"Der Wiederaufbau gelingt"

Moderation: Tom Grote · 21.11.2006
Der Vorsitzende des Fördervereins Berliner Schloss, Wilhelm von Boddien, hat die Pläne zum Wiederaufbau und zur Nutzung des Berliner Stadtschlosses verteidigt. Hier werde kein billiger Abklatsch entstehen, sondern das historische Bauensemble werde komplettiert, sagte von Boddien. Zugleich zeigte er sich optimistisch, die erforderlichen Spendengelder zusammenzukommen.
Tom Grote: Luftschloss ohne Geldgeber und nationale Funktion, so Kritiker über das Berliner Schloss, das ja auf dem Gelände des Palastes der Republik wieder entstehen soll. Der Vorsitzende des Fördervereins Berliner Schloss antwortet seinen Kritikern jetzt im Radiofeuilleton. Ich begrüße Wilhelm von Boddien. Guten Tag, Herr von Boddien.

Wilhelm von Boddien: Guten Tag.

Grote: Vor gut zwei Wochen haben wir hier im Radiofeuilleton den neuen Katalog des Fördervereins für das Berliner Schloss besprochen. Ein schön aufgemachter Katalog, in dem ja die einzelnen Teile der Fassade des Schlosses für Förderer oder Sponsoren zum Kauf angeboten werden wie in so einer Art Versandhauskatalog. Das Ganze ist eine Aktion Ihres Fördervereins, um Geld reinzubekommen für den Wiederaufbau der Schlossfassade. Wir hatten zu diesem Thema den Architekturkritiker Nikolaus Bernau zu Wort kommen lassen und der hat sich den Katalog ganz genau angekuckt und hat dann Folgendes dazu gesagt:

Bernau: Das Ganze hat natürlich so etwas von einem Katalog wie diese berühmten Gipskataloge des späten 19. Jahrhunderts. Der Spruch ist vielleicht manchem geläufig, dass der Baumeister sein Haus fertig hat und dann den Auftraggeber fragt, was für ein Stil denn jetzt dran soll. Und genau so etwas hat das. Ich habe mir den auch noch einmal in der Kunstbibliothek angekuckt, das sind Formenkataloge gewesen, um 1900, die ungeheuer prachtvolle Architekturen vorgesehen haben. Und was dahinter stand, war eigentlich weitgehend egal. Und das ist ja bei diesem Projekt, bei diesem Katalog, genau das Gleiche. Die Fassade hat ja überhaupt nichts zu tun mit dem was hinter der Fassade stattfinden wird.

Grote: Soweit also der Architekturkritiker Nikolaus Bernau. Herr von Boddien, wie sehr ärgert Sie das denn, dieses außen hui und innen pfui?

Von Boddien: Wenn es Nikolaus Bernau sagt, ärgert mich das eigentlich nicht, sondern dann melde ich mich und sage etwas dagegen, weil Nikolaus Bernau einer der härtest gesottenen Schlossgegner überhaupt ist. Er hat den Palast gepowert, zwei Jahre lang, und ärgert sich, dass der Palast abgerissen wird.

Grote: Er kann ja trotzdem Recht haben.

Von Boddien: Wenn er Recht hätte, würde er zum Beispiel wissen, dass der Deutsche Bundestag beschlossen hat, dass - wo immer möglich - in dem neuen Konzept die historischen Wohnräume, die historischen Räume des Schlosses, hinter den Fassaden wieder entstehen werden. Und er hat ja auch das Interview mit Senatsbaudirektor Stimmann gelesen, in dem dieser gesagt hat, wenn ein Amerikaner die Linden runtergeht und sieht dieses Schloss und sagt: "Oh, what a wonderful ancient building", dann darf er nicht durch ein Portal gehen und in den Sanitäranlagen eines modernen Hauses landen. Sondern, das Innere und das Äußere müssen einander entsprechen. Das ist die fehlende Ernsthaftigkeit von Herrn Bernau, weswegen ich mich auch hier zu Wort melde.

Grote: Herr Bernau hat ja bei uns im Radio Feuilleton außerdem gesagt, nichts von dem, was hinter der Fassade gebaut werden soll, steht wirklich fest. Was sagen Sie?

