Der Wettlauf zum Nordpol

Von Mirko Smiljanic · 06.04.2009
Vor mehr als hundert Jahren versuchten Forscher und Abenteurer, als Erste den Nordpol zu erreichen. Wer diesen Wettlauf gewonnen hat, ist bis heute ungeklärt. Der amerikanische Polarforscher Robert Edwin Peary zählt zu den Kandidaten. Am 6. April 1909 meinte er, den Nordpol erreicht zu haben. Tatsächlich hat er den Punkt aber um etliche Kilometer verfehlt.
"Der letzte Marsch nach Norden endete am 6. April um zehn Uhr vormittags. Nach meiner Rechnung mussten wir in unmittelbarer Nachbarschaft des Ziels all meines Strebens sein. Wir nahmen die üblichen Anordnungen vor, um ein Lager zu beziehen; dann machte ich etwa am Mittag auf dem Meridian von Columbia die erste Beobachtung in unserem Lager am Pol. Sie ergab als unsere Lage 89° 57'."

So schrieb es Robert Edwin Peary in sein Tagebuch. Allerdings waren seine Berechnungen falsch. Seiner Meinung nach war er nur rund drei Kilometer vom Pol entfernt, tatsächlich müssen es aber wesentlich mehr gewesen sein. Sein Irrtum verwundert, denn Peary war ein erfahrener Polarforscher, der viel von den Eskimos gelernt hatte. Franz Tessensohn, Mitglied der "Deutschen Gesellschaft für Polarforschung" in Bremerhaven, fand vor wenigen Jahren die Reste von Pearys Basisstation Fort Conger.

"In dieser Basis kann man eben noch sehen, dass er den Eskimostil weitgehend angenommen hatte. Seine Vorgänger hatten Holzhäuser aufgestellt. Und er hat die Behausung für sich und seine Leute in den Boden eingegraben…"

…und damit Unterkünfte geschaffen, die weit besser Stürmen und eisigen Temperaturen trotzten.

Robert E. Peary - am 6. Mai 1856 in Pennsylvania geboren - entwickelte schon bald ein ausgeprägtes Interesse für die Polarforschung. Sein Ziel war es, als erster Mensch den Nordpol zu erreichen. Doch er hatte einen starken Konkurrenten. Frederick Cook, ebenfalls Amerikaner, versuchte dies über eine andere Route ebenfalls. Ein gnadenloser Wettkampf begann, den keiner von beiden gewonnen hat.

"Das Problem mit dem Pol ist, dass er auf einer schwimmenden Eisplatte liegt. Und diese Eisplatte bewegt sich. Die Schwierigkeit war in der damaligen Zeit eigentlich, genau festzustellen: Wo ist dieser Pol - und diese Feststellung eben so zu machen, dass es nachvollziehbar ist für andere."

Bereits nach Pearys Rückkehr kamen die ersten Zweifel auf. Auf den letzten 250 Kilometern etwa hatten ihn nur Helfer begleitetet, die seine Berechnungen nicht bestätigen konnten. Außerdem waren die Tagesetappen auf diesem Stück mit rund 60 Kilometern ungewöhnlich hoch. Lug und Betrug? Tricks und Täuschung? Peary schien der Verwirklichung seines Ziels alles andere unterzuordnen.

"Er war als Person sehr autoritär, manchmal auch zynisch. Er hatte, obwohl er in Amerika verheiratet war, eine Eskimofrau; er hatte auch Kinder - und hat also sehr gerne auch bei den Eskimos gelebt."

Was hat Peary getrieben? Nationales Ethos spielte damals eine große Rolle, Ruhm und Ehre, aber auch die Aussicht auf Wohlstand. Da ist es gut möglich, dass er die Messergebnisse ein wenig geschönt hat. Beweisen kann ihm das aber niemand. Unbestritten ist: Er hat zwar nicht den Nordpol erreicht, ist ihm aber so nahe gekommen wie vor ihm niemand.

"Nachdem ich die amerikanische Flagge im Eis aufgepflanzt hatte, sagte ich Henson, er solle die Eskimos veranlassen, dreimal donnernd 'Hoch' zu rufen. Und dies taten sie auch mit großer Begeisterung. Dann legte ich in eine Spalte zwischen die Eisblöcke eine Glasflasche nieder, die einen Querstreifen von meiner Flagge enthielt und eine Urkunde, auf der Folgendes stand: 90 Grad nördlicher Breite, Nordpol, den 6. April 1909. Kam hier heute an, 28 Tagesmärsche von Kap Columbia entfernt."

"Er ist dann zurückgekehrt und hat also zunächst in Amerika heftige Gefechte geführt, um zu verhindern, dass Cook, der eben auch Anspruch darauf erhoben hat, dort gewesen zu sein, dass das anerkannt wurde. Er hat sich dann selbst zurückgezogen in sein Haus auf einer Insel in Maine - und hat dort angefangen dann, seine Memoiren zu schreiben. Und er ist dann an Anämie gestorben."