Der Sternen-Paparazzi

Von Judith Kochendörfer · 12.12.2006
Der 25-jährige Sebastian Voltmer ist der Shootingstar unter den Astrofotografen: Seine Bilder von Sonnenfinsternissen, Kometen oder Meteoritenschauern erscheinen in Astronomiezeitschriften, Kalendern und sogar in Hollywood-Filmen. Für seine Leidenschaft reist Voltmer an entlegene Orte der Welt, um keinen störenden Lichteinflüssen ausgesetzt zu sein.
Sebastian Voltmer: "Eigentlich sind ja die Astronomen eher Leute, die sehr skeptisch an alles rangehen, aber dennoch wünsch ich mir gerne was, wenn eine Sternschnuppe zu sehen ist."

Sebastian Voltmer ist 25, Student der visuellen Kommunikation und Astrofotograf. Es sind Semesterferien, und er hat seine Fotoausrüstung im Haus seiner Eltern in Spichern bei Saarbrücken deponiert. Taschen auf Taschen stapeln sich da im heimischen Badezimmer. In jeder steckt ein anderes Gerät.

Sebastian Voltmer: "Was man hier sieht, ist mein Traveller, ein Teleskop, das immer mitkommt, das ist ein recht kleines Teleskop, das wiegt so etwa 8 Kilo, das kann man noch ganz gut tragen, das ist schätzungsweise 1,20 m. Und hintendran ist eine CCD-Kamera, aber das ist mein kleineres Teleskop, ich hab auch noch ein größeres Teleskop. Was da hinten steht, das ist meine Montierung, eine Montierung ist ganz wichtig, damit folgt man den Sternen, wenn sie auf und untergehen."

Sebastian Voltmer, jungenhaft, eher schmächtig, mit braunen Haaren und fast immer mit einem Lächeln auf den Lippen, entstammt einem, so würde man sagen, behüteten Elternhaus. Vater: Fernsehjournalist, Mutter: Pianistin und Opernsängerin, keine Geschwister. Genug Zeit und Raum für viele Hobbys: erster Klavierunterricht mit 3, mit 7 dann mehr Interesse an Aquarellmalerei, und schließlich der Griff nach den Sternen.

"Mit 12 Jahren bekam ich ein Teleskop von meinen Eltern geschenkt, weil da war der Jupitercrash zu beobachten. Einen Tag vor dem Ereignis hat meine Mutter gesagt: Du hattest doch schon immer einen Sinn für die Sterne gehabt, sollen wir uns ein Teleskop kaufen? Und da hab ich gesagt: Au ja, das machen wir! Seitdem ich das gesehen habe, bin ich abenteuerlustig geworden, das hab ich beobachtet, das war ganz faszinierend, zu sehen, wie dann einzelne Einschlagsstellen zu beobachten sind."

Mehrmals im Jahr bricht Sebastian Voltmer zu seinen so genannten Astro-Urlauben auf. Dann zieht es ihn dorthin, wo der Himmel am klarsten ist und ihn möglichst wenig elektrische Lichtquellen erhellen. Ein großer Teil seiner Ausrüstung muss da natürlich mit, und so kommt es schon mal vor, dass er mit bis zu 120 Kilo Gepäck unterwegs ist nach Chile, China oder Namibia. Wann das ist, entscheiden die Sterne.

"Mittlerweile richte ich es nur noch nach kosmischen Ereignissen aus, wie zum Beispiel dem Persiidenschauer oder einem Leonidenschauer, das sind Meteorschauer, also Sternschnuppenströme, die man beobachten kann. Oder zum Beispiel bestimmte Kometen, die auftauchen, das kann man nie so richtig vorhersagen, wann wieder ein neuer Komet da ist. Es kann dauernd ein neuer Komet entdeckt werden, oder auch eine Supernova oder so was. Und wenn ein Komet entdeckt ist, und ich weiß auch wirklich, wann der am Himmel zu beobachten ist, dann richte ich meinen Astrourlaub danach aus.

In Namibia ist der dunkelste Himmel überhaupt weltweit. Das ist wirklich gigantisch, die Milchstraße ist dort so gut zu sehen, dass, wenn man seinen eigenen Schatten anschaut, der ist dann von der Milchstraße verursacht."

Wenn Sebastian Voltmer ins Erzählen kommt, ist er so schnell nicht zu bremsen. Aber schließlich hat er ja auch genug zu berichten: Von seinen Reisen, von seiner Schulzeit, in der ihn die Freunde als "Astrofreak" bezeichneten und sein Hobby zu eigenbrötlerisch fanden - was ihn nie störte. Er arbeitet einfach gern allein. Von seinem Preis beim Bundeswettbewerb "Jugend forscht" vor sechs Jahren. Von seinem Studium der visuellen Kommunikation in Kassel. Und von seinem Austauschjahr in Wien, wo er Film und Fernsehen studierte, und wo er seitdem regelmäßig auf Okto TV eine Astronomie-Sendung moderiert, zusammen mit 12 Kollegen der Wiener Uni.

Und weil er scheinbar damit noch nicht genug zu tun hat, produziert er zudem noch Musik. Die Musik für seine eigenen Astro-Filme zum Beispiel. Zwei der Filme wurden in den letzten Jahren mehrfach im Bayrischen Rundfunk ausgestrahlt und liefen auf deutschen Bahnhöfen zur Documenta-Eröffnung.

"Wenn ich nachts draußen stehe, am Teleskop und beobachte zum Beispiel den Mars, dann hört man ja immer wieder im Sommer die Grillen. Und vielleicht ab und zu auch Wildschweine und so was. Und aus diesen Naturgeräuschen mach ich auch Musik und unterlege das z.T. auch meinen Filmen, weil das recht gut passt.

Die Sterne an sich sind eigentlich eher uninteressant, interessant sind die Objekte, die man kaum sieht, wie die Galaxien oder die galaktischen Nebel. Wenn man einen Nebel beobachten oder überhaupt erkennen möchte, muss man erstmal lernen, das zu sehen. Und dann kann es durchaus sein, dass man manchmal ein bis zwei Stunden in der Dunkelheit steht, um überhaupt etwas zu erkennen."

Bis zu 1.000 Einzelbilder macht Sebastian Voltmer in so einer Nacht, die er der Fotografie gewidmet hat. 1.000 Bilder, die anschließend übereinander geschichtet werden zu einem einzigen Endbild. In einer zweiwöchigen Namibia-Reise beispielsweise entstehen dann insgesamt 10 Fotos für Zeitschriften, Kalender und Ausstellungen. Zusätzlich dreht er kleine Filmsequenzen. Eine Mondfinsternis-Sequenz landete 2003 im Hollywoodfilm "Twilight Men". Im Bayrischen Rundfunk lief 2001 seine Reportage über den Sternschnuppenregen in China. Zu viele Sternschnuppen für die Wünsche, die sich Sebastian Voltmer zurechtgelegt hatte.

"Ich hab 3.800 Sternschnuppen pro Stunde aufgenommen, und ich hatte eigentlich viele Wünsche auf Lager, aber mir haben die alle Wünsche aus dem Kopf geschlagen, es war zuviel einfach."

Service:
Eine Auswahl von Fotos von Sebastian Voltmer sind vom 13. Dezember 2006 bis 21. Januar 2007 in der Rathausgalerie im schwäbischen Aalen unter dem Titel Stadt Aalen: Ausstellung "Geheimnis - Weltall" zu sehen.