Von Boddien: Hundert Prozent steht es fest. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Landeszentralbibliothek und die Humboldt-Universität betreiben dieses Gebäude in ihren wesentlichen Teilen. Alle haben ihre Baupläne und Bedarfspläne beim Bundesbauministerium abgegeben. Dieses ist im Augenblick mit Hochdruck dabei, die Wettbewerbsvorbereitung für die spätere Ausschreibung zu machen, und es wird wohl politisch, so wie der Koalitionsvertrag, auch zügig entschieden werden. Das heißt, die Dinge sind viel weiter, als Herr Bernau glauben macht. Und die Nutzung steht fest, das Humboldt-Forum soll rein. Das ist natürlich ein Begriff, der für viele äußerst schwammig ist, aber wenn man weiß, dass Alexander von Humboldt der zweite Entdecker der Welt ist, wenn man weiß, dass Dahlem die Museen der außereuropäischen Kunst enthält und aber unter großem Besuchermangel und erheblichen baulichen Mängeln leidet, dann ist klar, dass diese Museen in Dahlem aufgelöst werden und auf die Museumsinsel kommen und zusammen mit dem Bode-Museum und den anderen Museen der europäischen Kunst einen einzigartigen Weltort der Kultur geben. Herr Bernau müsste nur einmal bei Peter-Klaus Schuster oder Professor Lehmann, dem Präsidenten der Stiftung Deutscher Kulturbesitz, nachlesen. Aber das weiß er alles, aber er will es nicht wissen.

Grote: Der Berliner Senat hat doch seinen Anteil am Projekt zurückgezogen. Das heißt, die Landesbibliothek und die Humboldt-Uni nehmen nicht mehr teil, oder?

Von Boddien: Ja, das ist aber noch nicht raus, denn einmal -

Grote: Aber es läuft doch darauf hinaus, angesichts der Finanznot in Berlin.

Von Boddien: Die Finanznot ist jetzt nicht größer als sie damals war. Und damals, auch ohne ein gewonnenes Verfassungsgerichtsurteil, hätte Berlin seine Zusagen gegeben. Das war nach meiner Meinung eher eine Trotzreaktion. Ich habe mit dem Präsidenten der Humboldt-Universität gesprochen, Professor Markschies, der sagt, das Wissenschaftsmuseum geht in jedem Falle rein. Sie werden das organisieren, dass das klappt. Die Landeszentralbibliothek ist direkt im Gebäude im Marstall nebenan. Sie würde sowieso nur mit einer Kopfstelle reingehen. Auch da sind von Herrn Bernau die Zahlen falsch wiedergegeben worden. Der Regierende Bürgermeister Wowereit hat vor kurzem in einem "Tagesspiegel"-Interview gesagt, das Projekt sieht er als überhaupt nicht gefährdet an, weil Berlin sowieso nur zehn Prozent des gesamten Volumens getragen hätte und nicht, wie immer behauptet wird, ein Drittel oder 25 Prozent oder so. Also insofern bin ich ihm dankbar, dass ich hier dazu Stellung nehmen darf. Es ist so jammerschade, auf Berlin kommt wirklich eine großartige Vision zu. Der Generaldirektor des Britischen Museums hat angesichts der Eröffnung des Bode-Museums vor drei Wochen in der "FAZ" einen Artikel geschrieben, dass sich in Berlin, angesichts der Qualität der Sammlung, aber auch der Qualität der Darstellung, ein neues Weltwunder anbahne. Und die Maßstäbe sind gesetzt, mit der alten Nationalgalerie, mit dem Bode-Museum, später mit den anderen Museen, die jetzt restauriert werden und auch mit dem Schloss, in dem dann die außereuropäische Kunst ist. Das wird ein unglaublicher Wurf, und ich würde mich viel mehr freuen, wenn Herr Bernau, anstatt in der Mäkelecke zu sitzen, sich auch einmal freuen könnte, über das was auf Berlin zukommt.

Grote: Bleiben wir noch einmal oder kommen wir noch einmal zurück auf das Geld. Bernau meinte auch, Sie hätten bisher für die Fassade nur zirka acht Millionen Euro an Sponsorengeldern. Es würden aber, glaube ich, 80 Millionen benötigt. Stimmt das, hat er Recht, oder erzählt er auch wieder Quatsch, wie Sie sagen?

