Der Streit um die Fragen des Lebens

21.08.2012
Ein Naturwissenschaftler und ein Spiritualitätsfan streiten sich über die Entstehung der Welt und das Leben. Beide sind wohl informierte und leidenschaftliche Verfechter ihrer Sache, schaffen es aber nicht, den jeweils anderen von ihrem Standpunkt zu überzeugen.
Wie entstand das Universum? Denkt es durch uns? Was ist Leben? Wie arbeitet die Evolution? Gleicht das Gehirn einem Computer? Wie sieht die Zukunft des Glaubens aus? In ihrem Buch "Schöpfung oder Zufall?" begeben sich der Spiritualitätsfan Deepak Chopra und der eingefleischte Naturwissenschaftler Leonhard Mlodinow in eine angeregte Debatte über Kosmos und Leben, Gehirn und Geist, Evolution und Wirklichkeit - große Fragen, die Wissenschaft und Spiritualität gleichermaßen beschäftigen.

Dabei legen sie in Aufsätzen jeweils ihren eigenen Standpunkt dar oder verfassen Repliken auf die Ausführungen des Kontrahenten. Das liest sich süffig und mitreißend, denn beide Autoren zeigen sich als leidenschaftliche und wohl informierte Verfechter ihrer Sache. Sie schreiben mal pointiert und mal sanft, gehen schön bissig zur Sache und schonen einander nicht. Doch so sehr sie ihre Argumente auch schärfen - keiner vermag den anderen zu überzeugen.

Wo für Deepak Chopra ein universelles Bewusstsein den Kosmos durchströmt, prophezeit Leonhard Mlodinow zunehmende Entropie und Hitzetod des Universums. Wo Deepak Chopra sich von der Kreativität des Lebens berührt zeigt, ernüchtert Leonhard Mlodinow mit Fressen und Gefressenwerden. Dieselbe Zeichnung - ist es ein weißer Krug oder sind es zwei schwarze Silhouetten? - gilt dem einen als Beweis der Macht des Geistes über das Gehirn; der andere generiert daraus hirnphysiologischen Determinismus.

Eines jedoch eint beide Autoren: Sie wollen unbedingt Recht haben und vertreten, religionstheologisch gesprochen, einen inklusivistischen Standpunkt - sie versuchen, die jeweils andere Weltsicht ihrer eigenen Wirklichkeitsinterpretation einzuverleiben. Der Naturwissenschaftler kann Religiosität nur begreifen als psychologische Notlösung, um Geborgenheit zu fühlen und die Angst vor dem Tod zu bewältigen. Diese Argumente negieren in großer Ignoranz etwa die moderne christliche Theologie, die es sich mit dem simplen Trost nicht einfach macht. Auch die frühbuddhistische Spiritualität speiste sich keineswegs aus der Angst vor dem Tod, sondern befürchtete im Gegenteil permanente Wiedergeburten im Jammertal des Lebens; der Buddha wollte einen Weg in den Tod des Ich-Erlebens weisen.

Deepak Chodra, der eigentlich eine mischfreudige und weite Spiritualität jenseits verfasster Glaubensbekenntnisse vertreten möchte, zeigt sich immer wieder erstaunlich dogmatisch. Er präsentiert herzergreifend naive Fünf-Stufen-Schritte zur Erleuchtung und penetrant präzise Vorstellungen davon, welche Quantenphänomene in welcher Weise religiös zu deuten seien. Dabei gehört zu den großen Tugenden mystischer Spiritualität, sich als Suchender und Fragender zu platzieren, Konzepte fallen zu lassen und wenn irgend möglich einen inneren Raum des Nichtwissens und des Lauschens zu betreten.

Und wie steht es nun um die Zukunft des Glaubens? Nicht auszurotten, seufzt der Naturwissenschaftler. Hoffnung für eine des Materialismus überdrüssigen Welt, lächelt der Gläubige.

Besprochen von Susanne Billig

Deepak Chopra/ Leonard Mlodinow: "Schöpfung oder Zufall? Wie Spiritualität und Physik die Welt erklären - ein Streitgespräch"
übersetzt von Elisabeth Liebl
Arkana Verlag, München 2012
384 Seiten, 22,99 Euro
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