Der Wille zum Sieg

Die Rückkehr männlicher Härte

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht neben US-Präsident Donald Trump bei der Pressekonferenz am 17.03.2017 in Washington in den USA.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump geben eine gemeinsame Pressekonferenz. © dpa / picture alliance / Michael Kappeler
Von Paula-Irene Villa · 04.04.2017
Ist die Erfolgsgeschichte Donald Trumps einfach Zufall? Das will die Soziologin Paula Irene Villa nicht glauben. Sie sieht viel mehr die Rückkehr einer männlichen Autonomie-Fiktion am Werk. Und die hat Tradition – das Ideal der Härte sei Kern moderner Männlichkeit, meint sie.
Donald Trump: Ein polternder Narziss, der in so gut wie jedes ästhetische und rhetorische Fettnäpfen tritt, ja geradezu springt, das die politische Arena der Öffentlichkeit bereit hält. Ein Macker, der sich wie Halbstarker aufführt. Trivial? Mitnichten.
Mit Trump kehrt eine eigentümlich heroische Form von Politik zurück, die viele für vollends diskreditiert hielten – jedenfalls in den aufgeklärten, pluralistischen, demokratischen Rechtsstaaten. In jenen Kontexten also, die sich als differenzversiert behauptet hatten. Mit Obama war tatsächlich eine Form des Politischen bestimmend gewesen, die sich der Anliegen allerlei differenten Gruppen angenommen hatte, was nicht zuletzt auch Demut und Anerkennung für die Anliegen und Probleme derjenigen erfordert, die selber nicht zu den Mächtigen, zu den Siegern, zu den Bestimmern zählen.

Dezisionismus: Die Tat als Sieg

Dem Dezisionismus, den Trump – wie auch Putin – verkörpern, gilt das als Schwäche. Differenzversiertheit ist für sie was für ‚Loser‘. Stattdessen erleben wir an diesem neuen Stil eine Form der Selbst-Behauptung, die die Programmatik der eigenen Stärke in Gesten und körperlichen Metaphern des Übergriffs und der Sieges formuliert. "Grab’em by the pussy! I’m good at winning!", sagt und twittert der Präsident gänzlich unironisch.
Genau das macht das Charisma des Donald Trump aus: Es ist die Verkörperung des Dezisionismus: Eine politische Programmatik, die die Tat zum Wert an sich erhebt. Die nicht reflexiv abwägt und differenziert begründet, sondern die Entscheidung als Tat favorisiert. Die das Gewinnen – und nicht etwa die beste Lösung oder die innovative Vision – zum Maßstab des Politischen macht. Und die, logisch!, alles verachtet, was nach Schwäche aussieht. Kritiker werden als Heulsusen karikiert, die mit der Niederlage nicht klar kommen. Ich würde dies als "dezisionistische Härte" bezeichnen. Eine Form, die sich von Abwertung, Rache und Antagonismus nährt. Die von Empathie nichts wissen will.

Ästhetik der Härte und des Sieges

"Jede Form von Machtlosigkeit wird sofort angegriffen", so die Historikerin Dagmar Herzog über Trumps Stil, der sie aufgrund der Verachtung für Schwäche und Verwundbarkeit an historische Formen des Faschismus erinnert.
Aber die Ästhetik der Härte und des Sieges ist weder nur ‚faschistisch’ noch ist sie der Politik vorbehalten. Sie ist der historische Kern hegemonialer Männlichkeit. Ehre, soldatische Wehrhaftigkeit, Kampfbereitschaft, der Wille zum Sieg – das sind tradierte Elemente, die der männlichen Natur zugschrieben werden und Grundpfeiler einer wesentliche Schimäre der Moderne: Die Fiktion von Autonomie und Unverletzlichkeit, die alles Unwägbare und Zufällige unterwerfen und die eigene Berührbarkeit verdrängen möchte.

Berührbarkeit als Grundlage der Demokratie

Eine Selbst-Behauptung, die nichts wissen will von der eigenen Affizierbarkeit – und die affektive Resonanz als verweichlichte Gefühlsduselei lächerlich machen will. "Snowflakes" nennen viele Trump-Anhänger die Liberalen, die sich für die Rechte etwa von Minderheiten einsetzen. Verweiblicht und damit degeneriert nannten die deutschen Nationalisten den Erbfeind Frankreich. Und auch im Antisemitismus ist die Trope des unmännlichen Juden zentral.
Dass Männlichkeit immer wieder mit dezisionistischer Härte identifiziert wird,– richtige Männer weinen nicht! – heißt übrigens noch lange nicht, dass nur biologische Männer dies könnten oder für sich reklamieren würden. Es gibt hammerharte Frauen ohne einen Funken Empathie, auch im Polit-Business.
Pluralistische Demokratie indes braucht keine dezisionistischen Härte-Fiktionen. Sie braucht viel mehr, und mehr denn je die Anerkennung der Berührbarkeit und Verwundbarkeit Aller. Das würde einen konstruktiven Kontrapunkt zu der auch hierzulande zunehmend fundamentalistisch werdenden politischen Kultur setzen.

Paula-Irene Villa ist Professorin für Soziologie und Gender Studies an der LMU München und unter anderem im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Sie forscht und lehrt zu Biopolitik, Sozialtheorien, Care/Fürsorge und Popkultur.


Paula-Irene Villa
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