Von Boddien: Ja, also er macht unsere Zahlen immer gerne nach unten und die Baukosten macht er nach oben. Er schreibt ja auch, dass das Schloss 1,2 Milliarden kosten wird. Wir gehen von den allgemeinen Schätzungen aus, die auch ein wissenschaftliches Gutachten ergeben hat. Und das werden auch die Wettbewerbe beweisen. Wir sind jetzt bei 13,4 Millionen, Kassensturz gestern. Das sind Barspenden, die wir haben, mit denen wir zum Beispiel die gesamte Schlossplanung fast fertig haben, mit denen wir erste Modellbauten machen, und es sind verbindliche Zusagen. Wir haben zum Beispiel einen Großspender, der uns das Portal Eins gestiftet hat, das ist ein Gegenwert von zweieinhalb bis drei Millionen. Die gibt er uns ja nicht einfach auf die Hand und sagt, nun lebt mal schön davon, sondern er sagt, ich gebe sie Euch in Raten, damit ich sehe, wie der Baufortschritt auch bei Euch ist. Also haben wir erst einmal die Pläne gemacht, dann haben wir die Modelle angefangen. Wir haben jetzt von ihm 500.000 bekommen, kriegen also noch eine ganze Menge mehr, was er auch fest zugesagt hat. Die nächsten zweieinhalb Tausend sind angekündigt, weil er jetzt sehen will, dass die Kapitelle gefertigt werden. Und insofern, vielleicht eine Sache noch, Bernau sagt auch, ich hätte ja gar keine Großspender, weil ich ja keine Namen nennen würde. Sie müssen eines wissen: Die meisten Leute haben einen Horror davor, überfallen zu werden mit Werbebriefen von anderen Spendenvereinen, nur weil sie Geld gegeben haben, also sind sie sehr heimlich und sehr anonym. Und ich wäre sehr dumm beraten, wenn ich Namen nennen würde.

Grote: Deutschlandradio Kultur, das Radiofeuilleton. Wir sprechen mit Wilhelm von Boddien, dem Vorsitzenden des Vereins Berliner Schloss, zu den Plänen des Wiederaufbaus, erst einmal der Schlossfassade und dann des Gesamtgebäudes. Nehmen wir einmal an, Sie bekommen jetzt die ungefähr 80 Millionen für die Fassade zusammen. Und dann kann man sagen, gibt es in Berlin auch so eine Art Disneyland: Viel Kulisse, erst einmal nichts dahinter.

Von Boddien: Dazu darf ich sagen, wir waren mit dem Kirchenbaudirektor Burger von der Frauenkirche, der uns auch berät, weil er große Erfahrung gesammelt hat, kürzlich - der hat uns beim Architekten besucht, da haben wir eigentlich sehr intensiv miteinander gesprochen. Und dann fuhren wir zu den Bildhauern und dann wurde er immer stiller und immer stiller. Und dann hatte er auf meine Frage, ob wir irgendetwas falsch machen würden, weil er jetzt so still würde, nur gesagt: "Wissen Sie, es war vielleicht doch für mich ein großes Glück, eine schlichte evangelische Barockkirche aufzubauen." Ein Schloss ist eine ganz andere Herausforderung. Disneyland heißt, ich mache alles ein bisschen billig und ich mache es nicht genau. Wir haben ja eine hohe Verantwortung: Die Stadtmitte Berlins ist voll von historischen Gebäuden alleräußerster architektonischer Qualität, wenn wir jetzt ein wirkliches Disneyland, einen billigen Abklatsch des Schlosses in die Stadt reinsetzen würden, würden wir die gesamte Stadtmitte runterziehen. Denn dieses Schloss wird ja nur aufgebaut, um das Ensemble wieder zu komplettieren und ihm seine Wertigkeit zu geben. Nun stellen Sie sich vor, Sie würden jetzt also irgendetwas Billiges rein tun, dann würde der Rest mit zusammenfallen. Sie können über eine Louis XVI-Kommode, ich sage einmal ein Gemälde von Picasso hängen, aber nicht die vollbusige Zigeunerin aus der Kunstabteilung von Karstadt - ohne dass ich damit Karstadt wehtun will.

Grote: Mit Disneyland ist aber gemeint, es gibt sozusagen vorne eine Fassade und erst einmal nichts dahinter, weil, da fehlen immer noch 560 Millionen Euro. Wo sollen die herkommen?

