um die Stelle des Dessauer Bauhaus-Direktors Philipp Oswalt, die Anfang des nächsten Jahres ausläuft. Jetzt wurde eine emotionale Debatte um seine Vertragsverlängerung im Magdeburger Landtag geführt und eine Neubesetzung empfohlen.
Seit nun schon fast vier Wochen streitet man sich in Sachsen-Anhalt um die Stelle des Dessauer Bauhaus-Direktors Philipp Oswalt, die Anfang des nächsten Jahres ausläuft. Jetzt wurde eine emotionale Debatte um seine Vertragsverlängerung im Magdeburger Landtag geführt und eine Neubesetzung empfohlen.
“Was Sie hier abliefern, meine Damen und Herren, ist eine Zirkusnummer. Die leider katastrophale Folgen hat.“
Es war eine emotionale Debatte, angeführt vom Hettstedter Linken-Kulturpolitiker Stefan Gebhardt. Der Streit um die Vertragsverlängerung bzw. Neu-Ausschreibung der Direktoren-Stelle beim Bauhaus Dessau erregte im Magdeburger Landtag die Gemüter, schlug hohe Wellen. Claudia Dalbert von den Grünen nannte es gar ein unwürdiges Schauspiel, wie man versuche, einen verdienten Bauhaus-Direktor aus dem Amt zu jagen.
“Das ist eine Nebelkerze, weil sie offensichtlich keinen benennbaren Grund haben, den Stiftungsdirektor nach der fünfjährigen Periode aus seinem Amt zu entlassen.“
Nachdem sich die Landtagsabgeordneten im Klein-Klein von Satzungsfragen, Stiftungsrecht und anderen Formalien geradezu verhedderten, beschloss die Magdeburger Große Koalition am Ende der 45-minütigen Aussprache, dass die Direktor Stelle bei der Dessauer Bauhausstiftung sofort neu ausgeschrieben werden müsse.
Ein Paukenschlag sei dies, sagen Vertreter der Opposition, aber auch Bauhausdirektor Philipp Oswalt. Denn mit diesem Votum würde die Landesregierung eindeutig und mit offenem Visier in die Autonomie des Stiftungsrates der Bauhaus-Stiftung Dessau eingreifen, der aber allein über Personalfragen zu entscheiden habe.
“Ich weiß nicht, wo das hinführen soll. Erwartet man als nächsten Schritt, dass der Bundestag über die Sache befindet. Der andere Zuwendungsgeber. Das ist jenseits dessen, dass ich das noch nachvollziehen kann, was da passiert.“
Von politischer Seite würde Druck aufgebaut, vermutet Bauhausdirektor Philipp Oswalt, dem sich die Stiftungsratsmitglieder nur schwer werden entziehen können. Der sachsen-anhaltische CDU-Fraktionsvorsitzender Andrej Schröder schüttelt den Kopf.
“Unterm Strich steht ein klares Landtagsvotum, das heute gefasst worden ist. Was die Bedeutung des Bauhauses, die strategische Ausrichtung, die der Stiftungsrat zu verantworten hat, ausdrücklich würdigt. Und noch einmal klar und unmissverständlich deutlich macht, dass die Direktorenstelle – jetzt wenn die Vertragslaufzeit 2014 endet – neu zu besetzen ist. Und zwar in Form einer Ausschreibung. Denke die Beschlusslage ist deutlich und ich hoffe, dass der Stiftungsrat, sich an diesem klaren Landtagsvotum orientiert.“
Von politischer Einflussnahme, einer Drohgebärde will Christdemokrat Andrej Schröder nichts hören. Auch wehre man sich gegen das Bild von Provinzpolitikern, die mit dem Bauhaus eine Ikone der Moderne ruinieren würden; die mit einem Intellektuellen wie Oswalt nicht klar kämen, nur weil er eine eigene Meinung hätte.
Der sozialdemokratische Kultusminister Stephan Dorgerloh betont schmallippig, dass Philipp Oswalt das Bauhaus in den letzten fünf Jahren nach vorne gebracht, inhaltliche Debatten angestoßen habe, doch eine Neu-Ausschreibung sei zwingend notwendig, unumgänglich. Punkt. Denn wenn man Oswalts Vertrag jetzt verlängern würde, müsse man seiner Lesart nach, spätestens 2019 – also mitten im 100. Jubiläumsjahr des Bauhauses – wieder ausschreiben. Und das wäre schlicht verantwortungslos, denn dann wäre das Bauhaus beim großen Jubiläum ohne Direktor, also kopflos, so Dorgerloh weiter.