Von Boddien: Diese sind ja, die Museen Stiftung Preußischer Kulturbesitz, über die wir vorhin gesprochen haben, und die werden vom Bund bezahlt und auch bewilligt. Und das ist auf einem guten Weg, da bin ich ganz sicher, sonst würden ja die Planungen auch nicht so massiv vorangetrieben werden. Schließlich hat eine Dreiviertel-Mehrheit des Bundestages den Abriss des Palastes befürwortet, weit über Zwei-Drittel-Mehrheiten für das Schloss gestimmt, und Wolfgang Thierse, der damalige Bundestagspräsident, sagte auf eine Frage von Journalisten, ob das nicht alles ein bisschen Humbug wäre, wenn der Bundestag etwas beschließt, dann meint er es auch. Verstehen Sie, da steht auch Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Es ist ja nicht so, dass wir etwas erreicht haben, sondern da hat der Souverän, der politische Souverän, entschieden, wir wollen das. Also wird es auch.

Grote: Von welchen Summen gehen Sie aus, die Sie bekommen werden vom Bund?

Von Boddien: Wir werden gar nichts bekommen, der Bund wird eine viereckige Kiste bauen, in welcher Form auch immer, wenn wir die 80 Millionen nicht schaffen. Wir haben jetzt diese 13,4 Millionen geschafft, in zweieinhalb Jahren. Seit 2004 sammeln wir erst richtig und zwar ohne jede öffentliche Unterstützung. Und ich muss sagen, ich träume davon, es ist wie bei der Frauenkirche, wo es im letzten Jahr des Wiederaufbaus eine Anzeige gibt, wo vier leibhaftige Bundespräsidenten mit ihrem Konterfei werben, doch die letzten fünf Millionen für die Frauenkirche zu geben. Da sind wir noch in den Startschuhen, aber jeder, der sich genau erinnert, weiß, dass es bei der Frauenkirche 93/94 enorme Probleme gab, Widerstände ohne Ende, und jetzt ist sie fertig und alles jubelt. Den gleichen Optimismus habe ich auch beim Schloss. Und vielleicht darf ich sagen, wenn Herr Bernau mich also immer für so einen Optimisten hält, ich kenne eine ganz platte Definition zwischen Optimismus und Pessimismus und das unterscheidet mich von Herrn Bernau: Ich sage mir immer, der Mist ist derselbe, es liegt an dir, welche Vorsilbe du wählst.

Grote: Sie haben es eben gerade gemacht und auf ihrer Internetseite da taucht es auch immer wieder auf, nämlich der Vergleich mit der Frauenkirche in Dresden. Die ist aber ein nationales Symbol und das kann man vom Hohenzollernschloss ja nicht unbedingt sagen.

Von Boddien: Ich glaube die Frauenkirche ist ein nationales Symbol nach der Wiedervereinigung geworden.

Grote: Das war sie vorher aber auch schon.

Von Boddien: Sie war vorher ein Symbol für den Protestantismus in einem katholisch gewordenen, sächsischen Land. Sie war eine bedeutende Kirche. Aber dann muss man auch sagen, das Berliner Schloss war, zumindest kunsthistorisch, der bedeutendste römische Palast nördlich der Alpen. Also es ist ja den römischen Bauten nachempfunden worden, so wie das Brandenburger Tor den Propyläen von Athen nachempfunden wurde. Da war man früher viel unkomplizierter auch, weil man den Begriff Disneyland vielleicht nicht kannte, aber diese Begriffe treffen dann vielleicht ja auch zu, wenn ich etwas so nachmache. Nein, dieses Gebäude wird ja nicht seiner selbst willen wieder aufgebaut. Wenn es am Potsdamer Platz stände, oder am Alexanderplatz gewesen wäre, wo die Nachkriegsgeschichte Tabula rasa gemacht hatte, da würde doch die Wiederaufführung eines barocken Baukörpers wirklich ein Störfaktor sein, es harmoniert doch nicht. Aber hier steht eben ausschließlich Architektur rund um den Schlossplatz herum, die sich auf dieses Schloss kapriziert hat und die entwertet jetzt ist. Keiner kennt die Proportionen. Ich weiß noch, wie viele Leute erstaunt waren wie das Zeughaus, ein wundervoller historischer Bau, wieder sein Maß bekam, als wir die Attrappe in die Stadt stellten, 1993/94. Und plötzlich sagten sie, es stimmt alles hier, oder wie Frau von Weizsäcker sagte, Herr von Boddien, es sieht alles wieder so normal aus, als ob hier nie etwas anderes gewesen wäre. Und das ist, glaube ich, die entscheidende Sache, wir müssen im Ensemble denken. Und hier geht es darum ein Ensemble zu retten und nicht, ein Schloss wieder aufzuführen.

Grote: Der Vorsitzende des Fördervereins Berliner Schloss, Wilhelm von Boddien, im Radiofeuilleton. Vielen Dank für das Gespräch.
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