“Wir haben ja klargestellt, dass wir ordnungsgemäß nach Satzung verfahren. Das heißt, die Stelle ist befristet, die läuft jetzt aus. Sie kann ausgeschrieben, sie muss nicht ausgeschrieben werden. Aber es gibt gute Gründe jetzt auszuschreiben. Die Gründe, die man formal nennen kann, die kann man auch öffentlich nennen. Dann gibt es Gründe, die sind in der Person begründet, die gehören aber in den Stiftungsrat.“
Mehr wolle Dorgerloh dazu nicht sagen. Auch von den Stiftungsratsmitgliedern - wie dem Dessauer Oberbürgermeister Klemens Koschig oder Bernd Neumann, dem Kulturstaatsminister - ist über die Gründe, den Sinneswandel, warum man Philipp Oswalt plötzlich nicht mehr wolle, obwohl man ihm noch im März eine Vertragsverlängerung zugesagt habe, nichts zu hören.
Architekt Philipp Oswalt reibt sich verwundert die Augen.
“Die Mitarbeiter des Hauses, der Personalrat hat Stellung bezogen und hat darum gebeten, dass man die gemeinsame Arbeit fortsetzt, weil man jetzt ein Konzept hat, was man zum Jubiläum weiter führen will. Natürlich entscheidet nicht der Personalrat und die Mitarbeiter des Hauses über die Frage des Direktorats, ist eine Frage des Stiftungsrates. Aber offenkundig gibt es diese vermuteten Differenzen nicht.“
Auch aus Kreisen des wissenschaftlichen Beirats, so Oswalt weiter, sei nichts anderes zu hören.
Hinter den Kulissen kursieren indes wilde Spekulationen, weshalb man von ihm abgerückt sei. So sollen es Oswalts wiederholt polternden Auftritte auf Veranstaltungen gewesen sein, auf denen er immer wieder Sachsen-Anhalt als ein Land diskreditiert haben soll, in dem man nicht leben könne. Auch fehle ihm politisches Gespür. Gerade seine Alleingänge, ist aus dem Kultusministerium zu hören, hätten für viel Missmut gesorgt. So soll er unter anderem eine Klage gegen das Bauhaus-Archiv in Berlin angestrengt haben. Ein Gerücht, was SPD Kultusminister Stephan Dorgerloh nicht dementiert:
“Auf jeden Fall gab es dort das Ansinnen, sich rechtlich auseinanderzusetzen.“
Auch der Streit um den Standort des neuen Bauhaus-Museums steht als möglicher Dissens im Raum, warum man Philipp Oswalt als Dessauer Bauhausdirektor nicht mehr haben wolle.
Mittlerweile sorgt der Fall auch weltweit für Aufsehen. Derzeit kursieren drei offene Briefe, die sich für die Vertragsverlängerung von Philipp Oswalt stark machen, da nur er eine inhaltliche Kontinuität der Arbeit in Dessau sicherstellen würde. Der Präsident der Musikhochschule Weimar Christoph Stölzl ruft alle Beteiligten zur Besonnenheit auf. Denn das Bauhaus, so wird er in der „Zeit“ zitiert, sei nicht irgendeine Behörde, „wo kurzfristig ein fliegender Wechsel stattfinden könnte oder wo es keine Rolle spielt, ob sie sich kürzer oder länger kommissarisch leiten lässt."
Am 22. November trifft sich der Stiftungsrat der Bauhaus-Stiftung Dessau um über die Personalie Philipp Oswalt zu entscheiden. Es wird spannend zu beobachten sein, wie die Stiftungsratsmitglieder entscheiden, ob sie sich dem Votum der sachsen-anhaltischen Landesregierung unterordnen oder ob sie sich dem widerstellen. Gar den Vertrag um Philipp Oswalt verlängern. In diesem Falle würde das – zumindest bei einigen Landespolitikern und den Kritikern von Philipp Oswalt – Schnappatmung und ein kleines Beben auslösen. Also es bleibt spannend. Fortsetzung folgt.